Feminismus - cool betrachtet
Liegt es bloß daran, dass wir jetzt eine Bundeskanzlerin haben? Oder an der Demographiedebatte und der Kinderkrippendiskussion, die jenes so überaus hilfreiche 50er-Jahre-Frauenbild zutage förderten, das natürlich nicht unwidersprochen bleiben konnte? Der Feminismus ist zurück!
Sehr zaghaft und mit viel Wenn und Aber, doch immerhin: Einige Frauen, meist um die Mitte 30, haben ihn wiederentdeckt und äußern sich darüber.
Aber haben sie den Feminismus wirklich wiederentdeckt? Nicht so ganz. Denn bei genauem Hinsehen zeigt sich wenig Stolz auf das von den geistigen Müttern und Großmüttern Erreichte, statt dessen ein energisches Bemühen um Abgrenzung. Einen ganz anderen, einen neuen Feminismus wünschen sich die einen, die anderen stellen ihn sogar ganz in Frage. Zu ideologiebeladen seien die alten Debatten gewesen, zu humorlos die ganze Bewegung. Zu unsexy die Frauennetzwerke, zu fanatisch der Männerhass. Zu hässlich auch die Kleiderordnung.
Da ist teilweise etwas dran. Aber sollte man den Feminismus jetzt für immer begraben? Oder müsste nicht wenigstens ein neuer her? Warum? Immerhin hat der alte eine der großen Erfolgsgeschichten des 20. Jahrhunderts geschrieben, und wir alle haben reichlich von seinen Errungenschaften profitiert. Was ist so falsch daran?
Zu den Vorwürfen an den Feminismus gehört standardmäßig auch dieser: Er habe uns, Frauen und Männer, einfach zu gleich gemacht. Jetzt konkurrieren beide Geschlechter um die besten Jobs und beide rasieren sich die Achseln. Frauen und Männer holen sich den anderen ins Bett, wenn ihnen der Sinn danach steht, und Mütter und Väter wickeln Babys. Und weil sie das tun, kriseln sie in ihrer Weiblichkeit - respektive Männlichkeit - so vor sich hin. Etwas Kostbares zwischen den Geschlechtern sei mit dem Sieg des Feminismus verloren gegangen. So etwas wie ein Schauer der Erregung, ein Staunen ob der Andersartigkeit des Anderen. Nie mehr könne sich eine Enkelin Alices als faszinierendes Wesen begreifen, das sich in seiner Besonderheit im fremden Mann bespiegeln kann - der von seinem Blickpunkt die Frau dann auch nie verstehen wird. Die Welt der Geschlechterdifferenz sei heillos entzaubert. Wie schade.
Wie schade?! Wir sollten wirklich nur froh darüber sein. Wer heute nach Asymmetrie der Geschlechter schreit, übersieht, dass die nur solange Spaß macht, wie sie auf dem sicheren Boden der Gleichberichtigung inszeniert werden kann. Hinter der heutigen Sehnsucht nach Codes für weibliche Unverwechselbarkeit steckt vermutlich historische Ahnungslosigkeit.
Die old-school Feministinnen kannten die Ikonografie der abendländischen Kultur ziemlich genau, und sie hatten allen Grund Gleichheit in allen Lebenslagen zu fordern. Wer würde heute, wenn Weiblichkeit per definitionem immer noch unergründlich und geheimnisvoll wäre, diesem Gefäß ohne Boden schon Verantwortung zubilligen? Wer würde einer Frau, die ihrem Wesen nach oder aus Sicht des Mannes als unbegreiflich gelte, schon die Macht des Staates übertragen?
Wenn heute irgendeiner verloren gegangenen Weiblichkeit nachgetrauert wird, passt das allerdings wunderbar in unseren entpolitisierten Alltag. Wem die Gleichheit der Lebensbedingungen der Geschlechter kein hohes Gut sondern eine Last ist, zeigt, dass er oder sie Gesellschaft aus der Perspektive des Höchstprivaten betrachtet. Knisternde Sprach- und Verständnislosigkeit haben nur in der Erotik etwas zu suchen. Asymmetrie zwischen den Geschlechtern kann sexy sein, aber eben auch nur sexy. Kein Grund einer Investmentbankerin sein Geld anzuvertrauen.
