Federico García Lorcas Spanien

Die Erfindung Andalusiens

Ein Foto des Schriftstellers Federico Garcia Lorca.
Prägte Spaniens Image weltweit: Der Schriftsteller Federico Garcia Lorca. © imago/GranAngular
Von Stefan Wimmer · 19.08.2016
Flamenco, Leidenschaft, die Macht des Sinnlichen: Mit zwei frühen Lyrikbänden prägte Federico García Lorca das Bild Spaniens in der Welt - und wurde zum meistgelesenen Dichter seines Heimatlandes.
Federico García Lorca, 1898 als Sohn eines reichen Zucker-Barons geboren, wuchs im fruchtbaren Umland von Granada auf, in der sogenannten Vega. Schon früh war klar, dass er Dichter werden wollte. Doch Lorcas erstes Buch, eine Sammlung von Reise-Skizzen, liegt wie Blei in den Buchhandlungen. Ganz abgesehen von der Tatsache, dass für die Drucklegung sein Vater aufkommen musste!

Schlicht und betörend schön

"Der Guadalquivir fließt
durch Orangen- und Olivenfelder.
Die zwei Flüsse Granadas
sprudeln vom Schnee hinab zum Weizen.
Liebe, die verschwand
und nie wiederkehrte!"
So schlicht, aber auch betörend schön beginnt einer der bedeutendsten Lyrikbände Spaniens. Federico García Lorcas "Poema del cante jondo", auf Deutsch "Dichtung des tiefen Gesangs", ist neben seinem anderen Gedichtband "Zigeunerromanzen" eines der populärsten Bücher in Spanien. Heute – fast 90 Jahre nach ihrer Abfassung – sind die zwei frühen Lyrikbände Lorcas in Spanien Schullektüre und haben für eine umfangreiche Sekundärliteratur gesorgt.

Spaniens Image weltweit geprägt

Davon träumt wahrscheinlich jeder Dichter: Mit "Romancero Gitano" und "'Poema del Cante jondo" gelang es Lorca, zum meistgelesenen Schriftsteller seines Heimatlandes zu werden. Und nicht nur das: Er prägte damit das Bild Spaniens in der Welt. Es ist ein Spanien des Flamencos, der Leidenschaft, des Schmerzes und der sinnlichen Macht.
Der irische Autor und Hispanist Ian Gibson, aufgenommen während eines Interviews am 16.8.2016 in Madrid
Der irische Autor und Hispanist Ian Gibson verliebte sich regelrecht in die Literatur Lorcas.© picture alliance / dpa / Chema Moya
Für den irischen Lorca-Biografen Ian Gibson war dieses Spanienbild der Ausschlag, seine eigene Stadt zu verlassen und nach Andalusien umzuziehen:
"Mir empfahl ein Lehrer in Irland kurz vor meinem Sprachstipendium in den 50er-Jahren, Lorcas 'Zigeuner-Gedichte' zu lesen, und schon nach wenigen Seiten war ich überwältigt, hingerissen! Ich wusste sofort: Das ist mein Dichter! Als Ire fiel es mir wahrscheinlich leichter, Lorca zu verfallen, weil die irische Literatur wie die Lorcas sehr erdverbunden ist, verwurzelt in Andalusien, in den Volksweisen, in der Musik. Und mit Lorca war es dann einfach Liebe auf den ersten Blick."

Bis heute Gegenstand vieler Huldigungen

Lorca selbst hat die Liebe zu Andalusien das Leben gekostet. Als der Gefühlsanarchist und Republikaner im August 1936 kurz vor Ausbruch des spanischen Bürgerkriegs von Madrid nach Granada reist, um seine Eltern zu besuchen, warnen ihn seine Freunde wegen der angespannten politischen Situation. Lorca hat in diesen Tagen – so Ian Gibson – bereits ein Schiffsticket nach Mexiko in der Tasche, er möchte dort eine Theatertournee durchführen. Am 16. August wird er im Haus eines Freundes von einer faschistischen Todesschwadron aufgespürt, verhaftet und wenige Tage später im Morgengrauen vor der Stadt Granada erschossen
Noch heute sind die zwei Gedichtbände Lorcas Gegenstand zahlloser Huldigungen - von musikalischen Flamenco-Projekten bis zu universitären Kongressen.
Welche Mystifikationen liegen dem lyrischen Andalusien zugrunde, das der vor 80 Jahren gestorbene Lorca erschuf? Und welche Rolle spielten dabei die europäische Romantik, der Surrealismus und seine Homosexualität?
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