Festival Musik im Paradies

Eine Orgel aus fünf Menschen

Das französische Ensemble Consort Brouillamini bei einer Probe in der Klosterkirche Paradyż (Lubuskie) beim Festival "Musik im Paradies" 2019
Das französische Ensemble Consort Brouillamini bei einer Probe in der Klosterkirche Paradyż (Lubuskie) beim Festival „Musik im Paradies“ 2019 © Cezary Zych/Muzyka w raju
Moderation: Volker Michael · 13.11.2019
Ganz alte Musik aus dem Herzen Europas und Orgelmusik Johann Sebastian Bachs für Blockflötenensemble - das Festival "Muzyka w Raju" im Kloster Paradies in Westpolen ist bekannt für Entdeckungen hochbegabter Nachwuchsmusiker und unbekannter Musik.
In seinem 17. Jahrgang hat das Festival "Muzyka w Raju" (Musik im Paradies) die Klostermauern verlassen und sich auf andere Orte in der Wojwodschaft Lubuskie (Lebuser Land) ausgedehnt, auf die neue Philharmonie in Gorzów oder die Peter-und-Paul-Kirche in Żagań. Schon architektonisch und landschaftlich trägt der Stamm-Spielort zu Recht seinen Namen, das ehemalige Zisterzienserkloster Paradies/Paradyż nördlich von Świebodzin in der westpolnischen Wojwodschaft.

Fulminant und virtuos

Das junge französische Consort Brouillamini präsentierte sich erstmals beim Festival Musik im Paradies und wahrscheinlich auch das erste Mal außerhalb seines Heimatlandes. Fulminant und virtuos spielen die drei Blockflötistinnen und zwei Blockflötisten eigene Arrangements verschiedenster Werke Johann Sebastian Bachs. Ihre Spielweise ist so natürlich und musikalisch, dass niemand glauben würde, der große Bach habe seine Instrumentalmusik nicht für ein Flötenquintett komponiert.
Das Ensemble La Morra
Das Ensemble La Morra© Duan Chao/Muzyka w raju
Wieder einmal beim Festival zu Gast war dieses Jahr das in der Schweiz beheimatete Ensemble La Morra um die Cembalistin Corina Marti und den Lautenisten Michał Gondko. In der Peter-und-Paul-Kirche der Stadt Żagań sangen und spielten die vier Sänger und drei Instrumentalisten Werke über Liebe und Erlösung aus dem 15. Jahrhundert, einer Zeit des Übergangs in Europa. Die komplizierte Welt der Ars nova, der komplexen Mehrstimmigkeit, ragte herüber, traf auf gregorianischen Gesang, orgelnd-anhaltende Begleitung, kreisende Strophenlieder und archaische Strukturen, aber fügte sich aber auch der Tendenz der Vereinfachung, die später dann zum harmonisch begleiteten Gesang sich entwickeln sollte.

Wilhelm aus Graudenz

Besonders schillernd ist die Welt des Piotr z Grudziądza (Petrus Wilhelmi de Grudencz), eines polnisch-preußischen Musikers und Komponisten, der es bis zum Hofkapellmeister bei Habsburger Kaiser Friedrich III. brachte. Er gehört zu den wenigen osteuropäischen Musikern dieser Zeit, deren Werke überliefert wurden. Er konnte seinerzeit vom grenzenlosen Kulturaustausch profitieren. Seine geistlichen Gesänge sind von romantisch anmutender Zartheit und tiefer Ausdruckskraft.

Prächtige barocke Anlage

Ein großer gepflegter Park und Nutzgarten mit Teichlandschaft und eine prächtige barocke Anlage geben der Musik einen sinnlichen Rahmen. Der Alte-Musik-Enthusiast Cezary Zych aus Zielona Góra hat hier in jahrelanger liebevoller Kleinarbeit eine Perle von Festival etabliert. In klösterlicher Intensität und musikalischer Weltgewandtheit leben Sängerinnen und Sänger und Musikerinnen und Musiker zusammen mit ihrem Publikum in der Alten Musik aus allen historischen Epochen und Ländern Europas.
Das Klangerlebnis "im Paradies" ist an Dichte kaum zu überbieten – täglich gibt es zwei bis drei Konzerte in der Klosterkirche. Die Menschen strömen täglich hinzu und folgen geschlagene vier bis fünf Stunden exzellenten Aufführungen mit groß besetzter weltlicher und geistlicher Musik bis hin zu intimen Gamben- oder Gesangsrezitalen.
Festival Muzyka w raju (Musik im Paradies)
Peter-und-Paul-Kirche Żagań (Polen)
Aufzeichnung vom 10. August 2019
Motetten und Madrigale von
Petrus Wilhelmi de Grudencz
Mikołaj Radomski
Johannes Carmen
Hubertus de Salinis

Ensemble La Morra:
Doron Schleifer, Roman Melish, Ivo Haun de Oliveira, Giacomo Schiavo, Gesang
Corina Marti, Clavicimbalum, Blockflöte
Michał Gondko, Laute
Natalie Carducci, Fidel

Kloster Paradyż bei Świebodzin
Aufzeichnungen vom 24. August 2019
Johann Sebastian Bach
Orgelkonzert a-Moll BWV 593 (nach dem Konzert für zwei Violinen von Antonio Vivaldi RV 522)
Contrapunctus I und IX aus "Die Kunst der Fuge" BWV 1080
Orgelkonzert d-Moll BWV 972 (nach dem Violinkonzert von Antonio Vivaldi RV 230)
Cembalokonzert c-Moll BWV 1060

Consort Brouillamini:
Guillaume Beaulieu, Aránzazu Nietu, Elise Ferrière, Virginie Botty, Florian Gazagne, Blockflöten