Festung der Einsamkeit
Sein berühmter Landsmann Mario Vargas Llosa hält ihn für eines der größten Talente unter den jüngeren Schriftstellern Perus. Das Schreiben des 40-jährigen Iván Thays' ist geprägt vom Tod seiner Großmutter und der Geburt seines Sohnes.
Iván Thays: "Die vermeintlich wichtigen Dinge im Leben sind mir nicht so wichtig. Ich mag lieber Details, Nebensächlichkeiten. Interessanter als die großen Errungenschaften der Menschen kommen mir ihre unscheinbaren kleinen Erfolge vor. Das Abseitige des Lebens, das ist das Thema meiner Bücher."
Auch jetzt befindet sich Iván Thays, ein 40-jähriger Mann mit hoher Stirn, markanter Nase und vollen Lippen, abseits des Lebens: auf dem Friedhof La Planicie in Perus Hauptstadt Lima. Ein vierstöckiger Betonklotz, die Ebenen mit einer Auffahrt verbunden – wie ein Parkhaus. Nur dass hier absolute Ruhe herrscht. Menschenleere.
"Diesen Friedhof habe ich seit dem Jahr 1988 oft besucht, weil hier meine Oma beigesetzt wurde. Ein seltsamer Friedhof, hat etwas von einem Bienenhaus. Hier gibt es keine Erde, nur Grabnischen aus Stein. Hier habe ich praktisch meine späte Jugend und meine Zeit als junger Erwachsener verbracht. Dieser Friedhof ist sehr wichtig in meinem Leben."
Thays zieht sein beiges Sakko aus und legt einen Karopullover frei. Er steigt auf eine Holztreppe, um an die Grabnische seiner Großmutter zu gelangen und reißt die mit Klebestreifen befestigten, vertrockneten Blumen ab. Er legt seine flache Hand auf den Marmorstein, hält inne und schweigt. Thays ist ein gläubiger Mensch. Zum Schreiben hat ihn letztlich ein fiktiver Franziskaner-Mönch veranlasst:
"Ich habe angefangen zu schreiben, als ich eine Saga für Jugendliche las. Ein Franziskaner-Mönch hatte acht Schüler und jeder Schüler einen Roman. Und diese acht Romane erschienen dann als Serie der Saga. Ich habe sie verschlungen und dann wie selbstverständlich weiter geschrieben. Schließlich wollte ich nicht, dass die Serie der acht Romane endet. Es sollte weitergehen. So kam ich zum Schreiben."
Daran mussten sich die Eltern des 1968 in Lima geborenen Iván – der Vater ein Volkswirt, die Mutter eine Hausfrau – erst einmal gewöhnen. Denn keiner der beiden liest in seiner Freizeit belletristische Literatur. Und nun der Sohn ein Schriftsteller?
"Im Prinzip waren sie verständnisvoll. Aber sie wussten nicht, dass Schreiben ein Beruf sein kann. Meine Eltern haben nie eines meiner Bücher gelesen, aus Angst, die Lektüre könnte ihnen zu nahe gehen. Sie glauben nicht, dass ich Fiktion schreibe, sondern die Wahrheit. Romane zu lesen heißt für sie und meine beiden Geschwister, sich in das Leben anderer einzumischen. Das wollen sie nicht, weil sie keinen Hang zum Tratschen haben."
Im Literaturbetrieb Perus dagegen wird viel getratscht. "Vano oficio" – "eitles Geschäft" – hieß die Literatursendung, die Iván Thays jahrelang im staatlichen Fernsehen moderierte, bis sie abgesetzt wurde. Jetzt widmet er sich ganz dem Schreiben. Einen Erzählband und drei Romane hat er veröffentlicht. In seinem 2009 erschienenen Buch "Un lugar llamado Oreja de Perro" – "Ein Ort namens Hundeohr" – ist die männliche Hauptfigur durch den Tod des eigenen Sohnes traumatisiert. Thays selbst schreibt anders seit er einen Sohn hat:
"Ja, meine Bücher haben sich sehr dadurch verändert, durch die Geburt meines Sohnes und durch die Trennung von meiner Frau. Dass sie mit meinem Sohn in eine eigene Wohnung gezogen ist, habe ich durch das Schreiben noch nicht überwinden können. Das ist eine Wunschvorstellung."
Sein Sohn bedeutet Iván Thays alles. Den wichtigen Personen in seinem Leben möchte er nahe sein. Wenn seine Ex-Frau mit dem Kind aus Lima wegziehen würde, würde auch er die Hauptstadt verlassen. Um sich auch seiner verstorbenen Großmutter nah zu fühlen, kommt Iván Thays regelmäßig auf den Friedhof La Planicie – ein Ort, der andere abschreckt, ihn aber beruhigt:
"Ich habe keine Angst vorm Tod. Ich glaube, dass das Leben dazu da ist zu lernen. Und wenn dann der Tod kommt, ist die Lernphase vorbei. Der Tod ist für mich die Tür zum Jenseits. Und ich bin sehr gespannt, wie das Jenseits so ist."