Aber hat uns der Feminismus mit seiner Gleichmacherei dann nicht wenigsten den Spaß an der Liebe verdorben? An diesem Spiel: "Ich weiß nicht wer du bist, deshalb begehre ich dich"? Was für ein Unsinn. Die Liebe war noch nie ein Wunder, das vom Himmel fiel, sondern eine Form der Kommunikation, die auf Kultur angewiesen ist. Sie ist ohne Konventionen und Codierungen gar nicht möglich, und jetzt steht sie eben nicht mehr unter den Vorzeichen der Minne oder der Passion oder der Empfindsamkeit sondern des Feminismus.
Dessen große Lehre an uns Frauen war bekanntlich: Du kannst alles sein. Sexy, klug, schwach, stark. Rätselhaft, kapriziös, hart, schön, vernünftig. Männlich. Weiblich. In Zeiten des Postfeminismus hat sich doch längst gezeigt, dass traditionelle Weiblichkeit neben völlig neuen Identifikationsmustern als Möglichkeit von vielen überlebt hat. Madonna hat vorgemacht wie das gehen soll. Wenn uns der Feminismus ein Problem beschert hat, dann liegt es wohl eher hier, in der Grenzenlosigkeit dessen, was wir jetzt sein können.
Aber zu glauben, wir könnten jetzt auf den Feminismus ganz verzichten, weil wir angeblich zu gleich geworden seien, ist ungefähr so naiv, wie zu behaupten, jetzt, wo wir alle wählen dürfen, brauchten wir die Demokratie nicht mehr zu pflegen. Alexis de Tocqueville urteilte einmal: die Demokratie sei nicht perfekt, aber die beste aller Möglichkeiten. So ist es auch mit dem Feminismus. Er war nie vollkommen. Aber wie sähe die Alternative aus?
Christiane Zschirnt, geb. 1965 in Bremen, studierte Anglistik, Literaturwissenschaft und Kunstgeschichte in Hamburg. Sie lebt als freie Autorin in Berlin und schreibt für Presse und Rundfunk. Ihre Buchveröffentlichungen: "Shakespeare-ABC" (2000) und "Bücher. Alles was man lesen muss" (2003).
Aber haben sie den Feminismus wirklich wiederentdeckt? Nicht so ganz. Denn bei genauem Hinsehen zeigt sich wenig Stolz auf das von den geistigen Müttern und Großmüttern Erreichte, statt dessen ein energisches Bemühen um Abgrenzung. Einen ganz anderen, einen neuen Feminismus wünschen sich die einen, die anderen stellen ihn sogar ganz in Frage. Zu ideologiebeladen seien die alten Debatten gewesen, zu humorlos die ganze Bewegung. Zu unsexy die Frauennetzwerke, zu fanatisch der Männerhass. Zu hässlich auch die Kleiderordnung.
Da ist teilweise etwas dran. Aber sollte man den Feminismus jetzt für immer begraben? Oder müsste nicht wenigstens ein neuer her? Warum? Immerhin hat der alte eine der großen Erfolgsgeschichten des 20. Jahrhunderts geschrieben, und wir alle haben reichlich von seinen Errungenschaften profitiert. Was ist so falsch daran?
Zu den Vorwürfen an den Feminismus gehört standardmäßig auch dieser: Er habe uns, Frauen und Männer, einfach zu gleich gemacht. Jetzt konkurrieren beide Geschlechter um die besten Jobs und beide rasieren sich die Achseln. Frauen und Männer holen sich den anderen ins Bett, wenn ihnen der Sinn danach steht, und Mütter und Väter wickeln Babys. Und weil sie das tun, kriseln sie in ihrer Weiblichkeit - respektive Männlichkeit - so vor sich hin. Etwas Kostbares zwischen den Geschlechtern sei mit dem Sieg des Feminismus verloren gegangen. So etwas wie ein Schauer der Erregung, ein Staunen ob der Andersartigkeit des Anderen. Nie mehr könne sich eine Enkelin Alices als faszinierendes Wesen begreifen, das sich in seiner Besonderheit im fremden Mann bespiegeln kann - der von seinem Blickpunkt die Frau dann auch nie verstehen wird. Die Welt der Geschlechterdifferenz sei heillos entzaubert. Wie schade.
