"Fenster der Hoffnung" nutzen
Die CDU-Politikerin Hildegard Müller fordert eine stärkere Einbindung der arabischen Staaten in die Friedensgespräche zwischen Israelis und Palästinensern. Es sei unabdingbar, dass die arabischen Nachbarstaaten auch Verantwortung für diesen Prozess übernehmen, sagte Müller, Staatsministerin im Kanzleramt. Dies sei wichtig für die Stabilität in der Region.
Marie Sagenschneider: Wer hätte gedacht, dass sich Israelis und Palästinenser dann doch in Annapolis darauf verständigen, den Friedensprozess wieder in Gang zu setzen? Knapp vor Beginn der Konferenz haben Israels Regierungschef Olmert und Palästinenserpräsident Abbas beschlossen und verkündet, die Gespräche umgehend wieder aufnehmen zu wollen - nach sieben Jahren Pause. Bis Ende kommenden Jahres soll ein Abkommen stehen mit dem Ziel, zwei Staaten zu schaffen, und Antworten auf die alten und immer noch offenen Fragen zu finden: den Status Jerusalems, die jüdischen Siedlungen in den Palästinensergebieten, die Grenzziehung und die palästinensischen Flüchtlinge. Kann das gelingen? Darüber wollen wir nun hier im Deutschlandradio Kultur mit Hildegard Müller sprechen. Sie ist Staatsministerin im Kanzleramt und Vorsitzende von Yad Vashem Deutschland. Guten Morgen, Frau Müller!
Hildegard Müller: Guten Morgen, Frau Sagenschneider!
Sagenschneider: Sind Sie überrascht, dass es nun doch einen Durchbruch in Annapolis gegeben hat, oder haben Sie halbwegs damit gerechnet?
Müller: Ich habe es gehofft, dass sich dieses "Fenster der Hoffnung" öffnet, weil schon in beiden Bereichen die Sehnsucht nach Frieden sehr hoch ist und der Druck der Bevölkerung, wirklich auch weiterzukommen in den zentralen Fragen, sehr hoch ist. Aber es ist nach wie vor sehr schwierig, wir stehen am Anfang des Prozesses und nicht am Ende.
Sagenschneider: Ja, man spricht jetzt auch wieder von einer einzigartigen Chance, das hat man ja eigentlich jedes Mal getan, wenn wieder beschlossen wurde, die Gespräche fortzusetzen. Ja, warum sollte jetzt mehr daraus werden als bei den Malen zuvor?
Müller: Ich habe das eben erwähnt: Ich glaube, die Bevölkerung will den Frieden, und sie will sich nicht länger verzetteln lassen in dieses ständige Gegeneinander. Aber Sie haben natürlich völlig Recht mit Ihrer am Anfang geäußerten Sorge, es sind wirklich zentrale Fragen zu lösen. Die muss man sich jetzt nun im einzelnen vornehmen, da werden beide Seiten auch schmerzhafte Kompromisse machen müssen, und ob das trägt, ob zum Beispiel die Sicherheitsgarantien auch für Israel gegeben werden können von Seiten des Präsidenten Abbas, ob die Frage der jüdischen Siedlungen besprochen werden kann und die Grenzziehung - all das sind schwierige Fragen, die jetzt anstehen.
Sagenschneider: Ja, und man weiß ja, dass es irgendwie Gründe dafür gegeben hat, warum die eben in den letzten Jahrzehnten nicht gelöst worden sind. Ist es für Sie, Frau Müller, wirklich vorstellbar, dass Israel beispielsweise auf Ost-Jerusalem verzichtet, oder die Palästinenser sagen, nein, wir geben unsere Ansprüche auf Ost-Jerusalem als unsere Hauptstadt auf?
Müller: Ich glaube, die Frage Jerusalem ist in meinen Augen mit die schwierigste, ich sage das jetzt ganz offen. Aber wenn wir noch mal auf den Prozess von Camp David gehen, damals war man eigentlich fast soweit. Es hat die palästinensische Seite gehofft, noch mehr herauszuholen, und ich hoffe, dass man diesmal einsieht, dass es Grenzen der Forderungen gibt, dass man vernünftige Lösungen finden muss, die für beide Seiten tragbar sind. Israel hat auch einseitige Schritte gemacht, wenn ich an den Rückzug aus Gaza denke, trotzdem gibt es nach wie vor viele Angriffe auf Dörfer in Israel, aus dem Gazastreifen heraus. Man hat diese Linie aber beibehalten, das zeigt mir, dass schon der Willen da ist, einen Schritt voranzugehen.