Dort ist nun auch seine Großmutter, da ist sich Iván Thays sicher. Bis zu ihrem Tod lebte sie im Haus seiner Eltern, war seine Hauptbezugsperson. Als sie starb, brach eine Welt für ihn zusammen:
"Meine Oma starb, als ich 20 war. Während der folgenden 20 Jahre meines Lebens habe ich hier auf dem Friedhof über meine Bücher nachgedacht, über mein Leben, habe Gott um Rat gefragt. Dieser Friedhof ist für mich so etwas wie Supermans Festung der Einsamkeit."
Auch jetzt befindet sich Iván Thays, ein 40-jähriger Mann mit hoher Stirn, markanter Nase und vollen Lippen, abseits des Lebens: auf dem Friedhof La Planicie in Perus Hauptstadt Lima. Ein vierstöckiger Betonklotz, die Ebenen mit einer Auffahrt verbunden – wie ein Parkhaus. Nur dass hier absolute Ruhe herrscht. Menschenleere.
"Diesen Friedhof habe ich seit dem Jahr 1988 oft besucht, weil hier meine Oma beigesetzt wurde. Ein seltsamer Friedhof, hat etwas von einem Bienenhaus. Hier gibt es keine Erde, nur Grabnischen aus Stein. Hier habe ich praktisch meine späte Jugend und meine Zeit als junger Erwachsener verbracht. Dieser Friedhof ist sehr wichtig in meinem Leben."
Thays zieht sein beiges Sakko aus und legt einen Karopullover frei. Er steigt auf eine Holztreppe, um an die Grabnische seiner Großmutter zu gelangen und reißt die mit Klebestreifen befestigten, vertrockneten Blumen ab. Er legt seine flache Hand auf den Marmorstein, hält inne und schweigt. Thays ist ein gläubiger Mensch. Zum Schreiben hat ihn letztlich ein fiktiver Franziskaner-Mönch veranlasst:
"Ich habe angefangen zu schreiben, als ich eine Saga für Jugendliche las. Ein Franziskaner-Mönch hatte acht Schüler und jeder Schüler einen Roman. Und diese acht Romane erschienen dann als Serie der Saga. Ich habe sie verschlungen und dann wie selbstverständlich weiter geschrieben. Schließlich wollte ich nicht, dass die Serie der acht Romane endet. Es sollte weitergehen. So kam ich zum Schreiben."
Daran mussten sich die Eltern des 1968 in Lima geborenen Iván – der Vater ein Volkswirt, die Mutter eine Hausfrau – erst einmal gewöhnen. Denn keiner der beiden liest in seiner Freizeit belletristische Literatur. Und nun der Sohn ein Schriftsteller?
"Im Prinzip waren sie verständnisvoll. Aber sie wussten nicht, dass Schreiben ein Beruf sein kann. Meine Eltern haben nie eines meiner Bücher gelesen, aus Angst, die Lektüre könnte ihnen zu nahe gehen. Sie glauben nicht, dass ich Fiktion schreibe, sondern die Wahrheit. Romane zu lesen heißt für sie und meine beiden Geschwister, sich in das Leben anderer einzumischen. Das wollen sie nicht, weil sie keinen Hang zum Tratschen haben."
Im Literaturbetrieb Perus dagegen wird viel getratscht. "Vano oficio" – "eitles Geschäft" – hieß die Literatursendung, die Iván Thays jahrelang im staatlichen Fernsehen moderierte, bis sie abgesetzt wurde. Jetzt widmet er sich ganz dem Schreiben. Einen Erzählband und drei Romane hat er veröffentlicht. In seinem 2009 erschienenen Buch "Un lugar llamado Oreja de Perro" – "Ein Ort namens Hundeohr" – ist die männliche Hauptfigur durch den Tod des eigenen Sohnes traumatisiert. Thays selbst schreibt anders seit er einen Sohn hat:
"Ja, meine Bücher haben sich sehr dadurch verändert, durch die Geburt meines Sohnes und durch die Trennung von meiner Frau. Dass sie mit meinem Sohn in eine eigene Wohnung gezogen ist, habe ich durch das Schreiben noch nicht überwinden können. Das ist eine Wunschvorstellung."
Sein Sohn bedeutet Iván Thays alles. Den wichtigen Personen in seinem Leben möchte er nahe sein. Wenn seine Ex-Frau mit dem Kind aus Lima wegziehen würde, würde auch er die Hauptstadt verlassen. Um sich auch seiner verstorbenen Großmutter nah zu fühlen, kommt Iván Thays regelmäßig auf den Friedhof La Planicie – ein Ort, der andere abschreckt, ihn aber beruhigt:
"Ich habe keine Angst vorm Tod. Ich glaube, dass das Leben dazu da ist zu lernen. Und wenn dann der Tod kommt, ist die Lernphase vorbei. Der Tod ist für mich die Tür zum Jenseits. Und ich bin sehr gespannt, wie das Jenseits so ist."
Dort ist nun auch seine Großmutter, da ist sich Iván Thays sicher. Bis zu ihrem Tod lebte sie im Haus seiner Eltern, war seine Hauptbezugsperson. Als sie starb, brach eine Welt für ihn zusammen:
"Meine Oma starb, als ich 20 war. Während der folgenden 20 Jahre meines Lebens habe ich hier auf dem Friedhof über meine Bücher nachgedacht, über mein Leben, habe Gott um Rat gefragt. Dieser Friedhof ist für mich so etwas wie Supermans Festung der Einsamkeit."