Festival

Erfurt zieht Theaterfans an seine Domstufen

Für die Uraufführung von "Jedermann - Die Rockoper" bei den Erfurter Domstufen-Festspielen proben Andreas Lichtenberger als Jedermann und Nadja Mchantaf als Die Liebste in Erfurt (Thüringen) eine Szene. Die Musik schrieb Wolfgang Böhmer, den Text Peter Lund, der auch Regie führt.
Mit einer sehr modernen Version des "Jedermann" zieht Erfurt Theaterfans an. © dpa picture alliance/ Martin Schutt
Von Gerd Brendel · 19.07.2014
Der Sommer ist die Zeit des Open-Air-Theaters. So auch in Erfurt, wo dieses Jahr der "Jedermann" die Besucher scharenweise anzieht. Teil der Begeisterung: der mächtige Dom, an dessen Stufen gespielt wird.
Jedermann unter freiem Himmel in Erfurt :
Jedermann: "Jedermann !"
... und jede Frau will dabei sein.
Guy Montavon: "Wenn sie die Domstufen machen, dann ist das wie die 5. Jahreszeit,. Die Hotels sind ausgebucht, die Restaurants sind voll."
"Wir kommen jedes Jahr hierher."
"Aus Magdeburg."
"Aus Krähwinkel."
"Aus Kösen. Die ganze Atmosphäre, die Kulisse, Dom und Severi. Das ist schon einmalig."
Und egal wer zu den Domstufenfestspielen die Treppe unter dem gotischen Ensemble von Dom und Severi-Kirche herabschreitet - Turandot, Bajazzo, Jesus Christ Superstar wie in den Jahren zuvor oder eben "Jedermann"- die Kulisse spielt die Starrolle und bleibt das wichtigste Argument beim Kartenvorverkauf.
Jedermann: "Wer hat das schönste Haus der Stadt?"
Den Dom muss Guy Montavon immer mitdenken
Der besondere Ort bringt es allerdings mit sich, dass der Erfurter Theaterintendant Guy Montavon bei jeder Inszenierung mit einem weiteren Akteur rechnen muss:
"Beim Dom haben sie es mit einer Infrastruktur zu tun, die der katholischen Kirche gehört und das ist in Erfurt sehr wichtig, und ich hab stets dem Bischof, dem Weihbischof, gesagt, dass wir die Kirche respektieren werden."
"Du stellst das große Ganze vor. Dein ist das Reich, mein der Humor",
sagt der Teufel zum lieben Gott im "Jedermann". Auch vor dieser Inszenierung saßen Intendant und Weihbischof zusammen. Man kennt und schätzt sich. Wie das eben so ist in einer Stadt mit 200.000 Einwohnern.
"Jedermann"
... kennt jeden. Der "Jedermann" auf den Domstufen spricht zwar ein paar Hofmannsthal-Zitate, aber meistens singt er Rock und Pop nach Texten von Peter Lund. Der Berliner Librettist und Regisseur hat das Mysterienspiel zur Rockoper umgeschrieben und der Parabel Ironie eingeimpft. Der liebe Gott ist ein leicht vertrottelter Großvater mit Rauschebart. "Jedermann" erinnert ein bisschen an Freddie Mercury. Die Hauptrolle spielt bei Lund der Tod, besser gesagt Frau Tod:
Wie ein Bond-Girl knallt sie mit der Peitsche, lässt "Jedermann" erzittern und jeden im Publikum im Takt mitwippen. Fast 2000 Sitzplätze hat die Zuschauertribüne vor den Domstufen. Die wollen verkauft werden. Das weiß auch Intendant Montavon:
" Es muss nicht unbedingt Aida oder Nabucco sein, aber das muss irgendwie ein Stück sein, wo die Leute sagen, ach das schau ich mir gern noch mal an."
Wer kommt, kommt vor allem wegen der Atmosphäre. Die Aufführung ist Teil eines Gesamtpakets.
Jedermann: "Will mich bereiten nun zum Fest, zerstreuen mich mit Wein und Gästen."
Die Erfurter lieben das Theater
Der Altstadtbummel vorher und der Wein danach ist so wichtig wie die Aufführung selbst. Dann wird die ganze Stadt zur Bühne und die Einheimischen werden zu Darstellern. Die Erfurter lieben das Theater. Das war schon immer so.
"Wir haben eben nie 'nen Herzog gehabt, der ein Theater gegründet hat. Die Theatergründungen, die es in Erfurt gab, sind Bürgertheater von Bürgern, die das gebaut haben und finanziert haben. "
Wie kein zweiter kennt sich SPD-Stadtrat Wolfgang Beese in der Kulturpolitik seiner Stadt aus. Dass er in der Nachwende-Zeit mit seinen Kollegen für die Abwicklung des Sprechtheaters gestimmt hat, schmerzt ihn immer noch. Die Oper bekam damals ein nagelneues Haus. Das Schauspielhaus steht seit damals leer. Eine Bürgerinitiative will das alte Gebäude als Kreativ-Standort neu beleben. Aber Theater wird im Sommer trotzdem nicht nur auf den Domstufen gespielt. Ein paar Ecken weiter führt der Verein "Neues Schauspiel" Sommer für Sommer ein Shakespeare Stück in der alten Ruine der Barfüßer-Kirche auf. Dieses Jahr: "Wie es Euch gefällt":
"Malvolio wird jeden Augenblick hier sein. Beobachtet ihn, wenn ihr was zu lachen haben wollt."
Sehr ernst ist es hingegen der privaten Initiative mit ihrem Theater-Engagement. Paul Schindegger, Buchhändler, Vereinsgründer und Exil-Österreicher scheut gar den Vergleich mit der Mutter alles Open-Air Theaterfestspiele nicht :
"Versuche hier daran zu erinnern, dass man mit der historischen Substanz Erfurt und Weimar zusammen auch so was wie Salzburger Festspiele machen könnte. Das ist so 'ne Utopie."
Als Kulisse können es die Erfurter Domstufen auf jeden Fall mit dem Salzburger Domplatz aufnehmen. Fehlt nur noch die Prominenz auf und vor der Bühne. Aber wer weiß, was die Zukunft bringt. Der Kartenvorverkauf für die Domfestspiele 2015 beginnt spätestens in drei Monaten. Ansonsten gilt:
Jedermann:"Was wirklich kommt., weiß nur der Tod. Und der verrät es nicht."