Für mich ist eine zentrale Frage, ob Präsident Abbas stark genug ist. Ich glaube, er hat einen Großteil der Bevölkerung hinter sich, aber die Hamas, die ihn natürlich sehr bekämpft, die den Frieden sehr bekämpft, die vom Terror lebt letztendlich, die wird natürlich alles tun, um den Prozess zu stören und zu allen Mitteln greifen.
Sagenschneider: Und sie kontrolliert den Gazastreifen, also müsste man dann irgendwann im Laufe dieses Prozesses, der jetzt erst wieder beginnen soll, müsste man dann die Hamas mit einbeziehen?
Müller: Wenn sie sich zu den Forderungen der Weltgemeinschaft auch bekennt, das heißt, das Existenzrecht Israels anzuerkennen, wenn man auf eine Zwei-Staaten-Lösung hinarbeitet, dann müssen beide Partner die Frage zum Beispiel für unabdingbar erklären, es muss zwei Staaten geben! Wenn die Hamas, weiter vom Iran und anderen Ländern unterstützt, diese zentrale Frage verweigert, wird es natürlich schwierig bleiben.
Aber ich halte den Blick auf die Palästinenser, auf die politische Vertretung, die am Frieden interessiert ist. Es darf nicht sein, dass die Minderheit die Mehrheit hier dominiert, und deshalb muss dieses Fenster, was sich geöffnet hat, jetzt wirklich genutzt werden für konsequente Formen und Prozesse, die Lage der Palästinenser muss verbessert werden, die Sicherheitsgarantien für Israel müssen schrittweise erfüllt werden. Ich habe dann wirklich die Hoffnung, dass wir dieses Mal weiterkommen.
Sagenschneider: Außenminister Steinmeier, der ja in Annapolis mit dabei war, hat schon gesagt, die EU sei bereit, den Friedensprozess aktiv zu unterstützen, zum Beispiel, indem sie eben mitwirkt an einer Verbesserung der Lage der palästinensischen Bevölkerung im Westjordanland. Wie kann man sich das konkret vorstellen, was kann die EU da tun?
Müller: Die EU hat immer auch Aufbauhilfen für Strukturen gegeben, sie hat immer Aufbauhilfen auch zur Verbesserung der Situation der Menschen im Land gegeben. Wir werden natürlich darauf aufpassen müssen, dass diese Gelder nicht verwendet werden für Korruption oder für Querfinanzierung von Terror, aber es ist natürlich selbstverständlich, dass die EU hier mit ihren Mitteln für stabile Verhältnisse sorgen kann. Und ich glaube, dass das der Ausgangspunkt für Frieden ist, dass sich die Situation für die Menschen schrittweise bessert, dass sie sehen, wenn sie sich auf Zugeständnisse von beiden Seiten einlassen, wird ihre Gesamtsituation eine bessere, und ich denke, dass da ein hohes Maß an Interesse in den Ländern besteht.
Sagenschneider: Kommen wir noch mal zurück zu Annapolis, wo ja auch zahlreiche arabische Staaten vertreten waren, sogar Syrien war mit dabei, und darin bestand ja auch eines der Ziele von Präsident Bush, auf diese Art und Weise dem Iran eine deutlichere Front entgegenzusetzen. Ist das gelungen?
