Ferner: Vertrauensvorschuss für die kommenden Jahre
Die stellvertretende SPD-Vorsitzende Elke Ferner sieht in den Wahlergebnissen für den neuen Parteichef Platzeck und für den Parteivorstand einen großen Vertrauensvorschuss für die kommenden Jahre. Eine wichtige Aufgabe der neuen Führung sei es, das sozialdemokratische Profil auch in der großen Koalition zu bewahren, sagte Ferner.
Sagenschneider: Matthias Platzeck ist neuer Parteichef der SPD - gewählt mit einem, wie er selbst sagte, sozialistisch anmutenden Ergebnis. Der Generationswechsel an der Spitze der Sozialdemokraten ist damit vollzogen. Für den einen mit mehr, den anderen mit weniger Erfolg. Der neue Generalsekretär Hubertus Heil zum Beispiel wurde abgestraft für seine Rolle, die er beim Sturz Franz Münteferings gespielt hatte. Nur knapp 62 Prozent der Delegierten auf dem Bundesparteitag in Karlsruhe mochten ihm ihre Stimme geben. Die Vertreter der Linken, die ja auch auf Andrea Nahles gesetzt und damit die Krise in der SPD ausgelöst hatten, kamen relativ ungeschoren davon. Andrea Nahles selbst wurde anstandslos in den Vorstand gewählt, und Bärbel Dieckmann, auch Elke Ferner - beide Unterstützerinnen von Nahles - erhielten ein sehr ordentliches Ergebnis bei der Wahl zur stellvertretenden Parteivorsitzenden. Elke Ferner gehört dem linken Flügel ihrer Partei an. Sie ist auch Bundesvorsitzende der SPD-Frauen und nun am Telefon von Deutschlandradio Kultur. Frau Ferner, wie erklären Sie sich, dass die Linke nicht abgestraft wurde, im Gegensatz zu dem einen oder anderen Netzwerker?
Ferner: Gut, das ist schwer zu sagen. Das ist sicher immer eine Summe von Gründen, die da eine Rolle spielen, warum jemand gewählt oder eben nicht gewählt wird. Das mag bei den einen Frust sein, bei den anderen auch andere Sachen. Ich weiß es wirklich nicht, aber ich glaube, wir haben jetzt alle auch Wahlergebnisse gekriegt, die eine Grundlage bieten jetzt für die Arbeit für die nächsten zwei Jahre. Ich würde das nicht zu hoch hängen, was die Unterschiedlichkeit der Ergebnisse anlangt.
Sagenschneider: Diese Harmonie, die da gestern demonstriert wurde, auch das fulminante Ergebnis von Matthias Platzeck, worauf deutet das hin, darauf, dass es keine Alternative gibt oder dass alle so verschreckt sind über das Tohuwabohu der letzten Wochen, dass sie erst mal keine großen Debatten wagen?
Ferner: Nein, ich glaube, das ist zunächst mal die Erwartung natürlich an Matthias Platzeck, aber ich glaube, auch an den gesamten Parteivorstand, dass jetzt gerade in einer großen Koalition das eigene Profil der SPD nicht verschwimmt, sondern erhalten bleibt, vielleicht auch noch geschärft wird. Das ist ja auch nicht so ganz einfach. Wir haben ja auch Kompromisse im Koalitionsvertrag machen müssen, und die Stimmung, die da vorherrscht, ist nach meinem Eindruck, dass man durchaus bereit ist, Kompromisse mitzutragen, aber es muss auch deutlich gemacht werden, wer sozusagen da nachgeben musste und wie der eigentliche sozialdemokratische Weg an anderen Stellen, wo wir eben nicht uns durchgesetzt haben beim Koalitionsvertrag, wie der eigentliche sozialdemokratische Weg ist. Und es ist natürlich auch nach den vergangenen zwei Wochen ein Stück Vertrauensvorschuss, den wir alle gekriegt haben.
Sagenschneider: Aber wie soll das denn gehen, denn das ist ja genau diese schwierige Gratwanderung: Die Partei soll wieder mehr gestärkt werden, so manche reden auch von einer neuen Programmdebatte, von offeneren Diskussionen, und gleichzeitig wird die SPD auch ihren Ministern in der großen Koalition Rückendeckung geben müssen?
Ferner: Das eine schließt das andere auch überhaupt nicht aus. Wir haben ja beispielsweise in der Vergangenheit jetzt in der letzten Wahlperiode mit dem Gesundheitskompromiss auch einen Kompromiss gemacht, wo aber das, was dann zum Schluss beschlossen worden ist, nicht alles sozusagen auf unsere Initiative hin gemacht worden ist. Die Praxisgebühr ist beispielsweise von der Union gefordert worden, nur haben wir damals zuwenig deutlich gemacht, dass das nicht unser Vorschlag gewesen ist, sondern der von der Union. Wenn es dann zu Kompromissen kommt, muss man eben auch deutlich machen, wer welchen Teil des Kompromisses zu verantworten hat, das ist das eine, und das andere mit der Programmdebatte, die haben wir ja im Prinzip schon das letzte anderthalbe Jahr geführt, sehr intensiv geführt. Wir hatten, glaube ich, fast alle vier bis sechs Wochen Sitzung der Programmkommission, und da ist uns ja die Neuwahl dazwischengekommen, die haben wir jetzt unterbrochen, die Programmdiskussion, und werden sie jetzt auch schnell fortsetzen.
