Fein gesponnene Intrigen

29.02.2008
Während der Zeit des Absolutismus waren es nicht nur Könige, die die Geschicke ihres Landes bestimmten. Benedetta Craveri zeigt in materialreichen Charakterstudien, wie Mätressen und Geliebte die Politik der Herrscher entscheidend beeinflussten und mitunter dafür sorgten, dass die Balance der Macht erhalten blieb.
Eine Hetäre galt schon in der Antike als gebildete und sozial anerkannte Frau, die den Männern als treue Gefährtin körperlich wie geistig zu Diensten war. Und so entscheidet sich auch Rainer Maria Rilke in seinem Gedicht "Die Flamingos" von 1907 für die griechische Hetäre Phryne, um den geheimnisvollen Akt purer Verführung anschaulich zu machen. Ob griechische Hetären, italienische Kurtisanen oder Mätressen in den Königshäusern Englands, Frankreichs und am deutschen Hofe, die Weltgeschichte wäre ohne sie um einen beträchtlichen Teil ärmer.

Nachdem sich die Amerikanerin Eleanor Herman 2004 in ihrem Buch "Im Bett mit dem König" ausführlich mit der Geschichte der königlichen Mätressen beschäftigt hat, widmet sich die italienische Literaturwissenschaftlerin Benedetta Craveri der Macht jener Frauen, die als Königinnen und "maîtresse en tître" - offizielle Mätressen - europäische Geschichte schrieben. Namen wie Katharina de Medici, Anna von Österreich sowie Marquise de Pompadour und Marie Antoinette stehen dabei im Mittelpunkt. Sie legen die Spur zu einem dichten Netz von Machtverhältnissen, das vom 16. bis zum 18. Jahrhundert über Europa lag. Während der Zeit des Absolutismus funktionierten die Mätressen als hilfreiche Ventile, die das stickige Klima am Hofe kompensieren halfen. Erst die Emanzipationsbestrebung des Bürgertums gegen den Adel degradierte die französische Bezeichnung für "Meisterin" zum Schimpfwort.

Benedetta Craveri verweist im Titel auf ihren thematischen Zugang. In der Analyse weiblicher Machtausübung beschränkt sie sich nicht nur auf die Königinnen, sondern rückt mit den Mätressen eine andere, nicht weniger bedeutsame weibliche Bewegung ins Blickfeld. Craveri geht es um Mut, Intelligenz und Kreativität der französischen Frauen des Ancien régime, die "Schwäche in Stärke zu verwandeln" wussten und "einen Zustand der Unterlegenheit als Trumpf" ausspielten. Dabei arrangierten sich Königinnen und Mätressen oft vortrefflich.

Als Paradebeispiel für eine schlaue und weitsichtige Allianz gilt das Vorgehen Diana de Poitiers, die als Mätresse Heinrich II. (1516-1559) den Fortbestand seiner Ehe mit Katharina de Medici (1519-1589) sicherte. Geübt im Umgang mit der Kunst erotischer Verführung, war sie ebenso um die Gunst der Königin bemüht und somit die engste Vertraute des Herrscherpaares.

Dass die fein gesponnenen Intrigen und weiblichen Feldzüge stets sublim, aber nur selten mit lauteren Mitteln vollzogen wurden, vermittelt im 17. Jahrhundert die "Giftaffäre". Da Madame de Montespan, die langjährige Mätresse Ludwig XIV., in diese spektakuläre Mordlegende Frankreichs verwickelt war, führten die Ermittlungen direkt in die Hofgesellschaft von Versailles.

Benedetta Craveri sichtet in ihrem Buch ein breites Spektrum von Perspektiven, mit denen Historiker, Biographen und Romanautoren das Thema bislang behandelten. Mit selbstbewusster Hand zeichnet sie in ihren materialreichen Charakterstudien, die drei Jahrhunderte umfassen, ein Tableau, auf dem Sitte und Sexus, Geburt und Tod für eine charismatische Grundierung sorgen.

Rezensiert von Carola Wiemers

Benedetta Craveri: Königinnen und Mätressen. Die Macht der Frauen - von Katharina de' Medici bis Marie Antoinette
Aus dem Italienischen von Annette Kopetzki.
Hanser Verlag 2008
476 Seiten. 24,90 Euro.