FDP sieht Grundrechte gefährdet
Der FDP-Sicherheitsexperte Max Stadler befürchtet nach den jüngsten Terroranschlägen eine zunehmende Geringschätzung der Grundrechte. Der Präventivstaat drohe in den Überwachungsstaat abzugleiten, wenn zunehmend auch ohne konkreten Verdacht ermittelt werde, sagte Stadler.
Ricke: Haben angesichts des Terrors diejenigen Recht, die jetzt sagen, Sicherheit geht vor Freiheit?
Stadler: Nein, das ist eine verkürzte Formulierung. Wir müssen alles daran setzen, Sicherheit zu gewährleisten in Freiheit. Das heißt, die beiden Ziele sind gleichrangig. Natürlich haben die Menschen einen Anspruch darauf, dass der Staat alles, was er kann, tut, um Sicherheit in dem Maße, in dem es überhaupt möglich ist, denn absolute Sicherheit gibt es nicht, zu gewährleisten, aber wir müssen uns in einem Rechtsstaat auch darüber klar sein: der Staat darf sich dabei nicht aller Mittel bedienen. Das ist ja gerade die Funktion der Grundrechte, dass der Staat eben nicht in alle Privatrechte von Bürgern eingreifen darf, auch nicht um eines so hohen Ziels wie der inneren Sicherheit willen.
Ricke: Wir diskutieren aber seit den Anschlägen des 11. September über die Verletzlichkeit offener Gesellschaften. Mehr Kontrolle kann anscheinend mehr Sicherheit bringen und wenn es die abschreckende Wirkung eines schnellen Fahndungserfolgs ist, Stichwort flächendeckende Kameraüberwachung.
Stadler: Leider bringt mehr Kontrolle nicht automatisch mehr Sicherheit. Wir haben ja gesehen - und ich sage das mit sehr großem Bedauern - dass die vielen Überwachungsmaßnahmen, die es in Großbritannien gibt, die dort wirklich flächendeckende Videoüberwachung, Anschläge nicht verhindert hat. Dasselbe gilt übrigens für Ägypten: es ist ein Land, wer es schon einmal bereist hat, in dem sehr strikte Sicherheitsmaßnahmen eingehalten werden. Richtig ist - und das macht die Diskussion nicht leichter - dass man natürlich mit Videobildern auch wieder Fahndungsansätze bekommen kann, deswegen sind ja auch solche Überwachungsmaßnahmen nicht gänzlich abzulehnen. Aber wir müssen uns eine Grundsatzfrage schon stellen: Kann es richtig sein, dass wir ohne Verdacht unterschiedslos alle Menschen laufend überwachen würden? Ich nenne ein Beispiel: Niemand käme auf die Idee, dass es zulässig sein darf, einfach jede Wohnung auf Verdacht zu untersuchen, ob sich dort vielleicht Beweismittel für noch völlig unbekannte künftige Straftaten finden, sondern da braucht man eben einen konkreten Verdacht und dann ist eine Hausdurchsuchung gerechtfertigt. Und diese Grundlinie müssen wir doch weiterhin versuchen, einzuhalten.
Ricke: Wo verläuft denn Ihrer Meinung nach die Grenze zwischen notweniger Maßnahme zur Terrorabwehr und nicht hinnehmbare Bürgerrechtseinschränkung? Zwischen einer biometrischen Datenbank und dem Bankgeheimnis?
Stadler: Das Bankgeheimnis hat mit der terroristischen Gefahr jetzt nichts zu tun. Hier ist vom Gesetzgeber eine Regelung geschaffen worden, die in dieser Form unakzeptabel ist. Sie betrifft alle Bürger, nämlich dass in Bankdaten und auch in die Inhalte von Bankkonten ohne richterlichen Beschluss eingegriffen werden darf und ohne dass das Gesetz vorschreibt, die Betroffenen anschließend zu benachrichtigen. Das zeigt aber auch, wie sehr das Bewusstsein für die Grundrechte geschwunden ist, denn eine solche Gesetzesfassung wäre vor einigen Jahren noch nicht denkbar gewesen. Ich glaube aber, wir werden morgen eine wichtige Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts bekommen zur Grundsatzfrage. Nämlich bisher war es die Leitlinie von Polizeiarbeit, dass man konkret drohende Gefahren abzuwehren versucht hat. Deswegen hat man auch eingegriffen, beispielsweise mit einer Telefonüberwachung, wenn eine Gefahr konkret drohte. Heute sagen die Sicherheitsexperten, man muss immer mehr im Vorfeld ermitteln. Das mag sein, aber dann lassen sich eben auch die Grenzen nicht mehr definieren, dann stellt sich die Frage, welche Telefonverbindungsdaten sind zu speichern? Die von den letzten drei Monaten, zwei Jahren oder fünf Jahren? Man hat dann keine Abgrenzung mehr und da droht schon der Präventivstaat in den Überwachungsstaat immer mehr abzugleiten.
