FDP: Lauschangriff könnte erneut vor Bundesverfassungsgericht kommen
Der ehemalige Bundesjustizminister, Edzard Schmidt-Jortzig (FDP), hat die Nachbesserung am so genannten großen Lauschangriff kritisiert. Auch diese Regelung werde vermutlich vor das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe gebracht werden, sagte Schmidt-Jortzig.
Sagenschneider: Die Zeit war knapp geworden. Hätte es keine neue Regelung bis Ende diesen Monats gegeben, dann wäre das bisherige Gesetz zum großen Lauschangriff ganz hinfällig gewesen. Aber nun hat sich eine große Koalition aus SPD, Grünen, CDU und CSU noch geeinigt, knapp vor Ablauf der vom Bundesverfassungsgericht vorgegebenen Frist. Die Karlsruher Richter hatten im vergangenen Jahr die alte Fassung in wesentlichen Teilen für verfassungswidrig erklärt und verlangt, die Mikrofone, zumindest bei Privatgesprächen abzuschalten, weil, wie es hieß, ein Kernbereich privater Lebensgestaltung abhörfrei bleiben muss. Gestern hat der Bundestag die neue Version beschlossen, heute wird dem wohl auch die Länderkammer zustimmen, wie gesagt, mit breiter Mehrheit. Gegen den großen Lauschangriff ist einzig die FDP. Ihr gehört auch Edzard Schmidt-Jorzig an, mit dem wir nun hier im Deutschlandradio Kultur darüber sprechen wollen. Er war bekanntlich bis 1990 Justizminister und ist heute Professor für öffentliches Recht an der Universität Kiel. Herr Schmidt-Jorzig, ich grüße Sie.
Schmidt-Jorzig: Einen schönen guten Morgen, Frau Sagenschneider.
Sagenschneider: Mitte der 90er Jahre, als der große Lauschangriff erstmals beschlossen wurde, da war er ja auch schon sehr umstritten gewesen. Frau Leutheusser-Schnarrenberger war ja deswegen zurückgetreten und dann haben Sie das Amt übernommen. Also hatten Sie damals kein Problem mit dem Gesetz oder doch?
Schmidt-Jorzig: Doch, doch, wir hatten einige Probleme. Es hat ja dazu die erste Mitgliederbefragung in der deutschen Parteienlandschaft gegeben und die Mitglieder haben sich dann mit deutlicher Mehrheit dafür ausgesprochen, dem Koalitionspartner, der da heftig drängelte und der FDP, nicht weiter im Wege stehen zu dürfen, mit ganz strengen Kautelen allerdings, die wir dann versucht haben, in Verhandlungen weitestgehend durchzusetzen. Das ist jedenfalls geglückt hinsichtlich der Änderung des Grundgesetzes, die neue Fassung des Artikel 13, Grundgesetz, Grundrecht auf Unverletzlichkeit der Wohnung, der hat ja dann auch die verfassungsgerichtliche Prüfung im März letzten Jahres überstanden. Aber die einfach gesetzlichen Dinge sind eben doch noch für zu weitgehend gehalten worden und deswegen muss hier jetzt einfach der Gesetzgeber nachbessern, so er es eben kann und das ist eine politische Frage, da einen Kompromiss zu finden.
Sagenschneider: Sind denn die Änderungen, so wie sie nun beschlossen sind, vertretbar? Wird die neue Regelung den Forderungen des Bundesverfassungsgerichtes gerecht?
