Figurentheaterfestival Fidena

Viel mehr als Kindertheater

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"Ein Geheimnis der Straße": Papiertheater aus Frankreich beim Fidena-Festival in Bochum 2018. © Foto: Papierthéâtre
Von Christiane Enkeler · 12.05.2018
Bei Puppentheater denken die meisten immer noch an Kasper, Seppl und das Krokodil. Dass Figurentheater vielseitiger ist und auch Impulse durch die Digitalisierung aufgenommen hat, lässt sich derzeit beim 60. Figurentheaterfestival "Fidena" beobachten.
- "The boat is full."
- "I have money. I have money."
- "I just said: There is no more room on the boat."
Neville Tranter aus Australien arbeitet mit Klappmaulpuppen. Seit über 30 Jahren ist er Festivalgast. Aufgewachsen ist er in einem kleinen Dorf mit 50 Einwohnern. Er lebt in den Niederlanden.
"Viele Leute denken noch immer, dass es für Kinder ist. Es bleibt eine ganz intime Form von Theater."
Auf der Fidena kann man viele Produktionen sehen, die definitiv kein Kindertheater sind. Das Festival ist strategisch zu zwei Dritteln mit ernsten Stücken für Erwachsene bestückt.
Die Themen Tod, Gewalt und Sexualität können sehr nah kommen. Figuren können sterben - und wieder auferstehen. Man kann sie schweben lassen - und übel zurichten.

Der Kasper ist 18 Meter hoch, weiblich und schwarz

"Achtung, Sie werden von einem Maulwurfschwanz bedroht..."
Stefanie Oberhoff steht in der Antoniuskirche in Bochum, dort "parken" die Figuren für "Punch Agathe", einer Puppenparade, die die 60. Ausgabe des Festivals "Figurentheater der Nationen" eröffnet hat. Der Kasper ist hier 18 Meter hoch, weiblich und schwarz. "Resist" lautet das diesjährige Festivalmotto.
Oberhoff: "Wir stehen vor dem Stiefel von Punch Agathe, die ist im Februar in Melbourne in Stecknadelgröße auf die Welt gekommen, ist dann im März nach Kinshasa gereist, hatte dort ihre Pubertät durchlebt, also war erst mal einen Meter groß, dann war sie vier Meter groß und übernimmt quasi die Macht. Es stehen da draußen Klaviere, die werden hier von zwölf Metern Höhe von einer Empore fallen, im Rahmen eines Konzerts mit Jazzmusikern, und sie wird im Laufe des Festivals in Bochum ihr Unwesen treiben."
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Seit 1997 leitet Annette Dabs das Fidena-Figurenfestival.© Foto: Simon Bauks
Als die Fidena 1958 gegründet wurde, und damals noch "Meister des Puppenspiels" hieß, traten viele Solo-Puppenspieler auf. Der zweite Festivalleiter zeigte große Ensembles aus Frankreich, China und Osteuropa. Erst die dritte Leitung holte das Objekttheater nach Deutschland. Seit 1997 leitet nun Regisseurin Annette Dabs die Fidena.
Sie möchte das Figurentheater noch weiter fassen und lädt Künstler ein, die mit einem Exoskeleton arbeiten, mit Trickfilm, mit digitalen Medien. Sie hat den Eindruck, dass Figurentheater vermehrt Einzug hält in klassische Theater- und Opernhäuser. Zum Teil verbucht sie das als eigenen Erfolg, denn zur Strategie gehört auch ein Figurentheatermagazin, das einer Theaterzeitschrift beiliegt. So kommen die wichtigen Fachabonnenten regelmäßig mit Figurentheater in Berührung.

Digitale Medien sind im Puppentheater angekommen...

Die traditionellen Spielformen, glaubt Annette Dabs, werden bleiben: Handpuppen, Schattentheater und Marionetten. "Wobei ich sagen muss, dass die Marionette mir manchmal Sorgen macht, weil, es gibt kaum noch sehr gute Marionettenspieler. Das liegt zum einen daran, dass es wirklich eine Hingebung braucht, das wirklich gründlich und gut zu lernen, und ich glaube, dass sie irgendwie nicht in diese schnelllebige Zeit passt. Schnelle Repliken, viel Text, das funktioniert nicht mit Marionette."
Roboter und Projektionen sind zwei Wellen, von denen die eine zurückgekehrt ist, die andere eher verschwunden ist:
"Jetzt ist natürlich das, was alle interessiert, sind die digitalen Medien, die digitalen Künste, die auch ganz stark im Puppentheater Eingang finden, weil ja im Prinzip die Puppe der erste Repräsentant des Menschen ist. Und war. Und der Avatar ist ja nichts anderes. Der Avatar ist der Repräsentant des Menschen in der digitalen Welt."

... aber wird es auch bleiben?

Sie ist gespannt, ob das Digitale bleiben wird. So wie der Kasper. Als "Punch Agathe" steht er in Bochum für Internationalität. Neu sind internationale Zusammenarbeiten nicht, aber sie nehmen zu, berichtet auch Stefanie Oberhoff von der Punch-Agathe-Produktion:
"Kulturaustausch wird sehr gern gefördert, Punch Agathe kooperiert mit dem Jazzfestival in Moers. Die haben drei internationale Projekte: mit Nordkorea, mit Indien und mit dem Kongo. Und Indien und Nordkorea sind die Visa schon abgelehnt worden, und die Flüge von Kongolesen sind eigentlich auch schon verfallen, also, wir warten jetzt noch, es könnte noch eine Zusage geben, aber es ist fast unmöglich, solche Projekte zu realisieren."
In der Bochumer Antoniuskirche wuseln unterdessen schon mal Nilpferd, Maulwürfe und ein Maulwurfmutant um den Altar.
Oberhoff: "Ein schöner Satz, der letztes Jahr in Kinshasa gefallen ist: Je höher die Mauern werden und je undurchdringlicher die Grenzen, desto größer werden unsere Puppen und desto lauter wird unsere Musik."
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