Festival Ars Electronica in Linz

Wie die Kunst die Technologie hinterfragt

Die Künstlerin Susana Ballesteros vor einer ihrer Versuchsanordnungen in ihrer Arbeit "Give my creation... Life!", die sie gemeinsam mit Jano Montañés auf der Ars Electronica 2018 ausstellt.
Die Künstlerin Susana Ballesteros vor einer ihrer Versuchsanordnungen in ihrer Arbeit "Give my creation... Life!", die sie gemeinsam mit Jano Montañés auf der Ars Electronica 2018 ausstellt. © vog.photo
Von Philip Artelt · 09.09.2018
Auf dem Festival Ars Electronica in Linz zeigen mehr als 1000 Künstler und Experten ihre Interpretationen unserer modernen Welt. Unter dem Titel "Error - The Art of Imperfection" geht es dieses Jahr um digitale und analoge Irrtümer und Irrläufer.
Ein weißes Herz schlägt in einem Wassertank. Flüssigkeit pulsiert durch Schläuche, treibt rotierende Räder in einem Glaskasten an, die wiederum ein altes Praxinoskop drehen lassen, einen Vorläufer des Kinematographen aus dem 19. Jahrhundert. Mediengeschichte trifft auf historische Medizintechnik in dieser merkwürdigen Maschine von Susana Ballesteros und Jano Montañés. Susana Ballesteros: "Wir dachten uns, wie großartig wäre es, wenn wir unsere eigene Energie erzeugen könnten, um damit interne oder externe Gerätschaften anzutreiben. Das war unser Hauptgedanke."

Herz schlägt 45 Minuten autonom weiter

Als "Antithese zum Cyborg" bezeichnet die Künstlerin das Werk. Den Betrachter wird der massive Echtholztisch mit den altertümlichen Aufbauten an Frankenstein erinnern, auch wenn dieses Herz nicht echt ist. Das in dem Video nebenan allerdings schon: "Wir haben das Herz einem Schwein entnommen, um zu zeigen, dass ein einzelnes Organ autonom funktionieren kann. Wir haben es geschafft, es 45 Minuten weiterschlagen zu lassen."
Die Veränderung unseres Lebens durch das Internet ist seit Jahren ein wesentliches Thema der Ars Electronica. Und doch wird immer wieder versucht, das Digitale in die analoge Welt zu holen und so berührbar zu machen. Im Nebenraum einer japanischen Musikgruppe, die mit umgebauten Ventilatoren und Röhrenfernsehern lärmt, steht ein riesiger Drucker. An allen Ecken kommen kleine Zettel mit Thermopapier aus dem Ungetüm. Darauf gedruckt: die Digitalwährung Bitsoil.

Den Wert digitaler Daten greifbar machen

Der Bitsoil ist eine Erfindung der belgischen Schwestern Benedicte und Laure-Anne Jacobs. Sie nehmen damit Bezug auf Internetwährungen wie den Bitcoin. Benedicte Jacobs: "Es geht darum, einen Gegenwert für unsere Daten zu erhalten. Jeder produziert Daten, aber diese Daten sind in den Händen von nur wenigen Menschen."
Der Bitsoil-Drucker macht diese virtuelle Währung physisch greifbar, und damit den Wert unserer digitalen Daten. Zudem kann jeder übers Internet einen Bot erstellen, ein kleines, automatisch ablaufendes Programm. Und dieses fordert die Internetgiganten wie Amazon, Google und so weiter auf, einen fairen Anteil für die Nutzung der persönlichen Daten auszubezahlen.

Nukleare Explosionen mit Zuckerwürfeln

Unsichtbares sichtbar macht auch eines der erschreckendsten Kunstwerke auf der diesjährigen Ars Electronica. Der Berliner Künstler Michael Saup hat eine Weltkarte des Visionärs Richard Buckminster Fuller nachgebaut, aus mehr als 44.000 Zuckerwürfeln. Darauf projiziert er verschiedene Darstellungen der Erde. Saup: "Warum Würfelzucker? Inhaltlich gesprochen ist Zucker Energie. Im Friedensfalle Energie für Menschen und Fahrzeuge, im Kriegsfall wird Zucker allerdings konfisziert und in Sprengstoff überführt."
Weltkarte aus Zucker, Projektion von Atomexplosionen. Künstler: Michael Saup
Installation +b (ORBIT) von Michael Saup bei der Ars Electronica 2018 in Linz.© Philip Artelt
Gelegentlich blitzt es auf der Weltkarte auf: Kasachstan, Nevada, Japan... Dann wird diese Erde in grelles Weiß gehüllt. Eine chronologische Darstellung nuklearer Explosionen. Der Künstler hat sein Projekt eigentlich als agnostische Darstellung angelegt. Und doch ließ es ihn nicht kalt, als er plötzlich die Explosionen nicht nur als abstrakte Daten sah, sondern als Projektion auf seiner Weltkarte: "Ich war sehr überrascht. Die Menge, die hypnotische Menge, mesmerisierende Blitzhaftigkeit der Nukleartests hat mich völlig erstaunt."
Die Auswirkungen von Technologie auf unsere Welt sichtbar zu machen, das gelingt den Künstlern auf der Ars Electronica immer wieder. Und sie zeigen auch dieses Jahr, dass man die Errungenschaften doch gelegentlich in Frage stellen muss.
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