Fernweh

Will ich denn wirklich noch weg?

US-amerikanische Flagge vor dem Brandenburger Tor in Berlin
Sehnsucht nach Amerika oder doch besser in Berlin bleiben? © dpa / picture alliance / Rainer Jensen
Von Günther Wessel · 20.03.2014
Die Sehnsucht zieht ihn in die Ferne, Richtung USA. Dann fährt er zur Berliner Nonnendammallee, weil es da so richtig schön amerikanisch aussieht - mit Schuh-Discount und Burger-Buden. Und dann stellt sich Autor Günther Wessel die Frage: Will ich wirklich noch weg?
Musik Hildegard Knef:
"Ich hab so Heimweh nach dem Kurfürstendamm,
hab so Sehnsucht nach meinem Berlin!
Und seh ich auch in Frankfurt, München, Hamburg oder Wien
die Leute sich bemühn, Berlin bleibt doch Berlin.
Ich hab so Heimweh nach dem Kurfürstendamm,*
Berliner Tempo, Betrieb und Tamtam! ...“
Heimweh? Kurfürstendamm? Sehnsucht? Nach Berlin? Eigentlich nicht. Ich bin ja nicht Hildegard Knef. Ich bin auch kein Berliner. Bestenfalls gelernter. Ich wohne hier, seit sieben Jahren. Bin zugezogen. Wie so viele.
Knutson: "Es gibt so 17 bis 18.000 Amerikaner in Berlin, offiziell nur 14 oder 15.000, wir schätzen 18.000."
David Knutson ist einer von ihnen.
Knutson: "Ich heiße David Knutson und bin Amerikaner."
Was mich mit David Knutson verbindet? Eine Sehnsucht. Bevor ich nach Berlin kam, lebte ich lange Zeit im Ausland. Unter anderem in Washington DC, in Amerika. Und immer mal wieder überfällt mich das Fernweh.
Dann träume ich von vielspurigen Highways und Straßenkreuzungen mit zwei Schnell-Imbissen, von Vorstadtsiedlungen, Shopping Malls und gigantische Supermärkten mit riesigen Parkplätzen. Von weich gefederten Autos. Von mit rotem Plastik überzogenen Stühlen in Restaurants, in denen aberwitzige Mengen an Kartoffelpüree mit Spiegeleiern serviert werden. Von wehenden Flaggen am Horizont und davon, wieder dorthin zurückzugehen. Ich freue mich, wenn ich amerikanisches Englisch höre.
Knutson: "Ich nenne Seattle meine Heimat. Ich nenne es immer noch, es ist immer noch meine Heimat. Manchmal lauf ich hier am Kleinen Wannsee entlang, morgens, mit dem Hund, und ich stelle mir vor, ich bin in Seattle."
Dafür braucht man schon Fantasie. Den Wurmfortsatz des Großen Wannsee, dort, wo sich Heinrich von Kleist mit seiner Freundin Henriette Vogel im November 1811 erschoss, mit der grandiosen Landschaft des Nordostens der USA zu verwechseln, ist eigentlich nicht möglich. Diese kleinteilige Gegend, in der sich Villa an Villa reiht und in der man nach wenigen Metern entweder auf Gartenzaun oder Wasser stößt.
Aber natürlich sieht man, was man sehen will. Wer sein Heimweh nach Amerika sucht, wird fündig. In Berlin ist das leicht: Auf dem Kurfürstendamm, aber auch auf der Steglitzer Schlossstraße oder am Potsdamer- oder Pariser Platz.
Knutson: "Starbucks kommt aus Seattle. Wenn ich Heimweh habe, dann gehe ich nur zu Starbucks und esse ein bisschen Carrot-Cake und trinke einen Kaffee."
Überall die gleichen Ketten. Weltweit. Als David Knutson 1969 mit einem Stipendium für zwei Jahre kam, war das anders.
Knutson: "Ich hatte Familie in Amerika. Ich kannte gar nichts anderes. Es war das erste Mal, dass ich weg und: ich war einsam. Ich war einsam. Sie müssen ja überlegen, Ende 69: da war kein McDonald’s, da war keine Globalisation, es war eine ganz andere Kultur für mich.
