Man könnte mit diesem Wort der "Fiktionsbescheinigung" spielen, und sagen: Wenn wir das aus einer Fiktion mal herausnehmen und sagen würden, das wäre eine "Realbescheinigung". Wir widmen uns der Situation und Realität einer Welt, die im 21. Jahrhundert globalisiert und hochmobil ist. Dann könnten wir vielleicht mal damit beginnen, eine nachhaltige und sozial gerechte Migrationspolitik zu entwickeln. Das tun wir im Moment am allerwenigsten.
Manuela Bojadzijev über Fiktionsbescheinigungen
Eine amtlich ausgestellte Fiktionsbescheinigung: Das Forum der Berliner Filmfestspiele hat im Sommer eine Reihe nach dem Dokument benannt. © imago / Ralph Lueger
Leben, die es nicht gibt?
08:17 Minuten
Manuela Bojadzijev im Gespräch mit Susanne Balthasar · 08.01.2022
Menschen mit einem vorläufigem Aufenthaltsrecht müssen sich hierzulande mit einer sogenannten Fiktionsbescheinigung ausweisen. Das sei ein Sinnbild für die deutsche Migrationspolitik, meint die Expertin Manuela Bojadzijev.
Ist das Aufenthaltsrecht einer Person in Deutschland ungeklärt, bekommt diese Person eine Fiktionsbescheinigung. Und ist sie damit dann fiktiv? - Mit der Migrationsforscherin Manuela Bojadzijev sprechen wir über ein Ausweisdokument, das kein Lichtbild hat.
Die wenigsten Deutschen mit Pass oder Personalausweis kennen dieses Dokument. Und sie erkennen es deshalb auch nicht. Das erschwere den Alltag, das Eröffnen eines Kontos oder auch Einschreiben an der Uni, erklärt Bojadzijev.
Eine Spekulation über die Zukunft
Der bürokratische Begriff weckt vielerlei Assoziationen: Das Forum der Berliner Filmfestspiele hat so eine neue Reihe genannt, in der Filme laufen, die vom weißen deutschen Kanon lange ignoriert wurden.
Für die Professorin von der Berliner Humboldt-Universität verbindet sich mit dem merkwürdigen Wort eine Spekulation über die Zukunft. Wie ein Sinnbild über die aktuelle deutsche Migrationspolitik, bei der sich Manuela Bojadzijev einen Wandel wünscht.
Dieser Wandel würde auch das Dokument mit dem komischen Namen überflüssig machen. Es wurde schließlich erst vor 30 Jahren eingeführt: Vorher galten Leute, die nach Deutschland kamen, um heimisch zu werden, als real. Nicht als fiktiv.