Schmidt-Jorzig: Das ist weitgehend Spekulation. Ich vermute, dass auch diese neuen Regelungen von irgendjemandem, nämlich einem ganz normalen Bürger, der sich dadurch beeinträchtigt fühlt, wieder nach Karlsruhe gebracht werden, vor das Bundesverfassungsgericht. Und dann muss man sehen, was die Karlsruher Richter dazu sagen. Sie haben an einer Stelle ja eine wirklich sehr schwierige Vorgabe für dieses einfache, gesetzliche Ausführungswerk gemacht, nämlich da, wo sie verlangen, dass beim Abhören, sowie denn die Gespräche, die da abgehört werden, in den Bereich privater Lebensgestaltung hineinführen, abgestellt werden muss. Und das ist natürlich für die Praxis ein bisschen schwierig, denn wenn dann irgendwas Vertrauliches zwischen dem Gangster und seiner Braut, irgendein Liebesgeflüster stattfindet, müssten sie sofort ausstellen. Aber wie sollen sie denn bitte schön wissen, wann diese Passage nun zu Ende ist und wieder das Nachforschungsrelevante beginnt? Und an dieser Stelle ist die schwierige Frage gewesen, wie man dieser Vorgabe des Bundesverfassungsgerichtes gerecht werden kann. Da haben sich die Verhandlungsführer darauf geeinigt, dass jetzt die Abhörenden, die Polizeibeamten oder Strafverfolgungskräfte dann wirklich abstellen und sich nicht dazu geäußert, ob und wann denn wieder angestellt werden darf. Da kann man also seine Bedenken haben, ob man nicht in der Praxis auf andere Wege verfallen wird. Man hätte auch eine grundsätzliche Vermutung für ein Nichtabhören dürfen der Dinge, in einer Wohnung festmachen können, so dass dann nur wenn begründete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die nun wirklich hart, relevante Dinge da behandeln, überhaupt nur eingeschaltet werden darf. Diese Geschichte ist eine ganz heikle Frage und da zu sagen, dass ist jetzt schon über der Grenze der Verfassungswidrigkeit hinweg, das würde ich mir eigentlich nicht zutrauen. Das wird wahrscheinlich wieder der Karlsruher Senat dann feststellen.
Sagenschneider: Ist das, was jetzt im Bundestag beschlossen worden ist, nicht sogar in gewisser Weise eine Verschärfung, weil ja die Union darauf bestanden hat, dass künftig bei mehr Delikten als bisher abgehört werden darf, also auch wenn es um gewerbs- oder bandenmäßige Check- und Kartenfälscher geht, um Kinderpornoringe oder um die Rädelsführer von kriminellen Vereinigungen und verschärfen ja deswegen, weil gleichzeitig auch die Strafen für solche Vergehen hochgesetzt wurden, weil das Bundesverfassungsgericht ja gesagt hat, Lauschangriff ist nur in Fällen von Schwerkriminalität erlaubt.
Schmidt-Jorzig: Ja, so steht es auch in Artikel 13, Absatz 3 Grundgesetz drin, dass es nur zur Aufklärung von besonders schweren Straftaten zulässig ist. Und natürlich hat man dann rein formal als Gesetzgeber die Möglichkeit zu definieren, was denn besonders schwere Straftaten sind. Das wird sich natürlich auch in der allgemeinen Auffassung der Bevölkerung wandeln, dass wir heutzutage bestimmte, jedenfalls, gemeinsam begangene Fälle von Sexualdelikten, Kinderpornographie et cetera wirklich als besonders schwer ansehen, das, glaube ich, ist nicht streitig. Aber dass wir beispielsweise Checkdiebstahl, oder Checkbetrug schon als besonders schwer ansehen, ist dann so auf der Kippe. Und das kann bei anderen Straftaten auch so sein und dann ist es natürlich ein bisschen tricky, wenn man dann schlicht und ergreifend als Gesetzgeber zunächst die betreffenden Strafbestände im Gesetzbuch mit einer höheren Strafte besetzt und dann argumentiert, da seht ihr ja, jetzt werden da nicht mehr fünf Jahre, sondern zehn Jahre Freiheitsstrafe angedroht, also ist das ja wohl eine besonders schwere Straftat und dann kann ich dafür auch das Wohnungsabhören dafür einsetzen. Das ist politisch aber möglich und dann soll ich am wenigsten glauben, dass das Bundesverfassungsgericht da einschreitet. Viel schwieriger sind diese Geschichten mit dem wirklichen Job des letzten privaten Intimbereichs vor Abhörung, weil das eben auch praktisch ganz problematisch ist.
Sagenschneider: Hat sich eigentlich insgesamt der große Lauschangriff als hilfreich bei der Verbrechensbekämpfung herausgestellt?
Schmidt-Jorzig: Das ist sehr die Frage. Das war von Anfang an eigentlich die Frage. Jetzt ist ja auch, wie man aus der Praxis hört, durch die starken Beschränkungen durch den großen Lauschangriff, die praktische Durchführbarkeit auch herzlich zusammengeschrumpft. Und manche haben gesagt, na ja, jetzt wäre das so schwierig, dass er wahrscheinlich gar nicht mehr angewendet würde. Wenn dem so ist, dann müsste man sich natürlich fragen, ist es denn sinnvoll, überhaupt noch so ein Ding vorzuhalten, was alle möglichen verfassungsrechtlichen Probleme aufwirft, aber für die Praxis nicht mehr viel bringt.