Müller: Ob Syrien sich in den Prozess einbinden lässt, wird sich jetzt auch in den folgenden Verhandlungen zeigen. Ich finde es unabdingbar, dass die arabischen Nachbarstaaten auch Verantwortung für diesen Prozess mit übernehmen, auch für Stabilität in der Gesamtregion. Wenn ich an das Thema Libanon denke, sind dort nach wie vor schwierige Fragen zu lösen, da hätte Syrien schon eine Möglichkeit, zur Stabilität dort beizutragen. Wir werden also sehen, ob den Worten von Seiten der arabischen Staaten in diesem Punkt auch Taten folgen. Ich glaube, man sieht das zunehmend, dass der Konflikt sich sonst überträgt, dass die Probleme sich nicht auf die Auseinandersetzung zwischen den Israelis und den Palästinensern nur fokussieren, sondern dass sie auch in die eigenen Länder hinüberschwappen. Und deshalb hoffe ich, dass sich Staaten wie Ägypten und andere ihre stabilisierenden Möglichkeiten dort auch nutzen.
Sagenschneider: Frau Müller, ich danke Ihnen. Hildegard Müller war das, sie ist Staatsministerin im Kanzleramt.
Hildegard Müller: Guten Morgen, Frau Sagenschneider!
Sagenschneider: Sind Sie überrascht, dass es nun doch einen Durchbruch in Annapolis gegeben hat, oder haben Sie halbwegs damit gerechnet?
Müller: Ich habe es gehofft, dass sich dieses "Fenster der Hoffnung" öffnet, weil schon in beiden Bereichen die Sehnsucht nach Frieden sehr hoch ist und der Druck der Bevölkerung, wirklich auch weiterzukommen in den zentralen Fragen, sehr hoch ist. Aber es ist nach wie vor sehr schwierig, wir stehen am Anfang des Prozesses und nicht am Ende.
Sagenschneider: Ja, man spricht jetzt auch wieder von einer einzigartigen Chance, das hat man ja eigentlich jedes Mal getan, wenn wieder beschlossen wurde, die Gespräche fortzusetzen. Ja, warum sollte jetzt mehr daraus werden als bei den Malen zuvor?
Müller: Ich habe das eben erwähnt: Ich glaube, die Bevölkerung will den Frieden, und sie will sich nicht länger verzetteln lassen in dieses ständige Gegeneinander. Aber Sie haben natürlich völlig Recht mit Ihrer am Anfang geäußerten Sorge, es sind wirklich zentrale Fragen zu lösen. Die muss man sich jetzt nun im einzelnen vornehmen, da werden beide Seiten auch schmerzhafte Kompromisse machen müssen, und ob das trägt, ob zum Beispiel die Sicherheitsgarantien auch für Israel gegeben werden können von Seiten des Präsidenten Abbas, ob die Frage der jüdischen Siedlungen besprochen werden kann und die Grenzziehung - all das sind schwierige Fragen, die jetzt anstehen.
Sagenschneider: Ja, und man weiß ja, dass es irgendwie Gründe dafür gegeben hat, warum die eben in den letzten Jahrzehnten nicht gelöst worden sind. Ist es für Sie, Frau Müller, wirklich vorstellbar, dass Israel beispielsweise auf Ost-Jerusalem verzichtet, oder die Palästinenser sagen, nein, wir geben unsere Ansprüche auf Ost-Jerusalem als unsere Hauptstadt auf?
Müller: Ich glaube, die Frage Jerusalem ist in meinen Augen mit die schwierigste, ich sage das jetzt ganz offen. Aber wenn wir noch mal auf den Prozess von Camp David gehen, damals war man eigentlich fast soweit. Es hat die palästinensische Seite gehofft, noch mehr herauszuholen, und ich hoffe, dass man diesmal einsieht, dass es Grenzen der Forderungen gibt, dass man vernünftige Lösungen finden muss, die für beide Seiten tragbar sind. Israel hat auch einseitige Schritte gemacht, wenn ich an den Rückzug aus Gaza denke, trotzdem gibt es nach wie vor viele Angriffe auf Dörfer in Israel, aus dem Gazastreifen heraus. Man hat diese Linie aber beibehalten, das zeigt mir, dass schon der Willen da ist, einen Schritt voranzugehen.
Für mich ist eine zentrale Frage, ob Präsident Abbas stark genug ist. Ich glaube, er hat einen Großteil der Bevölkerung hinter sich, aber die Hamas, die ihn natürlich sehr bekämpft, die den Frieden sehr bekämpft, die vom Terror lebt letztendlich, die wird natürlich alles tun, um den Prozess zu stören und zu allen Mitteln greifen.
