Festival Unidram in Potsdam

Kritisches Theater abseits des Festivalzirkus

Mann mit "Anonymous"-Maske
Eine sogenannte "Anonymous"-Maske: Markenzeichen der Gruppe "anonymoUS" © picture alliance / dpa / Foto: Philippe Huynh-Minh
Von Hartmut Krug |
Unabhängige Theaterperformances - dafür steht das Festival Unidram in Potsdam. Die gesellschaftskritische Gruppe "anonymoUS" nahm Selbstvermarktungsstrategien aufs Korn, während Ariel Doron aus Tel Aviv den Krieg persiflierte.
Ein recht altertümliches Tasteninstrument mit zwei Blasebälgen bearbeitet der Musiker der Gruppe "Handa Gote". Skurril ist so ziemlich alles, was die Prager Gruppe für ihr kleines Mittelalterspektakel "Mutus liber" auf die Bühne bringt, benannt nach einem alchemistischen Standardwerk aus dem Jahr 1677. Tiefsinn sucht man in dieser theatralen Auseinandersetzung mit dem Buch aber vergeblich: Wunderbar ironisch wird mit Ritualen und spiritueller Praxis gespielt. Man produziert Gold und Elektrizität, Bienenzüchter kokeln, ein Bogenschütze schießt und Blasebälge schnaufen. Die Prager Künstler präsentieren ein Stück fröhlich unsinnigen Sinns, weniger postdramatisch als eher postironisch.
So wird das Publikum von einem Mann zwar mit tiefernstem Gesicht begrüßt, der aber seine Stimme verzerrt, als klänge sie aus alter Zeit herbei.
Auf großen Festivals wird man so etwas kaum zu sehen bekommen, doch für die Potsdamer Unidram ist es typisch. Der Festivalname verweist darauf, dass die Unidram 1993 von freien Theatermachern mit Hilfe der Universität gegründet wurde. Ein Impuls war, in einer vom Nachholbedarf an westlicher Theateravantgarde bestimmten Zeit das osteuropäische 0ff-Theater nicht aus den Augen zu verlieren.
Jens-Uwe Sprengel ist seit Gründung der Unidram in der Festivalleitung dabei:
"Für uns war von Anfang an wichtig, dass das Festival einen Begegnungscharakter hat und dass das gesprochene Wort nicht im Mittelpunkt steht. Wir haben sehr viel nonverbales Theater eingeladen, und das ist auch ein Markenzeichen des Festivals, dass es sehr stark über das visuelle Erleben und Darstellen stattfindet. Dadurch ist das Festival nicht unbedingt thematisch zu verorten, sondern sehr stark durch die Ästhetik der Bilder, durch das Verbinden unterschiedlicher Formen… Es ist Figurentheater vertreten, multimediale Inszenierungen, sehr viel Musik, die Live auf der Bühne stattfindet, Bewegung, Tanz, all diese etwas anderen Formen."
Mit einem Plüschtier den Krieg persiflieren
Was nicht heißt, dass sich nicht doch Themen in den Vordergrund schieben. Die Gruppe "anonymoUS" stellt in ihrer interaktiven Performance nach dem Film "Inside Men" neoliberale Selbstvermarktungspraktiken kritisch aus, während Ariel Doron aus Tel Aviv in "Plastic Heroes" den Krieg persifliert, indem er ihn auf einem Tisch mit Plastikfiguren und einem Plüschtier ausstellt. Vor allem aber spielen in etlichen Inszenierungen Film und Live-Kamera die entscheidende Rolle. Das polnische "Teatr Cinema", dessen Schauspieler in einem alten Klassenraum mit Stühlen und Kleidern hantieren und dabei traumartig absurde Bilder gestalten, kommentiert ihr Spiel mit Filmbildern der Schauspieler. Die Jerusalemer Gruppe "Hazira Performance Art Arena & Puppet Cinema" präsentiert mit "Salt oft the Earth" sogar eine Art Live-Filmtheater für "eine Puppe, Kamera und 1000 Pfund Salz":
"Hazira Performance Art Arena & Puppet Cinema" beim Unidram
Die Gruppe "Hazira Performance Art Arena & Puppet Cinema" aus Israel mit ihrer Performance "Salt oft the Earth" beim Festival Unidram in Potsdam.© Foto: Yair Meyuhas
Während dies traurig-schöne Lied erklingt, schütten die Darsteller Salz auf die Bühne. Wenn dann die Minikamera über die Krater und Ebenen des kleinen Berges fährt, lässt sie Landschaften des Mittleren Ostens assoziieren. Eine Puppe steigt aus dem Salz, das zu immer neuen Landschaften arrangiert wird. Mit winzigen Fahrzeugen und Häusern ausgestattet, wirkt es im Filmbild auf fremde Weise real.
Vor dieser Miniaturlandschaft erzählt ein Schauspieler von der Geburt Israels und vom Versuch eines Mannes, der Puppe (?), aus einem von Gewalt und Krieg bestimmten Leben zu fliehen.
Formal war die Arbeit der Künstler aus Jerusalem zwar nicht neu und beim Einsatz der eher als Handwerker denn als Schauspieler tätigen Mitarbeiter nicht immer elegant, doch wie mit der Minikamera Bilder aus der einer Salzlandschaft eine reale Welt geschaffen wurde, war faszinierend.
Zwischenfazit des fünftägigen, noch bis zum 7. November dauernden Potsdamer Festivals Unidram: Hier bekommt man nicht die üblichen Verdächtigen des internationalen Festivalzirkus präsentiert, sondern sieht noch wenig bekannte, auch junge, höchst talentiert Künstler aus Ost- wie Westeuropa.

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