Sagenschneider: Nun ist es ja nicht ausgeschlossen, dass wir im Herbst eine Unions- und FDP-geführte Bundesregierung bekommen werden. Was dann? Wird das ein Aspekt sein, bei dem die FDP Änderungen durchsetzen kann, oder halten Sie das für ausgeschlossen?
Schmidt-Jorzig: Das halte ich für ziemlich unwahrscheinlich, dass da irgendetwas sich noch bewegt. Wenn ich es richtig sehe, ist das ja auch Ausdruck dieser möglicherweise anstehenden neuen Konstellation ab Herbst, denn offenbar wollte auch die Union aus dem Grund hier jetzt schnell zu einer Lösung kommen, weil sie wohl, ich vermute zu Recht, sah, dass das dann im Herbst in einer neuen Koalition mit den Liberalen so nicht durchzusetzen wäre.
Schmidt-Jorzig: Einen schönen guten Morgen, Frau Sagenschneider.
Sagenschneider: Mitte der 90er Jahre, als der große Lauschangriff erstmals beschlossen wurde, da war er ja auch schon sehr umstritten gewesen. Frau Leutheusser-Schnarrenberger war ja deswegen zurückgetreten und dann haben Sie das Amt übernommen. Also hatten Sie damals kein Problem mit dem Gesetz oder doch?
Schmidt-Jorzig: Doch, doch, wir hatten einige Probleme. Es hat ja dazu die erste Mitgliederbefragung in der deutschen Parteienlandschaft gegeben und die Mitglieder haben sich dann mit deutlicher Mehrheit dafür ausgesprochen, dem Koalitionspartner, der da heftig drängelte und der FDP, nicht weiter im Wege stehen zu dürfen, mit ganz strengen Kautelen allerdings, die wir dann versucht haben, in Verhandlungen weitestgehend durchzusetzen. Das ist jedenfalls geglückt hinsichtlich der Änderung des Grundgesetzes, die neue Fassung des Artikel 13, Grundgesetz, Grundrecht auf Unverletzlichkeit der Wohnung, der hat ja dann auch die verfassungsgerichtliche Prüfung im März letzten Jahres überstanden. Aber die einfach gesetzlichen Dinge sind eben doch noch für zu weitgehend gehalten worden und deswegen muss hier jetzt einfach der Gesetzgeber nachbessern, so er es eben kann und das ist eine politische Frage, da einen Kompromiss zu finden.
Sagenschneider: Sind denn die Änderungen, so wie sie nun beschlossen sind, vertretbar? Wird die neue Regelung den Forderungen des Bundesverfassungsgerichtes gerecht?
Schmidt-Jorzig: Das ist weitgehend Spekulation. Ich vermute, dass auch diese neuen Regelungen von irgendjemandem, nämlich einem ganz normalen Bürger, der sich dadurch beeinträchtigt fühlt, wieder nach Karlsruhe gebracht werden, vor das Bundesverfassungsgericht. Und dann muss man sehen, was die Karlsruher Richter dazu sagen. Sie haben an einer Stelle ja eine wirklich sehr schwierige Vorgabe für dieses einfache, gesetzliche Ausführungswerk gemacht, nämlich da, wo sie verlangen, dass beim Abhören, sowie denn die Gespräche, die da abgehört werden, in den Bereich privater Lebensgestaltung hineinführen, abgestellt werden muss. Und das ist natürlich für die Praxis ein bisschen schwierig, denn wenn dann irgendwas Vertrauliches zwischen dem Gangster und seiner Braut, irgendein Liebesgeflüster stattfindet, müssten sie sofort ausstellen. Aber wie sollen sie denn bitte schön wissen, wann diese Passage nun zu Ende ist und wieder das Nachforschungsrelevante beginnt? Und an dieser Stelle ist die schwierige Frage gewesen, wie man dieser Vorgabe des Bundesverfassungsgerichtes gerecht werden kann. Da haben sich die Verhandlungsführer darauf geeinigt, dass jetzt die Abhörenden, die Polizeibeamten oder Strafverfolgungskräfte dann wirklich abstellen und sich nicht dazu geäußert, ob und wann denn wieder angestellt werden darf. Da kann man also seine Bedenken haben, ob man nicht in der Praxis auf andere Wege verfallen wird. Man hätte auch eine grundsätzliche Vermutung für ein Nichtabhören dürfen der Dinge, in einer Wohnung festmachen können, so dass dann nur wenn begründete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die nun wirklich hart, relevante Dinge da behandeln, überhaupt nur eingeschaltet werden darf. Diese Geschichte ist eine ganz heikle Frage und da zu sagen, dass ist jetzt schon über der Grenze der Verfassungswidrigkeit hinweg, das würde ich mir eigentlich nicht zutrauen. Das wird wahrscheinlich wieder der Karlsruher Senat dann feststellen.