Sagenschneider: Und sie kontrolliert den Gazastreifen, also müsste man dann irgendwann im Laufe dieses Prozesses, der jetzt erst wieder beginnen soll, müsste man dann die Hamas mit einbeziehen?
Müller: Wenn sie sich zu den Forderungen der Weltgemeinschaft auch bekennt, das heißt, das Existenzrecht Israels anzuerkennen, wenn man auf eine Zwei-Staaten-Lösung hinarbeitet, dann müssen beide Partner die Frage zum Beispiel für unabdingbar erklären, es muss zwei Staaten geben! Wenn die Hamas, weiter vom Iran und anderen Ländern unterstützt, diese zentrale Frage verweigert, wird es natürlich schwierig bleiben.
Aber ich halte den Blick auf die Palästinenser, auf die politische Vertretung, die am Frieden interessiert ist. Es darf nicht sein, dass die Minderheit die Mehrheit hier dominiert, und deshalb muss dieses Fenster, was sich geöffnet hat, jetzt wirklich genutzt werden für konsequente Formen und Prozesse, die Lage der Palästinenser muss verbessert werden, die Sicherheitsgarantien für Israel müssen schrittweise erfüllt werden. Ich habe dann wirklich die Hoffnung, dass wir dieses Mal weiterkommen.
Sagenschneider: Außenminister Steinmeier, der ja in Annapolis mit dabei war, hat schon gesagt, die EU sei bereit, den Friedensprozess aktiv zu unterstützen, zum Beispiel, indem sie eben mitwirkt an einer Verbesserung der Lage der palästinensischen Bevölkerung im Westjordanland. Wie kann man sich das konkret vorstellen, was kann die EU da tun?
Müller: Die EU hat immer auch Aufbauhilfen für Strukturen gegeben, sie hat immer Aufbauhilfen auch zur Verbesserung der Situation der Menschen im Land gegeben. Wir werden natürlich darauf aufpassen müssen, dass diese Gelder nicht verwendet werden für Korruption oder für Querfinanzierung von Terror, aber es ist natürlich selbstverständlich, dass die EU hier mit ihren Mitteln für stabile Verhältnisse sorgen kann. Und ich glaube, dass das der Ausgangspunkt für Frieden ist, dass sich die Situation für die Menschen schrittweise bessert, dass sie sehen, wenn sie sich auf Zugeständnisse von beiden Seiten einlassen, wird ihre Gesamtsituation eine bessere, und ich denke, dass da ein hohes Maß an Interesse in den Ländern besteht.
Sagenschneider: Kommen wir noch mal zurück zu Annapolis, wo ja auch zahlreiche arabische Staaten vertreten waren, sogar Syrien war mit dabei, und darin bestand ja auch eines der Ziele von Präsident Bush, auf diese Art und Weise dem Iran eine deutlichere Front entgegenzusetzen. Ist das gelungen?
Müller: Ob Syrien sich in den Prozess einbinden lässt, wird sich jetzt auch in den folgenden Verhandlungen zeigen. Ich finde es unabdingbar, dass die arabischen Nachbarstaaten auch Verantwortung für diesen Prozess mit übernehmen, auch für Stabilität in der Gesamtregion. Wenn ich an das Thema Libanon denke, sind dort nach wie vor schwierige Fragen zu lösen, da hätte Syrien schon eine Möglichkeit, zur Stabilität dort beizutragen. Wir werden also sehen, ob den Worten von Seiten der arabischen Staaten in diesem Punkt auch Taten folgen. Ich glaube, man sieht das zunehmend, dass der Konflikt sich sonst überträgt, dass die Probleme sich nicht auf die Auseinandersetzung zwischen den Israelis und den Palästinensern nur fokussieren, sondern dass sie auch in die eigenen Länder hinüberschwappen. Und deshalb hoffe ich, dass sich Staaten wie Ägypten und andere ihre stabilisierenden Möglichkeiten dort auch nutzen.
Sagenschneider: Frau Müller, ich danke Ihnen. Hildegard Müller war das, sie ist Staatsministerin im Kanzleramt.