Fernsehrezension

Sex und Liebe unter den Augen des Göttlichen

Von Bernd Sobolla · 26.04.2014
Auch wenn sich einige an die Weisheit halten: Besser nicht zu viel über Sex zu sprechen, um auch noch welchen haben zu können. Die nun startende ARD-Sex-Dokumentation ist sehenswert.
"Mönche sind Vorbilder für einen guten Menschen. Sie sollen das moralische System fördern. Und sie sollen nicht heiraten. Denn sie haben eine andere Aufgabe. Nämlich das Volk zu unterrichten. Das Volk, welches beherrscht wird von Begierden. Von Wollust, Neid, von Gier, Wut und Rachsucht. Die Menschen sind verblendet. Der Mönch ist jemand, der ihnen mit der Taschenlampe den Weg leuchtet."
Der thailändische Mönch Ajarn Survit lebt in der Nähe Bangkoks. Seine Beziehung zum anderen Geschlecht ist klar definiert: keinen Körperkontakt, keinen Blickkontakt. Doch nicht nur für Mönche ist vieles tabu. Alle Religionen, ob Juden oder Christen, Muslime, Hindus oder Buddhisten, haben Ge- und Verbote, die die Beziehungen zum anderen Geschlecht regeln.
Die dreiteilige TV-Reihe zeigt verschiedene Repräsentanten der Weltreligionen und ihren Umgang mit den Regeln. So erleben wir z.B. die Muslima Hülya, die sich bewusst und gegen den Willen ihrer Eltern dem traditionellen Islam verpflichtet hat. Obwohl sie Mitte 20 ist und in Istanbul als Modejournalistin eines erfolgreichen konservativen Magazins arbeitet, hatte sie noch nie einen Freund und will vor der Ehe keinen Kontakt mit Männern haben. Es wäre ein Verstoß gegen ihren Glauben.
"Ich denke, mein Beruf schreckt die meisten ab. Naja, ich stehe auf eigenen Füßen, kleide mich modisch, genieße das Leben und dann bin ich auch noch Jungfrau. Ich denke, das schreckt Männer schon ab."
Betroffene, Theologen und geistliche Führer kommen zu Wort
In Tel Aviv hingegen schreckt das Leben, das der noch unverheiratete Avihu mit seiner Lebensgefährtin Shira führt, dessen Eltern ab. Denn Avihu ist in einer orthodoxen Familie aufgewachsen, und Shira, die aus dem liberalen Judentum stammt, ist für sie völlig inakzeptabel. Sie haben den Kontakt zu ihrem Sohn abgebrochen.
Shiras Mutter, die zugleich Rabbinerin ist, hat dafür kein Verständnis: "Wer hat die Unverfrorenheit sich da überhaupt einzumischen? Mit welchem Recht? Ich verstehe das überhaupt nicht. Und dann noch im Rahmen der Religion. Gott hat dieses Paar zueinander geführt. Und da komme ich und sage: Das ist nicht in Ordnung? Im Namen Gottes? Das ist eine Frechheit!"
In vielen arabischen Ländern, aber auch in Indien, werden Ehen noch immer größtenteils von den Eltern arrangiert. Der Begriff "Liebesheirat" gilt in Indien sogar als Schimpfwort. Dennoch gibt es Menschen wie Mohid und Nimshi, die sich an ihrem Arbeitsplatz kennenlernten und gegen den Willen der Eltern geheiratet haben.
"Es war klar: Meine Familie würde nie akzeptieren, dass ich mich in einen Mann aus einer anderen Kaste verliebt hatte. Schon sich in jemanden zu verlieben ist in unserer Kultur verpönt. Bei uns werden Ehen arrangiert. Wir kennen die Person, die wir heiraten sollen, gar nicht."
Um die sexuelle Sehnsucht zu befriedigen, gibt es im schiitischen Islam die Ehe auf Zeit. Denn vor oder neben der herkömmlichen Ehe dürfen Männer eine zeitlich befristete Ehe führen. Sie kann für eine Stunde oder für viele Jahre geschlossen werden. Wobei kritische Stimmen dies als eine versteckte Form von Prostitution bezeichnen.
Neben den Betroffenen haben die Filmemacher Theologen und geistliche Führer aus den Weltreligionen hinsichtlich der jeweiligen Vorschriften befragt. Wenn es um Partnersuche und sexuelle Freiheit geht, ist die evangelische Kirche in Deutschland die einzige, die fast keine Regeln vorgibt, wie der Theologe Notger Slenczka erläutert.
"Die Bewertung von vorehelichen Beziehungen, das hat sich auch vollständig geändert in der protestantischen Kirche, auch in offiziellen Stellungnahmen. Da finden Sie nur noch sehr selten ein intensives Bestehen darauf, dass man sowohl als Mann als auch als Frau jungfräulich in die Ehe zu gehen hat."
Die Protagonisten des TV-Dreiteilers überraschen durch ihre Offenheit, beschreiben, wie sie versuchen, religiöse Gebote und emotionale Sehnsucht zu vereinen – aber auch, wann sie sich über die Gebote hinwegsetzen. Wobei der Hindu Sudhier Kakar formuliert, was sich wohl die meisten Geistlichen von den Gläubigen wünschen.
"Sexualität ist in der religiösen Hindu-Tradition nicht nur Kopulation. Man schläft nicht einfach zusammen. Es ist viel mehr als das. Man ist im Kontakt mit dem schöpferischen Feuer. Es ist etwas Heiliges. Denn es ist Teil des Prozesses, durch den das ganze Universum geschaffen wurde."

Ein Hinweis:
Am Montag, dem 28. April sendet Das Erste "Glaube, Liebe, Lust – Sexualität in den Weltreligionen", um 22.45 Uhr. Die Filmreihe besteht aus drei Teilen: "Erste Liebe" (28. April), "Erfüllte Liebe"(5. Mai 2014) und "Verbotene Liebe" (12. Mai 2014)