Festival Politik im Freien Theater

"München braucht ein freies Theaterhaus"

Eine Szene aus der Produktion "Gesellschaftsmodell Großbaustelle (Staat 2)" von Rimini Protokoll
Die Theatergruppe Rimini Protokoll ist bei dem Festival vertreten, mit der Produktion "Gesellschaftsmodell Großbaustelle (Staat 2)" © Benno Tobler
Milena Mushak im Gespräch mit Janis El-Bihra · 27.10.2018
Es ist die zehnte Auflage des Festivals "Politik im Freien Theater" - in diesem Jahr erstmals in Bayerns Landeshauptstadt. Im Zentrum der Debatten stand laut Festivalleiterin Milena Mushak diesmal die Frage nach den Komponenten für ein wirklich reiches Leben.
Das Festival "Politik im Freien Theater" zählt alle drei Jahre zu den international wichtigsten Vernetzungstreffen der Freien Theaterszene. Initiiert wurde es vor 30 Jahren von der Bundeszentrale für politische Bildung (bpb) mit der Idee, die freien Theater als Diskussionsorte des politischen Geschehens zu stärken. In diesem Jahr sind erstmals die Münchner Kammerspiele Hauptspielstätte des Festivals. 16 Gastspiele werden zu sehen sein, 14 davon im Wettbewerb um den Festivalpreis. Das Rahmenprogramm platzt wie so oft aus allen Nähten. Überschrieben ist all das mit dem Festivalmotto "reich".

Was gehört zu einem reichen Leben dazu?

Im Gespräch mit Deutschlandfunk Kultur erklärt Festivalleiterin Milena Mushak von der bpb das Thema: "Ich glaube, dass das Motto 'reich' insbesondere für die Stadt München besonders relevant ist, weil es eine Region ist, wo wir irgendwie denken: 'Na, da klappt noch relativ viel. Und manche Probleme, die man überall sich schon so attestiert, sind dort vielleicht noch nicht so verschärft.' Und gleichzeitig ist es aber auch eine Stadt, in der 17,4 Prozent der Bevölkerung von Armut bedroht sind." Mushak fügt hinzu: "Wir verstehen natürlich dieses Motto 'reich' auch nicht rein ökonomisch – oder nur in Teilen. Wir verstehen es auch als: Was gehört eigentlich zu einem reichen Leben dazu?"
Eine Szene aus "Paradise Now (1968-2018)" von Fabuleus/Michiel Vandevelde
Auf dem Programm des Festivals: "Paradise Now (1968-2018)" von Fabuleus/Michiel Vandevelde© Clara Hermans

Gemeinsamer Auftrag, unterschiedliche Wege

Dabei will Mushak zwar an dem Bildungsauftrag festhalten, der als Leitgedanke seit 1988 die Festival-Kooperation zwischen Bundeszentrale und Freier Theaterszene prägt. Gleichzeitig soll jedoch die Freiheit der Kunst unbedingt unberührt bleiben: "Die Bundeszentrale hat sich Ende der 80er Jahre bewusst an die Freie Szene gewandt", sagt sie. "Das hatte in den 80er Jahren natürlich den Hintergrund, dass die klassischen Theatereinrichtungen - städtische und staatliche Theater - eher so den traditionellen Stoffen verhaftet waren." Die Bundeszentrale sei auf der Suche nach Partnern gewesen, die an der Lebenswelt der Leute andockten. Es sei auch darum gegangen zu schauen: Was bewegt die Leute? Wie sollen sie sich engagieren? Wie lässt sich Politik auch von unten gestalten?
Eine Szene aus "Mare Nostrum" von Laura Uribe
"Mare Nostrum" heißt der Festival-Beitrag von Laura Uribe. © Gabriel Morales

Wenn das Kunstwerk lauwarm wird

Mushak findet: "Da war das eine ziemlich gute Liaison zwischen den politischen Bildnern und den freien Theaterschaffenden." Trotzdem glaube sie, dass es einen wesentlichen Unterschied zwischen der politischen Bildung und den Künstlern gebe: "Seitens der politischen Bildung ist es natürlich so bei der Bundeszentrale: Wir sind der Kontroversität verpflichtet. Wir haben den wunderbaren Auftrag, wie ich finde, dass wir Leute, die gegensätzlicher Meinung sind, ins Gespräch bringen. Das übertragen auf die Kunst bedeutet aber, dass das Kunstwerk lauwarm wird."

Die Freie Szene wertschätzen

Als bleibenden Effekt der zehnten Festivalausgabe wünscht sich Milena Mushak vor allem eine wichtige Veränderung für die Stadt München: "München hat kein freies Theaterhaus." Es ist eine der ganz wenigen Großstädte in Deutschland, die so etwas wie den Kampnagel in Hamburg oder den Mousonturm in Frankfurt nicht habe. Das sei für eine Millionenstadt ungewöhnlich: "Meines Erachtens wäre es wirklich wünschenswert, dass man die Freie Szene derart wertschätzt, dass man jetzt endlich, nach endlosen Debatten, dieses Theaterhaus doch wirklich mal auf den Weg bringt."
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