Ich konnte kein Deutsch. Ich habe Hamburger vermisst. Inzwischen ess ich sie gar nicht mehr. Es ist eine ganz andere Kultur gewesen. Heute ist es anders. Wenn junge Leute nach Berlin kommen, die kriegen alles hier, was sie in Amerika kriegen. Jeans, zum Beispiel. Das war so schwierig damals. Es hat sich wirklich geändert.“
"Yes we can or you can do it"
1971 eröffnete in München die erste McDonald's Filiale in Deutschland, und seit 1975 brät Burger King Bouletten auf dem Kudamm. McDonald's kam erst 1983 nach Berlin - zu schwierig und zu wenig lohnend schien es dem amerikanischen Bouletten-auf-Brötchen-Multi seine Rohlinge, Brötchen und tief gefrorene Hamburger, in die damals geteilte Stadt zu bringen. Doch dann eröffnete die Filiale am Zoo, bald darauf auch die an der Clayallee, direkt bei den Mannschaftsquartieren der amerikanischen Streitkräfte.
Die Clayallee: Ursprünglich Kronprinzenallee, 1949 umbenannt. Namensgeber war der von 1947 bis dahin amtierende Militärgouverneur der amerikanischen Besatzungszone in Deutschland: General Lucius D. Clay, der sich gerüchteweise ausschließlich von schwarzem Kaffee und Zigaretten ernährte und die treibende Kraft der Berliner Luftbrücke war.
An der Straße liegen die Gebäude der ehemaligen US-Militärregierung, das heutige Generalkonsulat, und das alte Kino der US-Streitkräfte, in dem jetzt das Alliierten-Museum untergebracht ist.
Im abzweigenden Hüttenweg fanden sich früher die amerikanische Grundschule sowie Sportanlagen, in der Saargemünder Straße standen die Sendeanlagen des American Forces Network. Heute wird hier an vielen Stellen gebaut - Kasernen werden zu schicken Wohnungen in bevorzugter Grünlage.
Auch das Offizierscasino des amerikanischen Yachtclubs Wannsee Harbour wurde 1994 beim Abzug der Amerikaner aus Berlin geräumt. Hier residiert seither die American Academy, die einerseits Stipendien an amerikanische Geisteswissenschaftler und Künstler vergibt, anderseits einen - wie es heißt - "robust exchange of views" zwischen Amerikanern und Deutschen organisiert. Sprich: Mitunter werden hier die Regeln der diplomatischen Höflichkeit fröhlich missachtet.
Magill: "Was ich vermisse, ist eine Art von Denken. Ich finde die Amerikaner, myself included, da ist so eine positive, nicht Hoffnung. Yes we can or you can do it, dieses sort of Optimismus. Das ist das Einzige, was in Deutschland mir fehlt.
R. Jay Magill ist Zeichner, Buchautor und Verantwortlicher für die Veröffentlichungen der American Academy.
Magill: "Ich hab auf jeden Fall in unserem Kiez ein Heimatgefühl.“
Er lebt in Schöneberg. Unweit des Rathauses, von dem aus während der Teilung der Stadt West-Berlin regiert wurde. Von dessen Balkon aus Kennedy sein "Ich bin ein Berliner" rief und in dessen Turm seit 1950 die Freiheitsglocke hängt, die täglich um 12 Uhr geläutet wird.
Sie ist eine getreue Kopie der "Liberty Bell" in Philadelphia. Diese untermalte dort mit ihrem Läuten am 8. Juli 1776 die Verlesung der Amerikanischen Unabhängigkeitserklärung.
US-Präsident John F. Kennedy: "Ich bin ein Berliner" (26. Juni 1963)
Kennedy bei seiner "Ich-bin-ein-Berliner-Rede"© picture alliance / dpa / SVEN SIMON
"Pennsylvania sieht wirklich aus wie Deutschland"
Magill: "Ich komme aus Philadelphia. Wenn ich nach Hause, nach Amerika gehe, es gibt nirgendwo anders, wo ich hingehöre - also in diesem Ort von Pennsylvania. So, north-east von Philadelphia.
Pennsylvania sieht wirklich aus wie Deutschland. In manchen Orten. Also, wenn ich auf der Autobahn bin mit meiner Frau und dann fahren wir zu ihren Eltern in der Nähe von Düsseldorf und dann fahren wir durch die Gegend, so mancher Gegend, dann sage ich: das ist genau das gleiche, das sieht absolut wie Pennsylvania aus.“
Magill ist ein moderner Großstadtmensch. Pendler zwischen zwei Welten. Verheiratet mit einer Deutschen. Hat in Hamburg promoviert und in Harvard gelehrt. International, überall zu Hause. Und doch:
Magill: "Es gibt Dinge, die ich vermisse: junk food zum Beispiel, die haben eine Menge Auswahl von junk food, die sehr gut ist."