Ricke: Jetzt hat Ihre Partei, die FDP, gestern ihr Wahlprogramm vorgestellt, darin sind die Bürgerrechte auch aufgeführt, allerdings erst nach den Themen Arbeit, Wohlstand, Bildung und Innovation. Sind die Bürgerrechte nur ein Feigenblatt oder etwas, was man vielleicht eingeplant dann opfert, wenn man sich mit Herrn Beckstein, den Sie gut kennen, in eine Koalition begibt nach einem möglichen Wahlsieg im September?
Stadler: Die Themen in einem Wahlkampf werden von den Menschen, den Bürgerinnen und Bürgern selber bestimmt und an erster Stelle steht die Frage: Wer hat die besseren Konzepte, dass die Wirtschaft in Deutschland wieder in Gang kommt. Die FDP nimmt für sich in Anspruch etwa durch ihr Steuersenkungskonzept für neue Arbeitsplätze zu sorgen, aber gleichberechtigt steht diese zentrale Auseinandersetzung um den freiheitlichen Gehalt unserer Gesellschaft, denn darum geht es. Es gibt eine Tendenz, die ich ganz gut verstehen kann, weil natürlich jeder Angst hat vor terroristischen Anschlägen, es gibt eine Tendenz, Grundrechte geringer zu schätzen als in der Vergangenheit und da ist es die Aufgabe einer liberalen Partei, dem entgegenzutreten und das tun wir. Übrigens weil Sie Herrn Beckstein erwähnt haben: Ich habe ihn oft kritisiert, weil er immer wieder den Vorschlag gemacht hat, den ich für verfassungswidrig halte, Personen, gegen die man nicht den Beweis einer Straftat hat, dennoch bis zu zwei Jahren sozusagen in eine Art Vorbeuge- oder Sicherheitshaft zu nehmen. Er hat diesen Vorschlag im CDU/CSU-Wahlprogramm nicht wiederholt, das zeigt also auch, dass Kritik von liberaler Seite dann doch auch Wirkung zeigt.
Stadler: Nein, das ist eine verkürzte Formulierung. Wir müssen alles daran setzen, Sicherheit zu gewährleisten in Freiheit. Das heißt, die beiden Ziele sind gleichrangig. Natürlich haben die Menschen einen Anspruch darauf, dass der Staat alles, was er kann, tut, um Sicherheit in dem Maße, in dem es überhaupt möglich ist, denn absolute Sicherheit gibt es nicht, zu gewährleisten, aber wir müssen uns in einem Rechtsstaat auch darüber klar sein: der Staat darf sich dabei nicht aller Mittel bedienen. Das ist ja gerade die Funktion der Grundrechte, dass der Staat eben nicht in alle Privatrechte von Bürgern eingreifen darf, auch nicht um eines so hohen Ziels wie der inneren Sicherheit willen.
Ricke: Wir diskutieren aber seit den Anschlägen des 11. September über die Verletzlichkeit offener Gesellschaften. Mehr Kontrolle kann anscheinend mehr Sicherheit bringen und wenn es die abschreckende Wirkung eines schnellen Fahndungserfolgs ist, Stichwort flächendeckende Kameraüberwachung.
Stadler: Leider bringt mehr Kontrolle nicht automatisch mehr Sicherheit. Wir haben ja gesehen - und ich sage das mit sehr großem Bedauern - dass die vielen Überwachungsmaßnahmen, die es in Großbritannien gibt, die dort wirklich flächendeckende Videoüberwachung, Anschläge nicht verhindert hat. Dasselbe gilt übrigens für Ägypten: es ist ein Land, wer es schon einmal bereist hat, in dem sehr strikte Sicherheitsmaßnahmen eingehalten werden. Richtig ist - und das macht die Diskussion nicht leichter - dass man natürlich mit Videobildern auch wieder Fahndungsansätze bekommen kann, deswegen sind ja auch solche Überwachungsmaßnahmen nicht gänzlich abzulehnen. Aber wir müssen uns eine Grundsatzfrage schon stellen: Kann es richtig sein, dass wir ohne Verdacht unterschiedslos alle Menschen laufend überwachen würden? Ich nenne ein Beispiel: Niemand käme auf die Idee, dass es zulässig sein darf, einfach jede Wohnung auf Verdacht zu untersuchen, ob sich dort vielleicht Beweismittel für noch völlig unbekannte künftige Straftaten finden, sondern da braucht man eben einen konkreten Verdacht und dann ist eine Hausdurchsuchung gerechtfertigt. Und diese Grundlinie müssen wir doch weiterhin versuchen, einzuhalten.
