Festival des US-Indie-Films in Berlin

"Das Independent-Kino ist politisch"

Plakatmotiv des Berliner Filmfestivals "Unknown Pleasures – The American Independent Film Festival", dessen 9. Ausgabe in Berlin vom 12. - 28.1.2018 stattfindet.
Plakatmotiv des Berliner Filmfestivals "Unknown Pleasures – The American Independent Film Festival", dessen 9. Ausgabe in Berlin vom 12. - 28.1.2018 stattfindet. © Unknown pleasures
Hannes Brühwiler im Gespräch mit Patrick Wellinski · 13.01.2018
Das US-Independent-Kino gilt als Gegenentwurf zu Hollywood. Tatsächlich sei der künstlerische Einfluss auf die großen Studios groß, sagt Hannes Brühwiler. Als künstlerischer Leiter des Filmfestivals "Unknown Pleasures" zeigt er in Berlin aktuelle Independent-Produktionen.
Was ist im US-Indie-Kino angesagt? Einen Eindruck bietet das in Berlin laufende Festival "Unknown Pleasures". Im Deutschlandfunk Kultur gibt der Kurator des Festivals, Hannes Brühwiler, einen Überblick.
Zum Genre zählten solche Filme, die außerhalb von Hollywood finanziert wurden und künstlerischen Anspruch haben, sagt Brühwiler. Beispielhaft seien für ihn die Arbeiten von Regisseuren wie Jim Jarmusch oder Gus Van Sant: "Das waren Pioniere, die haben Themen aufgegriffen, die dann so nach und nach in den Mainstream gesickert sind."
Das Kino "Arsenal" in Berlin am Potsdamer Platz ist Hauptspielstätte des "Unknown Pleasures"-Filmfestival.
Das Kino "Arsenal" in Berlin am Potsdamer Platz ist Hauptspielstätte des "Unknown Pleasures"-Filmfestival.© picture-alliance/ dpa / Gero Breloer
Allerdings sei auch das Independent-Kino nicht immer formal oder inhaltlich so stark, dass es Impulse setze oder erneuernd wirke. "Ich finde im Independent gibt es genauso einen Mainstream wie in Hollywood", so der Kurator, und den versuche er zu vermeiden. Ihn interessiere, was "an den Rändern" entstehe, so Brühwiler. Das Independent-Kino sei politisch, und das zu vermitteln sei ihm ein großes Anliegen.

Auseinandersetzungen mit der Familie und ihrer Geschichte

Überrascht sei für ihn gewesen, wie stark sich die Filme in diesem Jahr auf das Thema Familie konzentrierten, auf die Frage nach dem "persönlichen Background". Ein anderer Trend sei, dass die Filme sehr ruhig und introspektiv seien und aus dieser Haltung Fragen reflektierten.
Hier nannte Brühwiler den "sehr wütenden" Dokumentarfilm "Did You Wonder Who Fired the Gun?" von Travis Wilkerson. Der erzählt darin die Geschichte seines Urgroßvaters, der 1946 eine schwarzen Mann erschossen hat und ungestraft davon kam - "und er arbeitet das als eine zutiefst düstere apokalyptische Geschichte auf", so Brühwiler.
"Wahnsinnig wichtig" finde er auch den Film "Tonsler Park" von Kevin Jerome Everson - ein ganz einfacher, experimenterller Dokumentarfilm. Am Tag der Präsidentschaftswahl, am 8. November 2016, filmt er in Charlottesville im US-Staat Virginia in einem afroamerikanischen Viertel. In langen Einstellungen und in wunderschönem 16-mm-Schwarzweiß zeigt er Menschen, die zur Wahl gehen, Wahlhelfer, die Auskunft geben, Stimmzettel entgegennehmen und Ausweise kontrollieren. Rückblickend könne man diesen Film allerdings nicht anschauen, ohne an die die jüngsten rassistischen Ausschreitungen in Charlotesville zu denken, meint Brühwiler.
(huc)
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