Die, das sind seine Amerikaner in den USA. Doch Rettung ist nah.
Magill: "Ich habe gerade etwas entdeckt. Das heißt Berlin Burger, ein richtiges amerikanische Burger. Und wir treffen uns jeden Sonntag, jetzt mit unseren zwei, also unser Sohn, treffen wir uns und essen Burger. Und das ist jetzt ein neues Stück vom Heimatgefühl.
Und mein Sohn, das freut mich, ihm so eine kleine Einleitung zu geben: Jetzt musst du lernen hier Cheeseburger zu essen und french fries.“
Einführung ins Amerikanertum. Obwohl Berlin Burger nun echt nicht wie ein klassischer amerikanischer Diner aussieht: Hier sind die Wände mit schwarzem Metall verkleidet, der Tresen ist aus Beton, an der Wand stehen ein paar gläserne Kühlschränke. Internationales Stimmengewirr. Self service.
Man bestellt, bekommt eine Nummer, die, ist das Essen fertig, ausgerufen wird: Der Burger und die Fritten kommen stilecht in roten Plastikkörbchen auf Servietten. Kein Besteck. Ketchup steht auf dem Tisch. Die Cheeseburger sind gut, die Fritten ebenso.
Wertheimer: "Ich habe Berlin sofort gemocht."
Es fühlte sich direkt wie zu Hause an?
Wertheimer: "Nein, eben nicht! Ich war froh, nicht zuhause zu sein. Deswegen bin ich ja weggegangen."
"Ich war zu glücklich, um wegzugehen"
Ann Wertheimer kam 1971 nach Berlin.
Wertheimer: "Ich war Austauschlehrerin. Ich dachte für ein Jahr. Oder zwei. Ja, es ist über 43 Jahre jetzt.“
Sie arbeitete ein Jahr als Austauschlehrerin an der deutsch-amerikanischen John-F.-Kennedy-School in Zehlendorf. Danach blieb sie einfach.
Wertheimer: "Ich war zu glücklich, um wegzugehen."
Sie stammt aus New Jersey, ist Tochter ausgewanderter deutscher Juden und war Lehrerin in Washington DC. Im Stadtteil Anacostia, dem Stadtteil der amerikanischen Hauptstadt, der in den 60er und 70er Jahren mehr und mehr im Drogen- und Kriminalitätssumpf versackte. Sie fühlte sich müde, war es leid, täglich in überfüllten Klassen zu stehen, bergeweise Arbeiten zu korrigieren, ohne Aussicht, dass sich je was ändern könne.
So bewarb sie sich um ein Stipendium in Europa, und man gab ihr zu verstehen, dass die Chancen gut seien, würde sie sich für Deutschland bewerben. In Bayern war nichts zu holen – dort mochte man keinen amerikanischen Akzent im Englischunterricht. Berlin sah das anders. Sie kam – und blieb.
Obwohl sie sich in der Demokratischen Partei der USA engagiert und Vorsitzende der American Voices Abroad Berlin, einer linksliberalen Gruppe, ist, kann sie mit Begriffen wie Heimweh oder Heimat nichts anfangen. Vehement wehrt sie sich dagegen.
Wertheimer: "Ist komisch, ich verneine immer diese Heimatgefühle, merke ich selbst. Irgendwas daran kommt mir so unangenehm vor. (…) Vielleicht hat es etwas Nationalistisches und man kaschiert das so ein bisschen mit einer romantischeren nostalgischen Sache.“
Aber dennoch: Es gibt Momente, da kommt dieses romantische oder nationalistische oder einfach nur normale Gefühl hoch. Heimatland - Muttersprache.
Wertheimer: "Ja, wenn ich in der U-Bahn bin und ich höre, dass man englisch spricht. Und dann höre ich, dass das keine Briten sind, keine Australier, sondern tatsächlich Amerikaner. Und dann höre ich zu, ein bisschen, und dann höre ich, dass die meinetwegen aus New York kommen, dann will ich fast schon mitmachen.“
Das sind die schönen Momente, leicht wehmütige Erinnerungen. Frühe Prägungen. Ann Wertheimer beeilt sich zu versichern, dass sie gut und gern deutsch liest. Bloß nicht-deutsche Autoren, die lese sie lieber auf englisch. Muttersprache.
Wertheimer: "Mein Mann und ich sind mit Freunden nach Spandau gefahren. Da war eine Ausstellung in der Zitadelle. Und wir bogen da ab, ist das Nonnendamm, weiß ich jetzt nicht mehr, und plötzlich sagte ich: Just like New Jersey. Aber es war ganz schlimm. Und tut mir Leid für die Spandauer. Also, dass man manchmal sich die allermiesesten Sachen aus Amerika übernimmt."