Sagenschneider: Ist das, was jetzt im Bundestag beschlossen worden ist, nicht sogar in gewisser Weise eine Verschärfung, weil ja die Union darauf bestanden hat, dass künftig bei mehr Delikten als bisher abgehört werden darf, also auch wenn es um gewerbs- oder bandenmäßige Check- und Kartenfälscher geht, um Kinderpornoringe oder um die Rädelsführer von kriminellen Vereinigungen und verschärfen ja deswegen, weil gleichzeitig auch die Strafen für solche Vergehen hochgesetzt wurden, weil das Bundesverfassungsgericht ja gesagt hat, Lauschangriff ist nur in Fällen von Schwerkriminalität erlaubt.
Schmidt-Jorzig: Ja, so steht es auch in Artikel 13, Absatz 3 Grundgesetz drin, dass es nur zur Aufklärung von besonders schweren Straftaten zulässig ist. Und natürlich hat man dann rein formal als Gesetzgeber die Möglichkeit zu definieren, was denn besonders schwere Straftaten sind. Das wird sich natürlich auch in der allgemeinen Auffassung der Bevölkerung wandeln, dass wir heutzutage bestimmte, jedenfalls, gemeinsam begangene Fälle von Sexualdelikten, Kinderpornographie et cetera wirklich als besonders schwer ansehen, das, glaube ich, ist nicht streitig. Aber dass wir beispielsweise Checkdiebstahl, oder Checkbetrug schon als besonders schwer ansehen, ist dann so auf der Kippe. Und das kann bei anderen Straftaten auch so sein und dann ist es natürlich ein bisschen tricky, wenn man dann schlicht und ergreifend als Gesetzgeber zunächst die betreffenden Strafbestände im Gesetzbuch mit einer höheren Strafte besetzt und dann argumentiert, da seht ihr ja, jetzt werden da nicht mehr fünf Jahre, sondern zehn Jahre Freiheitsstrafe angedroht, also ist das ja wohl eine besonders schwere Straftat und dann kann ich dafür auch das Wohnungsabhören dafür einsetzen. Das ist politisch aber möglich und dann soll ich am wenigsten glauben, dass das Bundesverfassungsgericht da einschreitet. Viel schwieriger sind diese Geschichten mit dem wirklichen Job des letzten privaten Intimbereichs vor Abhörung, weil das eben auch praktisch ganz problematisch ist.
Sagenschneider: Hat sich eigentlich insgesamt der große Lauschangriff als hilfreich bei der Verbrechensbekämpfung herausgestellt?
Schmidt-Jorzig: Das ist sehr die Frage. Das war von Anfang an eigentlich die Frage. Jetzt ist ja auch, wie man aus der Praxis hört, durch die starken Beschränkungen durch den großen Lauschangriff, die praktische Durchführbarkeit auch herzlich zusammengeschrumpft. Und manche haben gesagt, na ja, jetzt wäre das so schwierig, dass er wahrscheinlich gar nicht mehr angewendet würde. Wenn dem so ist, dann müsste man sich natürlich fragen, ist es denn sinnvoll, überhaupt noch so ein Ding vorzuhalten, was alle möglichen verfassungsrechtlichen Probleme aufwirft, aber für die Praxis nicht mehr viel bringt.
Sagenschneider: Nun ist es ja nicht ausgeschlossen, dass wir im Herbst eine Unions- und FDP-geführte Bundesregierung bekommen werden. Was dann? Wird das ein Aspekt sein, bei dem die FDP Änderungen durchsetzen kann, oder halten Sie das für ausgeschlossen?
Schmidt-Jorzig: Das halte ich für ziemlich unwahrscheinlich, dass da irgendetwas sich noch bewegt. Wenn ich es richtig sehe, ist das ja auch Ausdruck dieser möglicherweise anstehenden neuen Konstellation ab Herbst, denn offenbar wollte auch die Union aus dem Grund hier jetzt schnell zu einer Lösung kommen, weil sie wohl, ich vermute zu Recht, sah, dass das dann im Herbst in einer neuen Koalition mit den Liberalen so nicht durchzusetzen wäre.