Wie schade?! Wir sollten wirklich nur froh darüber sein. Wer heute nach Asymmetrie der Geschlechter schreit, übersieht, dass die nur solange Spaß macht, wie sie auf dem sicheren Boden der Gleichberichtigung inszeniert werden kann. Hinter der heutigen Sehnsucht nach Codes für weibliche Unverwechselbarkeit steckt vermutlich historische Ahnungslosigkeit.
Die old-school Feministinnen kannten die Ikonografie der abendländischen Kultur ziemlich genau, und sie hatten allen Grund Gleichheit in allen Lebenslagen zu fordern. Wer würde heute, wenn Weiblichkeit per definitionem immer noch unergründlich und geheimnisvoll wäre, diesem Gefäß ohne Boden schon Verantwortung zubilligen? Wer würde einer Frau, die ihrem Wesen nach oder aus Sicht des Mannes als unbegreiflich gelte, schon die Macht des Staates übertragen?
Wenn heute irgendeiner verloren gegangenen Weiblichkeit nachgetrauert wird, passt das allerdings wunderbar in unseren entpolitisierten Alltag. Wem die Gleichheit der Lebensbedingungen der Geschlechter kein hohes Gut sondern eine Last ist, zeigt, dass er oder sie Gesellschaft aus der Perspektive des Höchstprivaten betrachtet. Knisternde Sprach- und Verständnislosigkeit haben nur in der Erotik etwas zu suchen. Asymmetrie zwischen den Geschlechtern kann sexy sein, aber eben auch nur sexy. Kein Grund einer Investmentbankerin sein Geld anzuvertrauen.
Aber hat uns der Feminismus mit seiner Gleichmacherei dann nicht wenigsten den Spaß an der Liebe verdorben? An diesem Spiel: "Ich weiß nicht wer du bist, deshalb begehre ich dich"? Was für ein Unsinn. Die Liebe war noch nie ein Wunder, das vom Himmel fiel, sondern eine Form der Kommunikation, die auf Kultur angewiesen ist. Sie ist ohne Konventionen und Codierungen gar nicht möglich, und jetzt steht sie eben nicht mehr unter den Vorzeichen der Minne oder der Passion oder der Empfindsamkeit sondern des Feminismus.
Dessen große Lehre an uns Frauen war bekanntlich: Du kannst alles sein. Sexy, klug, schwach, stark. Rätselhaft, kapriziös, hart, schön, vernünftig. Männlich. Weiblich. In Zeiten des Postfeminismus hat sich doch längst gezeigt, dass traditionelle Weiblichkeit neben völlig neuen Identifikationsmustern als Möglichkeit von vielen überlebt hat. Madonna hat vorgemacht wie das gehen soll. Wenn uns der Feminismus ein Problem beschert hat, dann liegt es wohl eher hier, in der Grenzenlosigkeit dessen, was wir jetzt sein können.
Aber zu glauben, wir könnten jetzt auf den Feminismus ganz verzichten, weil wir angeblich zu gleich geworden seien, ist ungefähr so naiv, wie zu behaupten, jetzt, wo wir alle wählen dürfen, brauchten wir die Demokratie nicht mehr zu pflegen. Alexis de Tocqueville urteilte einmal: die Demokratie sei nicht perfekt, aber die beste aller Möglichkeiten. So ist es auch mit dem Feminismus. Er war nie vollkommen. Aber wie sähe die Alternative aus?
Christiane Zschirnt, geb. 1965 in Bremen, studierte Anglistik, Literaturwissenschaft und Kunstgeschichte in Hamburg. Sie lebt als freie Autorin in Berlin und schreibt für Presse und Rundfunk. Ihre Buchveröffentlichungen: "Shakespeare-ABC" (2000) und "Bücher. Alles was man lesen muss" (2003).