Feldforschung mit Kamera
Seit 30 Jahren gelingt der Fotografin Herlinde Koelbl mit ihrer Kamera empirische Feldforschung. Nach Politikern und Journalisten nahm sie Wohnzimmer und Schlafzimmer und ihre Bewohner in verschiedenen Ländern ins Visier. Im Museum für Kommunikation in Frankfurt/M. sind sie zu betrachten.
"Starke Frauen", "Männer", "Opfer", "Feine Leute", "Jüdische Porträts", "Die Meute" - das sind die Titel auf den Einbänden von Herlinde Koelbls Fotobüchern. Sie versprechen das, was die Fotografin seit 1976 liefert. Fotografien der Mächtigen und der Ohnmächtigen. Unvergesslich. Und eindrücklicher als jede mehrhundertseitige soziologische Studie sie beschreiben könnte:
Zu beobachten wie Angela Merkels Blick sich von Foto zu Foto stechender und selbstbewusster auf die Kamera richtet. Wie Gerhard Schröders Mundwinkel sich Jahr für Jahr tiefer und abschätziger ins Gesicht graben. Oder wie Joschka Fischer - im ersten Foto noch über den Stahlrohrsessel quellend - sich durch reine Willensanstrengung ganze Zentner vom Leib joggt. Das zeigt den Typus des Machtmenschen so brutal hart wie er beziehungsweise sie nun einmal werden muss, um sich im Geschäft der Politik durchsetzen zu können.
Schon lange bevor Herlinde Koelbl anfing zu fotografieren, hat sie sich mit Verhaltensforschung beschäftigt. Sie will Menschen verstehen. Einen Berg würde sie nie fotografieren, sagt sie, und geht bei ihrer Arbeit fast wie eine Soziologin vor. Gezielt sucht sie sich eine Untersuchungsgruppe: Schriftsteller, Journalisten oder auch Fernseh-Kommissarinnen. Recherchiert, liest, beobachtet ausdauernd. Versucht, so nah wie möglich ranzukommen - lange Brennweiten verwendet die Fotografin fast nie. Je unverwundbarer und unnahbarer sich ihr Studienobjekt in der Öffentlichkeit präsentiert, desto hartnäckiger wird es verfolgt.
Den Berliner Journalisten zum Beispiel hat Herlinde Koelbl vor vier Jahren für ihren Film "Die Meute" ein halbes Jahr lang nachgestellt. Sie hat das aggressive Wegdrücken des Kollegen im Pulk der Meute registriert. Das nervöse Zittern von Fingern. Durchgeschwitzte Hemden. Und einen Willen zur Macht hat sie entdeckt, der dem der Politiker erschreckend ähnlich sei.
Solche Entdeckungen sind Herlinde Koelbls ganzes Beuteglück. Für sie lohnt es sich, fünf, sechs oder auch acht Jahre dem Studium von Masken zu widmen, hinter denen irgendwann - in einem kurzen, glücklichen Moment - der Mensch zum Vorschein kommt.
Das Gespräch mit Herlinde Koelbl zur Ausstellung ihrer Wohn- und Schlafzimmer-Bildern können Sie bis zu acht Wochen nach der Sendung in unserem Audio-On-Demand-Player hören.
Service:
Die Ausstellung "Schlafzimmer. Wohnzimmer - Fotografien von Herlinde Koelbl" ist bis zum 15. Januar 2006 im Museum für Kommunikation in Frankfurt/M. zu sehen. Das Fotobuch "Schlafzimmer - London, Berlin, Moskau, Rom, Paris" ist im Knesebeck Verlag erschienen.
Zu beobachten wie Angela Merkels Blick sich von Foto zu Foto stechender und selbstbewusster auf die Kamera richtet. Wie Gerhard Schröders Mundwinkel sich Jahr für Jahr tiefer und abschätziger ins Gesicht graben. Oder wie Joschka Fischer - im ersten Foto noch über den Stahlrohrsessel quellend - sich durch reine Willensanstrengung ganze Zentner vom Leib joggt. Das zeigt den Typus des Machtmenschen so brutal hart wie er beziehungsweise sie nun einmal werden muss, um sich im Geschäft der Politik durchsetzen zu können.
Schon lange bevor Herlinde Koelbl anfing zu fotografieren, hat sie sich mit Verhaltensforschung beschäftigt. Sie will Menschen verstehen. Einen Berg würde sie nie fotografieren, sagt sie, und geht bei ihrer Arbeit fast wie eine Soziologin vor. Gezielt sucht sie sich eine Untersuchungsgruppe: Schriftsteller, Journalisten oder auch Fernseh-Kommissarinnen. Recherchiert, liest, beobachtet ausdauernd. Versucht, so nah wie möglich ranzukommen - lange Brennweiten verwendet die Fotografin fast nie. Je unverwundbarer und unnahbarer sich ihr Studienobjekt in der Öffentlichkeit präsentiert, desto hartnäckiger wird es verfolgt.
Den Berliner Journalisten zum Beispiel hat Herlinde Koelbl vor vier Jahren für ihren Film "Die Meute" ein halbes Jahr lang nachgestellt. Sie hat das aggressive Wegdrücken des Kollegen im Pulk der Meute registriert. Das nervöse Zittern von Fingern. Durchgeschwitzte Hemden. Und einen Willen zur Macht hat sie entdeckt, der dem der Politiker erschreckend ähnlich sei.
Solche Entdeckungen sind Herlinde Koelbls ganzes Beuteglück. Für sie lohnt es sich, fünf, sechs oder auch acht Jahre dem Studium von Masken zu widmen, hinter denen irgendwann - in einem kurzen, glücklichen Moment - der Mensch zum Vorschein kommt.
Das Gespräch mit Herlinde Koelbl zur Ausstellung ihrer Wohn- und Schlafzimmer-Bildern können Sie bis zu acht Wochen nach der Sendung in unserem Audio-On-Demand-Player hören.
Service:
Die Ausstellung "Schlafzimmer. Wohnzimmer - Fotografien von Herlinde Koelbl" ist bis zum 15. Januar 2006 im Museum für Kommunikation in Frankfurt/M. zu sehen. Das Fotobuch "Schlafzimmer - London, Berlin, Moskau, Rom, Paris" ist im Knesebeck Verlag erschienen.