Fifa gibt sich neue Ethik-Richtlinien

Was hässlich klingt, wird umbenannt!

FIFA-Präsident Gianni Infantino bei der WM-Abschluss-Pressekonferenz im Lushniki Stadion in Moskau.
Korruption per Löschtaste abgeschafft, hat daher gut lachen: Fifa-Präsident Gianni Infantino. Das könnte man sich zum Vorbild nehmen, meint Paul Stänner. © imago sportfotodienst
Von Paul Stänner · 20.08.2018
Die Fifa macht es mit ihren neuen Ethikrichtlinien vor: Unschöne Missstände lassen sich einfach mit schön klingenden Vokabeln überstreichen. Publizist Paul Stänner hätte ein paar Vorschläge, was sich mit dieser Methode noch alles umetikettieren ließe.
Der Fußballweltverband Fifa, dessen vier Buchstaben nach Korruption und verschobenen Millionen riechen wie ein Stinktier nach Knoblauch und faulen Eiern, hat sich neue Ethikregeln gegeben. Zuvor wurden massive Personalwechsel vorgenommen, die dafür gesorgt haben, dass die Saubermänner verschwanden. Dann wurde der Kodex für ethisches Verhalten überarbeitet.

Korruption? Streichen wir!

Zentralpunkt der Reform ist, dass der Begriff "Korruption" aus dem Regelwerk gestrichen wurde. Es gibt bei der Fifa keine Korruption mehr, weil es nicht einmal mehr das Wort gibt.
Nun gut, das Wort "Bestechung" steht noch da und das vor allem in Verbindung mit dem Begriff "Verleumdung": Wer der Fifa "Bestechung" vorwirft, steht gleich unter dem Verdacht, sie verleumdet zu haben und "Verleumdung" ist jetzt eine Straftat nach dem Fifa-Regelwerk.

Wohlklingende Alternativen

Man kennt das Verfahren aus der Medizin: Niemand spricht das Wort "Krebs" aus. Man nennt es eine "lange, schwere Krankheit", was bei weitem besser klingt, denn es könnte ja auch ein hartnäckiger Schnupfen gemeint sein. Verschwindet das Wort, verschwindet auch die Tatsache, die es bezeichnet.
Was hässlich klingt, wird umbenannt. Die Fifa-Reform wird sicher Schule machen.
Nehmen wir das Wort "PKW-Maut". Als die Mautbrücken über die Autobahnen gespannt wurden, war uns versprochen worden, niemals, aber wirklich niemals werde es eine Maut für den PKW geben. Nun wird es sie wohl doch geben und da ist das Wort "Maut" einfach hässlich, weil es die Bürgerinnen und Bürger an einen üblen und überdies absehbaren Wortbruch erinnert.
Also braucht die Politik ein neues Etikett. "Mobilitätsgroschen" wäre beispielsweise ein schönes Wort. Maut ist schlecht – Mobilität ist toll. Bei dem Wort "Groschen" wissen die meisten schon nicht mehr, dass das mal ein Geld war und ahnen nichts Böses. Also: "Mobilitätsgroschen" ist ein gutes Wort, um uns übers Ohr zu hauen.

Verspätung? Flexibilisierung!

Bei der Bahn wiederum wird das Wort "Verspätung" ausgetauscht. Die Bahn bekommt gerade neue Uniformen in Weingummi-Rot, da wird schon durch die Optik angedeutet, dass sich das, was früher fest war, immer stärker zieht und dehnt.
Also wird der hässliche Begriff "Verspätung" ersetzt durch das Wort "Ankunftsflexibilisierung". "Ankunftsflexibilisierung" beinhaltet, dass man gewiss ankommt, dass aber die Ankunft flexibel gehandhabt wird, was Ort und Zeit anlangt.
Mit der Einführung dieses Begriffs entfallen natürlich auch die bisher geleisteten Schadensersatzzahlungen, denn niemand wird ernsthaft die Bahn dafür bestrafen wollen, dass sie flexibel ist. Oder ankommt.

Auch "Nazi-Deutschland" soll schöner klingen

In der Politik erwarten Beobachter, dass der AfD-Abgeordnete Alexander Gauland – das ist der mit der Dackel-Krawatte – das Unwort "Nazideutschland" aus dem Verkehr ziehen wird. "Nazi", das klingt brutal nach Massenmord und Barbarei, das ist wirklich nicht schön.
Wie viel wohlklingender wäre es, von der Vergangenheit als "diesen zwölf Jahren" zu sprechen. "Diese zwölf Jahre" – aus denen kann man sich heraussuchen, was einem gefällt, ohne durch misslaunige Hinweise auf Terror und Verfolgung gestoßen zu werden. So sind es einfach "zwölf interessante Jahre".
Der Berliner Flughafen, noch so ein Problemfall. Sowohl als Flughafen Schönefeld wie auch als Willy-Brandt-Flughafen schleppt er immer diesen Anhang "Flughafen" mit sich herum wie Dick den Doof. Er wird umbenannt in "Südliche Berliner Heide", was er ja auch ist und noch lange bleiben wird.

"Ganz ehrlich sauberer Fußballverband"

Und was die millionenschwere Fifa betrifft, bei der es jetzt schon keine "Korruption" mehr gibt, und auch keine "Bestechung", weil der Ausdruck allein schon "Verleumdung" ist – warum statt der Herumpfuscherei an Details nicht ganze Sachen machen und endlich die schmutzige Vokabel FIFA abschaffen? Man könnte sie ersetzen – zum Beispiel – durch den Titel: "Ganz ehrlich sauberer Fußballverband".
Obwohl – auch das klingt schon wieder nach Verleumdung, und die ist ab sofort regelwidrig.

Paul Stänner, geb. in Ahlen in Westfalen, hat in Berlin Germanistik, Theaterwissenschaft und Geschichte studiert und bei RIAS und SFB eine Ausbildung zum Journalisten absolviert. Eines seiner letzten Bücher war "Ich bin hinter dir. Katholische Internatsgeschichten". Weitere Informationen und Texte auf seiner Website.

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