Feiern unter Aufsicht

Von Johannes Nichelmann · 09.11.2013
Unzählige Schulklassen kommen nach Berlin, um sich die geschichtsträchtigen Orte anzusehen. Doch Berlin ist auch Europas Partyhauptstadt. In einem angesagten Club dürfen die minderjährigen Touristen feiern wie die Großen.
Türsteher: "Jungs, langsam eintreten und nicht zu wild auf den Tischen tanzen! Wo wart ihr heute? Wart ihr heute im Bundestag?"
Schüler: "Ja! Ja."
Türsteher: "War gut?"
Schüler: "Ja, war gut."

Ein Donnerstag Abend, 20 Uhr. Vor dem Berliner Club "Matrix" steht ein echter Türsteher - groß, kräftig, mit schwarzer Wollmütze. Heute soll der aber nur echtes Partyfeeling verbreiten. Hunderte von Schülerinnen und Schülern aus ganz Deutschland wollen in den Club. Gemeinsam mit ihren Lehrerinnen und Lehrern, die fast alle große Rucksäcke über der Schulter tragen, geht es zur Schülerdisko "D-light". Der letzte Abend für die meisten, bevor es am nächsten Tag mit dem Bus zurück nach NRW, Bayern oder Niedersachsen geht. Das Highlight auf der Klassenfahrt für viele der minderjährigen Hauptstadtbesucher. Auch für den kräftigen Türsteher eine beliebte Abwechslung zum normalen Publikum:

"Äh... die sind ein bisschen lebensfroher. Sind nicht ganz so deprimiert."

Er lässt zwanzig 15- bis 16-Jährige in den Club. Eine Klasse aus Paderborn. Die Mädchen und Jungen blicken ihn ehrfürchtig an.

Ein paar Meter weiter muss sich die Klasse der Willy-Brandt-Gesamtschule Castrop-Rauxel noch etwas gedulden. Eine junge Mitarbeiterin der Schülerdisko stellt sich mit Klemmbrett und Armbändern in der Hand vor die aufwändig geschminkten Mädchen und die mit reichlich Haargel zurecht gemachten Jungen. Eine leichte Parfümwolke liegt in der Luft.

Angestellte: "Also, einmal kurz aufpassen, bitte! Dann gehts auch gleich rein. Ihr kriegt von mir im Anschluss orangene Bändchen. Macht Euch die ums rechte Handgelenk. Helft Euch ein bisschen dabei. So gehts am schnellsten. Orange bedeutet, dass ihr keinen Alkohol kaufen könnt. Die Bändchen zeigt ihr dann bitte vorne an der Tür dem Türsteher. Gut. Dann gibts jetzt die Bändchen von mir und danach könnt Ihr euch dann mit euren Lehrern dort anstellen."

Die Gesichter der Partygäste verraten für einen kurzen Moment etwas Enttäuschung. Grüne Armbänder wären allen lieber gewesen. Aber immerhin, sagt eine, wir bekommen zwei Freigetränke. Auch wenn es nur Cola ist. Heike Wenzel-Busch, die Lehrerin, lächelt und übergeht die Unkenrufe ihrer Schüler. Die sind am Vormittag noch dem Berliner Mauerweg entlang gewandert. Aber die Lehrerin hat gemerkt, dass sie mit dem Kopf schon längst den Abend herbeigesehnt haben.

"Ja, indem sie aufgeregt hin und her gelaufen sind und sich angehübscht haben und aufgehottet haben und ähm… joa."

Die Klasse macht sich auf den Weg in den Club. 5,50 Euro pro Schüler, Eintritt für die Lehrer frei. Insgesamt 1.200 junge Berlin-Besucher werden hier heute feiern. Am Eingang steht Alexander Müller, 47 Jahre alt. Auch er trägt ein Klemmbrett und Armbänder in den Händen. Vor acht Jahren hatte er die Idee, für Klassenfahrten Partys auszurichten:

"Es wurde in den letzten Jahren immer komplizierter, dass Jugendliche in die Disko können, wenn sie auf Klassenfahrt sind. Wir haben ein Konzept entwickelt, dass wir uns in einen der Top3-Clubs hier in Berlin einmieten. Eine geschlossene Veranstaltung machen. Nur für angemeldete Schulklassen, die auf Klassenfahrt sind."

Bisher, sagt er noch, gibt es keine Konkurrenz. Ein gutes Geschäft, denn Klassenfahrten nach Berlin werden fast ganzjährig unternommen. Und in München veranstaltet Alexander Müller ebenfalls solche Partys.

Im Club. Es ist dunkel. Bunte Scheinwerfer sorgen für ein wenig Orientierung. Diskokugeln, Gedränge an den Bars und tanzende Jugendliche überall. Nur wenige sitzen gelangweilt in den Ecken und scheinen zu hoffen, das die nächsten vier Stunden rasch vorüber gehen. Um Mitternacht ist nämlich Schluss. Justus aus Dortmund findet das alles gelungen.

"Ne richtige Party macht für mich aus, dass alle Leute gut drauf sind, die Musik da ist, genug Getränke und die Stimmung allgemein stimmt."

Die üblichen Dinge beschäftigen ihn und seine Freunde. Die Top-Themen unter den Tanzenden:

"Dass ich noch kein Alkohol trinken darf. Aber sonst alle Getränke."
"Mega scheiße! Ja, tanzen, Weiber klar machen und so."

Etwas abseits, in einem großen Nebenraum sitzen die Lehrerinnen und Lehrer auf Bierbänken und nippen an ihren Freigetränken. Ihre Rucksäcke zwischen die Beine geschoben und in Grüppchen versammelt, lassen sie die Schülerinnen und Schüler weitestgehend in Ruhe. Heike Wenzel-Busch und ihr Kollege von der Gesamtschule aus Castrop-Rauxel sind schon zum zweiten Mal hier.

Wenzel-Busch: "Ich sag mal, auf der einen Seite bin ich geneigt, rüber zu gehen und mit denen da so ein bisschen zu feiern. Andererseits denke ich mir: Gott sei Dank, hier ist es nicht so laut. Auf jeden Fall ist die Idee, die hier jemand hatte, ich denke, sehr lukrativ. Die Schüler haben was davon. Immer ist es schön ausgebucht. Joa."
Kollege: "Man muss ja auch sehen, die haben die ganze Woche wirklich ein dichtes, anstrengendes Programm. Und dann sollen die auch mal einen Abend dabei haben, wo die dann so richtig Spaß haben."

Sie blicken auf die Uhr, noch eineinhalb Stunden. Wenn ich mich so umblicke, sagt Mathematiklehrerin Frau Wenzel-Busch, sehen die meisten Kollegen der anderen Schulen hier recht traurig aus, wie sie auf ihre Getränke starren. Und dann will sie doch mal rüber gehen und gucken, was so passiert.

Mit nach oben gerissenen Händen tanzen die 1.200 Jugendlichen wie die Großen. Einziger Unterschied zum normalen Betrieb in diesem Berliner Club ist vielleicht die Parfümwolke, die sich nach wie vor hartnäckig in der Luft hält. Als um Mitternacht alles vorbei ist, warten draußen schon die Profis des Nachtlebens, um den Club zu übernehmen.