Sagenschneider: Aber gerade die Debatte um die Gesundheitsreform hat ja gezeigt, dass es nicht so leicht ist, am Ende die Zuständigkeiten dann auch deutlich zu machen, und die nächste Debatte um eine Gesundheitsreform wird natürlich sehr viel grundsätzlicher sein. Nun wissen wir alle, dass große Koalitionen nicht zu den leichtesten Übungen in der Politik gehören. Ist dann nicht doch klar, dass die Partei im Zweifelsfall zu kurz kommen wird?
Ferner: Also ich glaube, dass die großen Strukturreformen, soweit sie gemacht werden können in einer großen Koalition, auch breit vorbereitet werden müssen und breit diskutiert werden müssen, um die Akzeptanz dann wirklich auch zu haben, und da geht dann auch Gründlichkeit vor Schnelligkeit an der Stelle. Und insofern sehe ich da auch nicht unbedingt einen Widerspruch, dass man, wenn man in dieser Konstellation beispielsweise im Gesundheitsbereich zu einem grundlegenden Kompromiss kommt, also für die grundlegenden Strukturen, da sehe ich nicht, wie das sozusagen einfach nur mit "business as usual" über Fraktion usw. gemacht werden kann, sondern da braucht man dann schon eine stärkere Rückendeckung. Bei den normalen Sachen geht das auch über den Koalitionsausschuss, das muss dann immer von Fall zu Fall entschieden werden.
Sagenschneider: Die SPD hat in den letzten 18 Jahren sechs Parteivorsitzende verschlissen. Wie viel Zeit geben Sie Herrn Platzeck?
Ferner: Also ich glaube, auch da ist jetzt die Zeit der Schnelllebigkeit sollte vorbei sein. Also ich denke schon, dass Matthias Platzeck eine gute Chance hat, deutlich länger Parteivorsitzender zu sein. Wir werden jetzt auch beweisen müssen durch unsere Arbeit, dass wir das in uns gesetzte Vertrauen der Delegierten auch rechtfertigen, und dann sehen wir weiter in zwei Jahren.
Sagenschneider: Aber wird es nicht doch schwer für ihn werden, denn die Diskussionen in den letzten Wochen haben ja gezeigt, dass es doch auch Konflikte innerhalb der SPD sind, die nicht wirklich ausgetragen worden sind jetzt?
Ferner: Ja gut, dass so etwas auch nicht konfliktfrei geht, ist klar, aber ich sage mal, das ist auch das, was ich an der SPD immer geschätzt habe, dass man durchaus auch diskussionsfreudig ist, aber wenn es dann nachher entschieden ist, auch in der Lage ist, solidarisch Beschlüsse nach außen zu tragen, und ich denke, da müssen wir noch mal hin, dass es, sage ich mal, lebendiger in der Diskussion wird und dann vielleicht auch noch etwas solidarischer, wenn es darum geht, die Entscheidungen nach außen zu vertreten. Aber ich halte es nicht für einen Fehler, dass man über Dinge, die unterschiedlich gesehen werden, auch wirklich ausführlich diskutiert.
Sagenschneider: Vielen Dank für das Gespräch!
Ferner: Gut, das ist schwer zu sagen. Das ist sicher immer eine Summe von Gründen, die da eine Rolle spielen, warum jemand gewählt oder eben nicht gewählt wird. Das mag bei den einen Frust sein, bei den anderen auch andere Sachen. Ich weiß es wirklich nicht, aber ich glaube, wir haben jetzt alle auch Wahlergebnisse gekriegt, die eine Grundlage bieten jetzt für die Arbeit für die nächsten zwei Jahre. Ich würde das nicht zu hoch hängen, was die Unterschiedlichkeit der Ergebnisse anlangt.
Sagenschneider: Diese Harmonie, die da gestern demonstriert wurde, auch das fulminante Ergebnis von Matthias Platzeck, worauf deutet das hin, darauf, dass es keine Alternative gibt oder dass alle so verschreckt sind über das Tohuwabohu der letzten Wochen, dass sie erst mal keine großen Debatten wagen?
Ferner: Nein, ich glaube, das ist zunächst mal die Erwartung natürlich an Matthias Platzeck, aber ich glaube, auch an den gesamten Parteivorstand, dass jetzt gerade in einer großen Koalition das eigene Profil der SPD nicht verschwimmt, sondern erhalten bleibt, vielleicht auch noch geschärft wird. Das ist ja auch nicht so ganz einfach. Wir haben ja auch Kompromisse im Koalitionsvertrag machen müssen, und die Stimmung, die da vorherrscht, ist nach meinem Eindruck, dass man durchaus bereit ist, Kompromisse mitzutragen, aber es muss auch deutlich gemacht werden, wer sozusagen da nachgeben musste und wie der eigentliche sozialdemokratische Weg an anderen Stellen, wo wir eben nicht uns durchgesetzt haben beim Koalitionsvertrag, wie der eigentliche sozialdemokratische Weg ist. Und es ist natürlich auch nach den vergangenen zwei Wochen ein Stück Vertrauensvorschuss, den wir alle gekriegt haben.
