Feuchtwangers entstaubt

Von Kerstin Zilm |
Seit drei Monaten hat die Villa Aurora, die Künstlerresidenz in einem Vorort von Los Angeles, eine neue Direktorin. Die lud jetzt ein zum Sommerfest - um Spenden zu sammeln und erklärte bei der Gelegenheit, wie sie frische Luft in die etwas angestaubte Institution bringen will.
An einem steilen Hügel nördlich von Los Angeles leuchtet zwischen Eukalyptusbäumen, Oleander und Bougainvillea weiß die Villa Aurora hervor. Davor ein Garten mit atemberaubender Aussicht auf den Pazifik und die Bucht von Santa Monica. Seit drei Monaten ist Margit Kleinman Direktorin der Villa. Bis zum Wechsel an die Villa war sie 25 Jahre lang Programmkoordinatorin des Goethe-Institutes. Das erste Sommerfest mit Spendensammlung in der Villa Aurora seit ihrer Eröffnung als Künstlerresidenz ist für Kleinmann finanzielle Notwendigkeit und ein Symbol für die Öffnung der ehemaligen Feuchtwanger-Residenz.

"Ich dachte mir, das Haus soll auch offen sein. Es kann natürlich nicht immer offen sein, weil wir auch Stipendiaten haben, Künstler, die hier arbeiten, aber hin und wieder soll das Haus offen sein und alle sollten sich hier treffen können, gute, interessante Gespräche führen und die Aussicht genießen wie wir es gerade tun."

Bisher lud die Villa Aurora vor allem abends zu Konzerten, Lesungen und Filmvorführungen ein. Garten und Aussicht waren Mitarbeitern, Stipendiaten und Gästen der Oscar-Party vorbehalten.

Die Stimmung beim Sommerfest ist entspannt: Liegestühle und Gartentische stehen auf der Wiese zwischen Grill und Brunnen. Im ehemaligen Wohnzimmer der Feuchtwangers gibt es live Salsa und Jazzmusik. Stipendiaten stellen Werke vor. Filmemacher Dietrich Brüggemann aus Berlin arbeitet an einem Drehbuch:

"Das handelt von drei alten Herren, die gegen Ende ihres Lebens feststellen, dass sie 68er-Revolution und der Urknall der Gegenkultur hier komplett ohne sie stattgefunden hat und die das dann im hohen Alter nachholen."

Auch der bildende Künstler Michael Just arbeitet an einem Filmprojekt. "Below the Surface" basiert auf einem nie umgesetzten Drehbuch von Max Horkheimer und Theodor W. Adorno aus dem Jahr 1945. In der Villa spürt er wie alle Stipendiaten die anhaltende Wirkung der Feuchtwangers und ihrer berühmten Gäste, darunter Heinrich und Thomas Mann, Bertolt Brecht, Charlie Chaplin und Albert Einstein.

"Wenn ich oft alleine oben am Arbeiten bin im Arbeitszimmer von Feuchtwanger, dann denkt man - wie war das eigentlich damals? Es gibt so Momente, wo das durchkommt und das finde ich auch sehr spannend."

Die in Toronto geborene Komponistin und Zeichnerin Chiyoko Szlavnics hat in ihrer Zeit als Villa-Stipendiatin ihre meditativen Grafiken erstmals nicht nur in schwarz-weiß gezeichnet.

"Ich hab hier blaue Zeichnungen angefangen, weil ich das Meer sehe und der Himmel ist immer blau und deshalb hab ich diese blauen Zeichnungen angefangen. Sonst zeichne ich immer schwarz auf weißem Papier, das ist neu."

Wichtige Ziele der neuen Villa-Direktorin Kleinman sind es, die jungen Künstler einer breiteren Öffentlichkeit in Los Angeles vorzustellen und das Image des ehemaligen Immigranten-Treffpunktes zu modernisieren.

"Klar, es ist nicht unbedingt der heißeste und hippste Ort in town, es ist eine Künstlerresidenz, hat auch ein gewisses Erbe. Manche Leute stellen sich unter diesem Platz etwas Gediegenes vor, was wir eigentlich nicht sind und was auch die Feuchtwangers nicht waren. Die Künstler, die wir hier haben, gehören alle zur Avant Garde."

Margit Kleinmann will, dass Veranstaltungen in der Villa live im Internet verfolgt und später abgerufen werden können - für die, die nicht den Weg hinauf zum Hügel schaffen und als Brücke zum Villa Aurora Forum in Berlin. Dessen neue Geschäftsführerin, Annette Rupp, war zweieinhalb Jahre Direktorin des Goethe-Instituts in Los Angeles. Sie arbeitete eng mit Margit Kleinman zusammen und unterstützt jetzt das Ziel, die Institution zu entstauben. Mit dem Sommerfest ist ein erster - kleiner - Schritt getan, dem viele folgen müssen. Die neue Direktorin bringt dafür auf jeden Fall reichlich Energie und Enthusiasmus mit:

"Das hier ist das einzige Haus, das Deutschland hat, das im Endeffekt für das deutsche, das europäische Exil nach dem zweiten Weltkrieg steht. Das ist etwas was man feiern kann. Worauf man auch stolz sein kann ist, dass sich Deutschland ein solches Haus leisten will und leisten kann. Und das möchte ich eigentlich in dieser Stadt wirklich bekannt machen, eines der größten Ziele wird das sein."
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