Femme fatale des 19. Jahrhunderts

05.02.2007
Lou Andreas-Salomé ist vielen bekannt durch ihre Freundschaften oder auch Liebschaften mit so berühmten Männern wie Friedrich Nietzsche oder Sigmund Freud. Doch sie war mehr als nur eine Frau an der Seite eines berühmten Mannes. Sie arbeitete als Schriftstellerin, Essayistin, Psychoanalytikerin und ging stets ihren eigenen Weg.
Lou Andreas-Salomé - Schriftstellerin, Essayistin, Psychoanalytikerin - war eine schimmernde Gestalt – leuchtend klug und eigensinnig. Sie ist der Nachwelt auch durch ihre Lieb- und Freundschaften mit berühmten Männern in Erinnerung geblieben. Mit Friedrich Nietzsche etwa, dessen Werk sie wie kaum ein anderer damals verstand und dessen Heiratsantrag sie ablehnte, mit Rainer Maria Rilke, der ihr Geliebter wurde oder mit Sigmund Freud, von dem sie die Psychoanalyse lernte. In der Tat suchten außergewöhnliche Männer gern ihre Gesellschaft, denn Lou Andreas-Salomé war selber eine außergewöhnliche Frau. Geistreich, rebellisch, scharfsinnig, schön. Und unstillbar wissbegierig. Nietzsche nannte sie einmal den klügsten Menschen, den er kennen gelernt habe.

Eine Frau mit einem eigenen Verstand, einem eigenen Willen und einem Beruf- und doch keine Frauenrechtlerin. Eine Schriftstellerin, deren Romane zwar Beachtung fanden – doch Ruhm und Nachruhm gründen vor allem auf ihre Essays über Kunst, Religion, Erotik oder die Psychoanalyse und ihre Schriften über Nietzsche, Ibsen, und Freud. Freud hat sie hoch geschätzt. Als Interpretin seiner Lehre wie auch als Kollegin. In den letzten Jahren ihres Lebens hat Lou Andreas-Salomé selber als Psychoanalytikerin gearbeitet. Und das mit großer Leidenschaft. "Im Rückerinnern will mir scheinen", schreibt sie, " als ob mein Leben der Psychoanalyse entgegen gewartet hätte, seitdem ich aus den Kinderschuhen heraus war."

Viktor von Weizsäcker, Begründer der Psychosomatik sagte über sie: "Der seltene Fall, dass jemand diese Wissenschaft tief genug begriffen und doch eine eigene Persönlichkeit geblieben war, ist mir weder vor- noch nachher so hilfreich begegnet wie bei Lou Andreas-Salomé."

Jetzt, zum 70. Todestag, gibt es eine neue Biographie über sie. Eine Bildbiographie, wie es im Titel heißt. Und in der Tat ist das Buch vor allem Bilderbuch und Blätterband mit vielen Fotos und schönen Zitaten. Herausgegeben von Ursula Welsch, die schon einmal eine Biographie über die Schriftstellerin und Psychoanalytikerin geschrieben hat und von Dorothee Pfeiffer, die die Tochter des letzten Freundes und Nachlassverwalters von Lou Andreas-Salomé ist und Erbin dieser Funktion. Sie hütet einen Schatz. Und lässt uns blättern. Hier ein Stückchen aus einem Brief, dort vier Sätze aus dem Tagebuch, da ein paar Bemerkungen, die X schrieb an Y über Lou. Nicht alle der überaus zahlreichen Briefpartner und Briefe Schreiber werden vorgestellt und eingeordnet. Manches bleibt unkommentiert. Und so fühlt man sich immer wieder überfüttert und unterversorgt zugleich.

Der fortlaufende Text gibt ein nur sehr kursorisches Lebensbild der Lou Andreas-Salomé, die 1861 als Louise von Salomé in St. Petersburg als Tochter eines Generals geboren wurde und sich schnell als so bildungshungrig wie widerborstig erwies. Sie wollte lernen, sich bilden, wollte ausbrechen aus dem Boudoir. Was ihr gelang. Sie studierte in Zürich, lebte in Paris, Wien, München und Berlin, wo sie sich mit Frank Wedekind befreundete, mit Arthur Schnitzler, Gerhart Hauptmann, Frieda von Bülow, um nur einige aus ihrem Kreis zu nennen. Zwar hatte sie inzwischen den Orientalisten Carl Friedrich Andreas geheiratet, doch die Ehe hinderte sie nicht daran, sich auch weiterhin selbst zu leben.

Stets beharrte sie darauf, ihren Weg zu gehen. Intellektuell wie auch erotisch. Bis heute wird über ihr Liebesleben gerätselt. War Rilke ihr erster Liebhaber oder führte sie ihn – als versierte Frau-(immerhin war sie schon Mitte dreißig, als die beiden sich trafen) in die Liebe ein? Ihrem eigenen Mann hat sie sich offenbar von Anfang an und für immer verweigert. Und der Arzt, der lange Jahre ihr Liebhaber war, wird in ihrem "Lebensrückblick" fast nicht erwähnt. So als schäme sie sich dieser womöglich überwiegend erotischen Verbindung, denn, so schrieb sie schon in jungen Jahren: "Die geistige Nähe zweier Menschen verlangt nach körperlichem Ausdruck- aber der körperliche Ausdruck verschlingt die geistige Nähe."

Lou Andreas-Salomé wollte Brillanz und sie wollte Unabhängigkeit. Und hat sich beides erkämpft. Wenn der Band von Ursula Welsch und Dorothee Pfeiffer dazu beitragen kann, Neugier auf diese Frau zu wecken, dann wollen wir es gleich ein gutes Buch nennen. Denn in blassen Zeiten zu lesen über eine aufmüpfige Frau ist lustvoller Ansporn, das eigene Denken nicht verludern zu lassen.

Rezensiert von Gabriele von Arnim

Ursula Welsch und Dorothee Pfeiffer: Lou Andreas-Salomé. Eine Bildbiographie
Reclam Leipzig
200 Seiten, 19,90 Euro