Feinstaubmessung per Rad

Dicke Luft in Berlin

Ein Radfahrer fährt am 17.10.2011 durch den Grunewald in Berlin.
Ein Radfahrer fährt durch den Grunewald in Berlin © dpa / picture alliance / Özlem Yilmazer
Von Joachim Baumann · 30.06.2015
Potsdamer Wissenschaftler radeln durch Berlin, ausgerüstet mit Feinstaubdetektoren, um den vielfältigen Ursachen der Luftverschmutzung auf die Spur zu kommen. Joachim Baumann hat die Chemikerin Erika von Schneidemesser auf ihrer Fahrt begleitet.
Fahrrad fahren ist so gesund, man tut etwas für seinen Bewegungsapparat und atmet die frische Luft in tiefen Zügen... Es sei denn, man steht an einer Ampel hinter anfahrenden Autos
Um herauszufinden, wie stark die Feinstaubbelastung an verschiedenen Stellen einer Großstadt ist, radle ich erst mal nach Potsdam ins Institut für Nachhaltigkeit IASS. Dort treffe ich die Chemikerin Erika von Schneidemesser. Sie weiß darüber bestens Bescheid. Die Deutsch-Amerikanerin hatte die Idee, sich auf ihr Fahrrad zu setzen und mit einem speziellen Gerät in der Satteltasche wurde sie zur mobilen Messstation.
Erika von Schneidemeister: "Das ermöglicht Messungen der Luftqualität, wo man mit dem Auto nicht hinkommen kann."
Hier, vom Institut in Potsdam bis zu ihrer Wohnung in Berlin Friedrichshain sind es rund 35 km. Mehrmals die Woche ging es am Wannsee vorbei durch den Grunewald und in die Berliner Innenstadt. Kollegen hatten Interesse und machten mit.
"Wir hatten zwei Geräte dabei, beide waren Partikelanzahlmessgeräte, wir hatten dazu noch eine Kamera mit GPS, so dass wir dann später bei der Analyse der Daten mehr dazu sagen können. Ist da ein peak an einer Kreuzung oder fährt gerade ein Mofa vorbei oder ein Bus."
Auf ihrem Computermonitor sind die verschiedenen Messstrecken grafisch abgebildet, rot kennzeichnet Stellen hoher, gelb geringer Feinstaubbelastung. Viele Faktoren spielen dabei eine Rolle: Wind, Luftfeuchtigkeit, Tageszeit, Grünflächen.
"Partikel in der Luft haben natürliche Quellen wie auch antropogen. Das kann von Autos sein oder Staub, der aufgewirbelt ist, auch Kohlekraftwerke, solche Sachen."
Ihre Messungen sollen einmal Städte- und Gebäudeplanern bei Standortfragen unterstützen, aber auch Informationen für Politiker liefern, die sich mit dem Thema Umweltzone oder Fahrverbot in Innenstädten befassen. Feinstaub, so heißt es, sei für den Menschen gefährlicher als Zigarettenrauch. Die Teilchen sind sehr klein, manche ein hundertstel Millimeter andere kleiner als ein Tausendstel.
"Die kleineren Partikel sind generell mehr gesundheitsgefährdend als die größeren. Das kommt daher, weil die größeren nicht so weit in die Lunge vordringen können oder ins Blut wie die ganz kleinen Partikel."
Mehr Ozon in größeren Grünanlagen
Interessante Ergebnisse erhoffen sich die Wissenschaftler von den Ozonmessungen. Es ist bekannt, dass gerade in größeren Grünanlagen die Ozonkonzentration erhöht sein kann.
"Da wollten wir verstehen, welche Rolle die Pflanzen in Berlin haben. Weil Pflanzen emittieren flüchtig-organische Verbindungen und die sind Vorläuferverbindungen für die Ozonbildung. Aber das heißt auch nicht, dass wir alle Bäume abhacken sollen."
Natürlich fahre ich mit Erika von Schneidemesser die Strecke von Potsdam bis Berlin Mitte per Rad zurück, diesmal allerdings ohne Messgeräte. Die Chemikerin hat sich sportlich gekleidet, kurze Radlerhose, T-Shirt.
Jetzt haben wir hier eine relativ ruhige Straße, viel Grün. Was meinen Sie, wie ist hier die Feinstaubbelastung?
"Ja, hier ist die Partikelbelastung ziemlich niedrig, im Moment fährt auch kein Auto vorbei. Wenn ein Mofa vorbei fahren würde, würde es einen kleinen peak geben, aber generell ist das nicht eine so belastete Straße und es gibt n bischen Wind heute.. Und stuckern tut's... Ja."
Sie legen ja häufig viele Kilometer mit dem Fahrrad in Berlin zurück zur Arbeit nach Potsdam, denken Sie eigentlich bei jedem Auto, das vor Ihnen fährt, wieviel Feinstaub sie jetzt einatmen?
"Normalerweise nicht. Wenn ich es riechen kann, dann ja, dann merk ich es schon. Und dann versuch ich, den Atem anzuhalten, obwohl das wohl überhaupt nichts hilft zu der Zeit, weil dann hab ich es schon gerochen."
Nun sind wir ja im schönen Grunewald, neben uns die Avus, die Autobahn. Ist ja auch nicht grad schön für die Atmung, oder?
"Wahrscheinlich nicht, aber wir sind ja auch mehrere Meter entfernt und wenn die Windrichtung richtig ist, werden wir es auch nur wenig spüren."
So, wir haben es geschafft bis zum Kurfürstendamm vor dem KaDeWe, hier riecht es schon nicht mehr so gut.
"Ja, hier kann man deutlich die Emission auch riechen. Im Vergleich zum Grunewald merkt man hier z.B. den Touristenbus, das kann man jetzt schon riechen."
Wie viel Kleinstpartikel haben wir in den eineinhalb Stunden jetzt eingeatmet?
"Keine Ahnung, Millionen!"
Na dann, gutes weiterradeln!
"Danke, ebenfalls."
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