Ricke: Wo verläuft denn Ihrer Meinung nach die Grenze zwischen notweniger Maßnahme zur Terrorabwehr und nicht hinnehmbare Bürgerrechtseinschränkung? Zwischen einer biometrischen Datenbank und dem Bankgeheimnis?
Stadler: Das Bankgeheimnis hat mit der terroristischen Gefahr jetzt nichts zu tun. Hier ist vom Gesetzgeber eine Regelung geschaffen worden, die in dieser Form unakzeptabel ist. Sie betrifft alle Bürger, nämlich dass in Bankdaten und auch in die Inhalte von Bankkonten ohne richterlichen Beschluss eingegriffen werden darf und ohne dass das Gesetz vorschreibt, die Betroffenen anschließend zu benachrichtigen. Das zeigt aber auch, wie sehr das Bewusstsein für die Grundrechte geschwunden ist, denn eine solche Gesetzesfassung wäre vor einigen Jahren noch nicht denkbar gewesen. Ich glaube aber, wir werden morgen eine wichtige Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts bekommen zur Grundsatzfrage. Nämlich bisher war es die Leitlinie von Polizeiarbeit, dass man konkret drohende Gefahren abzuwehren versucht hat. Deswegen hat man auch eingegriffen, beispielsweise mit einer Telefonüberwachung, wenn eine Gefahr konkret drohte. Heute sagen die Sicherheitsexperten, man muss immer mehr im Vorfeld ermitteln. Das mag sein, aber dann lassen sich eben auch die Grenzen nicht mehr definieren, dann stellt sich die Frage, welche Telefonverbindungsdaten sind zu speichern? Die von den letzten drei Monaten, zwei Jahren oder fünf Jahren? Man hat dann keine Abgrenzung mehr und da droht schon der Präventivstaat in den Überwachungsstaat immer mehr abzugleiten.
Ricke: Jetzt hat Ihre Partei, die FDP, gestern ihr Wahlprogramm vorgestellt, darin sind die Bürgerrechte auch aufgeführt, allerdings erst nach den Themen Arbeit, Wohlstand, Bildung und Innovation. Sind die Bürgerrechte nur ein Feigenblatt oder etwas, was man vielleicht eingeplant dann opfert, wenn man sich mit Herrn Beckstein, den Sie gut kennen, in eine Koalition begibt nach einem möglichen Wahlsieg im September?
Stadler: Die Themen in einem Wahlkampf werden von den Menschen, den Bürgerinnen und Bürgern selber bestimmt und an erster Stelle steht die Frage: Wer hat die besseren Konzepte, dass die Wirtschaft in Deutschland wieder in Gang kommt. Die FDP nimmt für sich in Anspruch etwa durch ihr Steuersenkungskonzept für neue Arbeitsplätze zu sorgen, aber gleichberechtigt steht diese zentrale Auseinandersetzung um den freiheitlichen Gehalt unserer Gesellschaft, denn darum geht es. Es gibt eine Tendenz, die ich ganz gut verstehen kann, weil natürlich jeder Angst hat vor terroristischen Anschlägen, es gibt eine Tendenz, Grundrechte geringer zu schätzen als in der Vergangenheit und da ist es die Aufgabe einer liberalen Partei, dem entgegenzutreten und das tun wir. Übrigens weil Sie Herrn Beckstein erwähnt haben: Ich habe ihn oft kritisiert, weil er immer wieder den Vorschlag gemacht hat, den ich für verfassungswidrig halte, Personen, gegen die man nicht den Beweis einer Straftat hat, dennoch bis zu zwei Jahren sozusagen in eine Art Vorbeuge- oder Sicherheitshaft zu nehmen. Er hat diesen Vorschlag im CDU/CSU-Wahlprogramm nicht wiederholt, das zeigt also auch, dass Kritik von liberaler Seite dann doch auch Wirkung zeigt.