Sagenschneider: Aber wie soll das denn gehen, denn das ist ja genau diese schwierige Gratwanderung: Die Partei soll wieder mehr gestärkt werden, so manche reden auch von einer neuen Programmdebatte, von offeneren Diskussionen, und gleichzeitig wird die SPD auch ihren Ministern in der großen Koalition Rückendeckung geben müssen?
Ferner: Das eine schließt das andere auch überhaupt nicht aus. Wir haben ja beispielsweise in der Vergangenheit jetzt in der letzten Wahlperiode mit dem Gesundheitskompromiss auch einen Kompromiss gemacht, wo aber das, was dann zum Schluss beschlossen worden ist, nicht alles sozusagen auf unsere Initiative hin gemacht worden ist. Die Praxisgebühr ist beispielsweise von der Union gefordert worden, nur haben wir damals zuwenig deutlich gemacht, dass das nicht unser Vorschlag gewesen ist, sondern der von der Union. Wenn es dann zu Kompromissen kommt, muss man eben auch deutlich machen, wer welchen Teil des Kompromisses zu verantworten hat, das ist das eine, und das andere mit der Programmdebatte, die haben wir ja im Prinzip schon das letzte anderthalbe Jahr geführt, sehr intensiv geführt. Wir hatten, glaube ich, fast alle vier bis sechs Wochen Sitzung der Programmkommission, und da ist uns ja die Neuwahl dazwischengekommen, die haben wir jetzt unterbrochen, die Programmdiskussion, und werden sie jetzt auch schnell fortsetzen.
Sagenschneider: Aber gerade die Debatte um die Gesundheitsreform hat ja gezeigt, dass es nicht so leicht ist, am Ende die Zuständigkeiten dann auch deutlich zu machen, und die nächste Debatte um eine Gesundheitsreform wird natürlich sehr viel grundsätzlicher sein. Nun wissen wir alle, dass große Koalitionen nicht zu den leichtesten Übungen in der Politik gehören. Ist dann nicht doch klar, dass die Partei im Zweifelsfall zu kurz kommen wird?
Ferner: Also ich glaube, dass die großen Strukturreformen, soweit sie gemacht werden können in einer großen Koalition, auch breit vorbereitet werden müssen und breit diskutiert werden müssen, um die Akzeptanz dann wirklich auch zu haben, und da geht dann auch Gründlichkeit vor Schnelligkeit an der Stelle. Und insofern sehe ich da auch nicht unbedingt einen Widerspruch, dass man, wenn man in dieser Konstellation beispielsweise im Gesundheitsbereich zu einem grundlegenden Kompromiss kommt, also für die grundlegenden Strukturen, da sehe ich nicht, wie das sozusagen einfach nur mit "business as usual" über Fraktion usw. gemacht werden kann, sondern da braucht man dann schon eine stärkere Rückendeckung. Bei den normalen Sachen geht das auch über den Koalitionsausschuss, das muss dann immer von Fall zu Fall entschieden werden.
Sagenschneider: Die SPD hat in den letzten 18 Jahren sechs Parteivorsitzende verschlissen. Wie viel Zeit geben Sie Herrn Platzeck?
Ferner: Also ich glaube, auch da ist jetzt die Zeit der Schnelllebigkeit sollte vorbei sein. Also ich denke schon, dass Matthias Platzeck eine gute Chance hat, deutlich länger Parteivorsitzender zu sein. Wir werden jetzt auch beweisen müssen durch unsere Arbeit, dass wir das in uns gesetzte Vertrauen der Delegierten auch rechtfertigen, und dann sehen wir weiter in zwei Jahren.
Sagenschneider: Aber wird es nicht doch schwer für ihn werden, denn die Diskussionen in den letzten Wochen haben ja gezeigt, dass es doch auch Konflikte innerhalb der SPD sind, die nicht wirklich ausgetragen worden sind jetzt?
Ferner: Ja gut, dass so etwas auch nicht konfliktfrei geht, ist klar, aber ich sage mal, das ist auch das, was ich an der SPD immer geschätzt habe, dass man durchaus auch diskussionsfreudig ist, aber wenn es dann nachher entschieden ist, auch in der Lage ist, solidarisch Beschlüsse nach außen zu tragen, und ich denke, da müssen wir noch mal hin, dass es, sage ich mal, lebendiger in der Diskussion wird und dann vielleicht auch noch etwas solidarischer, wenn es darum geht, die Entscheidungen nach außen zu vertreten. Aber ich halte es nicht für einen Fehler, dass man über Dinge, die unterschiedlich gesehen werden, auch wirklich ausführlich diskutiert.
Sagenschneider: Vielen Dank für das Gespräch!