Nonnendammallee heißt die sechsspurige Straße eigentlich, die Charlottenburg mit Spandau verbindet.
"Baby, diese Stadt reißt dir das Rückgrat heraus"
Sie ist gesäumt von Industriebauten, Matratzen-Outlets, Baumärkten, großen Möbelhäusern, alle laut Eigenwerbung billig und gut. Gebrauchtwagenhändler, Autowaschstraßen, ein 23 Stunden am Tag geöffnetes Automatenspielcasino. Zwischendrin ein Schnellimbiss, auch einer, bei dem man sich seinen Burger direkt in Auto reichen lassen kann. Große Parkplätze, keine Fußgänger.
Das Kraftwerk von Vattenfall pumpt Rauchwolken in den Himmel - durchschnitten von startenden Flugzeugen aus Tegel.
In ihrer Hässlichkeit hat die Nonnendammallee schon etwas Großartiges.
Wertheimer: "Just like New Jersey"
Der Ostküsten-Bundesstaat, über dessen Städte Bruce Springsteen in "Born to run" singt:
"Baby this town rips the bones from your back / It’s a death trap, it’s a suicide rap / We gotta get out while we’re young."
Zu deutsch ungefähr:
"Baby, diese Stadt reißt dir das Rückgrat heraus, sie ist eine Todesfalle, sie schreit nach Selbstmord, wir müssen hier raus, solange wir noch jung sind."
Wohin?
Ins small town Amerika? Nach Suburbia? In die Vorstadt, dorthin, wo das Leben noch schön und sicher ist? Wo man keine Zäune braucht, die Hollywoodschaukel vor der Tür steht, die Garagen groß genug für große Autos sind und im Sommer die Nachbarn gemeinsam grillen.
Der Berliner "Tagesspiegel" schrieb am 8. September 1957:
"Man geht durch die Leichhardtstraße mit ihren Häuschen im Bausparkassenstil",
- für solche Häuser, wie sie hier in Zehlendorf stehen, muss man verdammt lange bausparen -
"deren Vorgärten sorgsam eingezäunt sind, biegt in die Reichshofer- zur Garystraße hin ein - und ist in Amerika, gleichsam in einer der vielen Vorortsiedlungen am Rande der riesigen Städte. Es sind nur wenige, aneinander anschließende Häuser, lediglich mit Erdgeschoss, angebauter Garage, flachem Dach, der Rasen vor dem Eingang nicht eingezäunt, und doch ist man plötzlich nicht mehr in Berlin."
Brunk: "Die Siedlung ist 1956 gebaut worden. Es ist parallel gewesen zu Entstehung des Hansaviertels. Sie ist von den Amerikanern gebaut worden,"
sagt Michaele Brunk, die in der Unteren Denkmalschutzbehörde Steglitz-Zehlendorf für die sogenannte Dreipfuhlsiedlung verantwortlich ist.
Die Dreipfuhlsiedlung, amerikanisch Dreipfuhl Housing Area, entstand als Wohnsiedlung für die höheren Dienstgrade der amerikanischen Besatzungsmacht. Als eigenständige amerikanische Siedlung, die zwar in Berlin, aber irgendwie auch außerhalb lag: So waren die Häuser im städtischen Adressbuch nicht aufgeführt. Hufeisenförmig angelegt wurden um den Dreipfuhlweiher 30 Bungalows auf bis zu 1000 Quadratmeter großen Grundstücken erbaut …
Brunk: "so wie das bei den Amerikanern üblich ist, so dass die sich dann auch hier zu Hause fühlen: so mit dem Zentrum des Wohnbereiches, der relativ groß gestaltet ist, der auch fast ein Drittel der ganzen Wohnfläche einnimmt, und es gibt jeweils auch in den Bungalows Zimmer für ein so genanntes Mädchen, und was auch sicherlich noch markant ist, dass die Schlaftrakte wirklich abgesondert sind von dem eigentlichen Wohnbereich.“
"Hello?"
Der Anblick ist frappierend: Keine Vorgärten, keine Zäune, die Bungalows stehen direkt in der Wiese. Die Grundstücke sind offen zur Straße und sofort stellt sich ein Gefühl von Weite, Offenheit und Großzügigkeit ein. Nichts duckt sich hinter Zäunen und Büschen, nichts ist versteckt, auf alten Bildern sind auch keine Gardinen zu sehen.
Nicht allen gefiel das. Das SED-Zentralorgan "Neues Deutschland" wetterte:
"Bungalow heißt im Sprachgebrauch der Kolonialherren soviel wie Sommervilla. Man strapaziert dort Liegestühle, konsumiert Orangensaft mit Whisky und überlässt die Arbeit den Eingeborenen."
"Duck pond" nannten die Bewohner ihre Siedlung, Entenweiher, Dreipfuhl war dann doch wohl ein bisschen schwierig für amerikanische Zungen.
Brunk: "Es zeichnet die Häuser aus, dass sie einfach zur Straße hin offen sind, es gibt hier lediglich im hinteren Bereich einen kleinen Jägerzaun, so ein bisschen etwas auch von den Deutschen zu übernehmen, um den ganz privaten Bereich dann abzutrennen.“
Und der steht dann sicherheitshalber auch unter Denkmalschutz:
"Die bauzeitlich vorhandenen Jägerzäune sind, falls notwendig, in gleicher Art zu erneuern"
heißt es in den Richtlinien der Denkmalschutzbehörde.
Wertheimer: "Wir waren zufällig da spazieren, und mein Mann hat gesagt: Mensch, das ist wie in den Staaten, und da habe ich gesagt: ja, das ist es wirklich: keine Zäune."
"Berlin hat schon eine Persönlichkeit"
Ich weiß nicht, an welche amerikanische Vorabendserie meiner Kindheit mich die Dreipfuhlsiedlung erinnert. Nicht einmal, ob es solche Siedlungen in denen überhaupt gab. Aber für mich schmeckt die Dreipfuhlsiedlung nach schwarz-weiß TV, nach Larry Hagman als Tony Nelson und Barbara Eden als "Bezaubernde Jeannie" - wer jünger als 50 ist, sollte mal auf YouTube nachsehen.
Sie schmeckt nach großen Autos, Cabriolets mit Heckflossen und auch nach einer Zeit, in der die Welt noch durchschaubar wirkte. In der Kinder auf gelbe Schulbusse warten, und der Milchmann aus einem offenen Lieferwagen Drahtkörbe voller Flaschen nimmt und vor die Haustür stellt. Sie verkörpert den Traum von Amerika, von Reichtum, vom grenzenlosen Vertrauen in grenzenloses Wachstum. Wenn man schon auf den Mond fliegen konnte …
Später änderte sich mein Verhältnis zu Amerika. Wissen kam hinzu. Ich lehnte vieles an der dortigen Politik und Gesellschaft ab, Interventionen in Entwicklungsländern, den andauernden Konsum. Dafür kam die Kultur: Musik, Literatur und Filme. Neue Helden.
Amerika war nicht mehr das "Land der unbegrenzten Möglichkeiten“. Dennoch: Ein Versprechen von Freiheit und Unabhängigkeit blieb bestehen.
Ist die Sehnsucht nach Amerika nur eine nostalgische Weltflucht in die Vergangenheit? New Jersey und die Vorstadtidylle, der Hamburgerbrater und die Kaffeeläden?
Will ich wirklich dorthin?
Knutson: "Berlin hat schon eine Persönlichkeit. Berlin hat was. Man kriegt Berlin nie weg. Als ich kam, dachte ich: es ist nur für eine bestimmte Zeit. Es ist nur vorübergehend. Und das Gefühl hatte ich bis vor einigen Jahren. Da ist mir klar geworden: ich gehe nicht zurück. Wahrscheinlich nicht. Das ist schon schwierig zu akzeptieren.“
David Knutson wird wahrscheinlich in Berlin bleiben und weiter von den Wäldern um Seattle träumen. R. Jay Magill hofft, mit einem Stipendium oder gut dotierten Lehrauftrag mal wieder für ein oder zwei Jahre in die USA zu gehen. Länger nicht.
Magill: "Ich fühle mich nicht mehr super zu Hause in Amerika.“
Und Ann Wertheimer?
Wertheimer: "Ich bin aufgewachsen auf einer Farm, einer Hühnerfarm, und das war nicht so weit vom Atlantik, vielleicht zwölf Meilen, und ist auch nördlich von Pinienwäldern, von den Pinienwäldern New Jerseys, the New Jersey Pinelands. Die Luft ist sehr gut, immer noch. Wenig Industrie. Und wenn ich da bin, denke ich, mmh, immer noch wenig Industrie, nicht schlecht, aber – das reicht dann auch.“
Und ich?
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