FDP kritisiert Verteidigungsminister Jung
Der FDP-Politiker Max Stadler hält eine Grundgesetzänderung für den Einsatz der Bundeswehr bei Geiselbefreiungen für unnötig.
Hanns Ostermann: Was soll und was darf die Bundeswehr und was nicht? Verteidigungsminister Franz Josef Jung hat am Wochenende eine alte Diskussion neu belebt: Er möchte, dass künftig Soldaten Geiseln im Ausland befreien dürfen. Zu diesem Zweck müsste aber das Grundgesetz geändert werden. Ausgangspunkt ist dabei das freigekommene Containerschiff Hansa Stavanger, vier Monate lang hatten sich die Geiseln in der Hand von Piraten befunden. Von vielen Seiten wurde der Vorstoß des Verteidigungsministers kritisiert, auch von der FDP. Max Stadler ist stellvertretender Vorsitzender des Innenausschusses im Bundestag und jetzt am Telefon, guten Morgen, Herr Stadler!
Max Stadler: Guten Morgen!
Ostermann: Was stört Sie an einem möglichen Einsatz deutscher Soldaten zur Geiselbefreiung?
Stadler: Mich stört zunächst einmal daran, dass der Verteidigungsminister eine Debatte über eine Grundgesetzänderung wieder losgetreten hat, obwohl doch längst klar ist, dass eine solche Grundgesetzänderung für Geiselbefreiungen im Rahmen von militärischen Mandaten gar nicht notwendig ist. Dann hätte ja der Verteidigungsminister nicht in sein Weißbuch über die Aufgaben der Bundeswehr hineinschreiben dürfen, dass Geiselbefreiungen zu diesen Aufgaben eben zählen, wenn das verfassungswidrig wäre. Dem ist nicht so. Aber die Diskussion muss eigentlich schon an einem früheren Punkt einsetzen: Es ist ja eine Befreiung versucht worden für die Geiseln der Hansa Stavanger im April, und diese Geiselbefreiung wurde dann abgebrochen, weil das Risiko viel zu groß schien, sowohl für die Sicherheitskräfte, die die Befreiung durchführen sollten, als auch für das Leben der Geiseln selber. Und deswegen finde ich, der Verteidigungsminister sollte lieber Vorschläge machen, wie man Geiselnahmen verhindert, wie die Schiffspassagen sicherer sind, ob hier wirklich schon alles getan ist, denn wenn es einmal zu einer Entführung gekommen ist und Geiseln genommen sind, dann ist man ja in der schwierigen Lage, entweder Lösegeld zu zahlen und damit gewissermaßen die Verbrecher auch noch zu belohnen für ihre Taten, oder aber eben eine gewaltsame Befreiung zu versuchen, die offenbar mit sehr, sehr großen Risiken verbunden wäre. Der Kapitän der Hansa Stavanger hat ja gesagt, das hätte ein Blutbad gegeben, und ich glaube, wir sind alle einig, dass der Schutz von Menschen eben oberste Priorität hat.
Ostermann: Herr Stadler, aber noch mal einen Schritt zurück. Die Operation Atalanta erlaubte bereits das Eingreifen deutscher Soldaten, das war dann aber einfach zu schwierig und zu gefährlich, insbesondere für die Geiseln. Wären die dann zum Beispiel auf somalischen Boden gekommen, hätten dann die Soldaten theoretisch auch eingreifen können?
Stadler: Ja, wenn ich doch einmal vielleicht das etwas relativieren darf: Es bestand für die Bundesregierung die Wahl, wenn man sich denn zu einer gewaltsamen Befreiungsaktion entschlossen hat, das entweder im Rahmen des Mandats Atalanta zu machen, also durch die Bundeswehr – sie hat ja Spezialkräfte dafür, KSK –, oder aber durch eine Polizeieinheit, die GSG9. Und der Bundesinnenminister hatte seine Zustimmung zu dem Letzteren gegeben, weil eigentlich Geiselbefreiung eine polizeiliche Aufgabe ist, und die GSG9 ist dann doch am Ende zurückgezogen worden, weil es zu riskant schien. Das heißt, wir haben im Moment zwei Möglichkeiten, und die Kritik damals war ja die, dass das Ganze unkoordiniert ablief, aber ich sage noch einmal, der wichtigere Punkt ist, wenn das Risiko zu groß ist für die Geiseln. Und gerade deswegen hat verantwortungsvollerweise die Einsatzleitung entschieden, die Aktion abzubrechen. Übrigens haben auch die Amerikaner das so gesehen, deren Hilfe man benötigt hätte und das ist dann eben unterblieben. Sie haben aber recht: Es gibt Situationen, wo Geiselbefreiung dann alleine Polizeiaufgabe ist, nur im Rahmen eines militärischen Mandats wäre es eine Bundeswehraufgabe auch.
Ostermann: Schauen wir nach vorn: Franz Josef Jung bringt die Bundeswehr ja nicht nur für Auslandseinsätze ins Gespräch, sondern auch bei bestimmten Situationen im Inneren, denkt man an die Fußballweltmeisterschaft, da gab es diese Diskussion ja auch. Gibt es Ausnahmesituationen, wo Sie sich einen Einsatz der Bundeswehr im Inneren vorstellen können, oder sagen Sie kategorisch ohne Wenn und Aber nein?
Stadler: Das ist ja genau der Punkt, warum jetzt der Bundesverteidigungsminister so viel Kritik auf sich gezogen hat, denn sein Vorstoß hatte offenbar das Ziel, die alte Idee der CDU/CSU, Bundeswehreinsätze im Inneren noch erweitert zuzulassen, wieder in die Diskussion zu bringen. Das ist nicht erforderlich und auch nicht wünschenswert, als FDP sagen wir, es gibt eine klare Trennung von Polizeiaufgaben und von militärischen Aufgaben. Innere Sicherheit ist im Grundsatz Polizeiaufgabe, äußere Sicherheit militärische, und deswegen ist über das, was bisher als Amtshilferegelungen im Grundgesetz schon angelegt ist, hinaus nichts vom Gesetzgeber veranlasst.
Ostermann: Aber ist die Polizei nicht mit bestimmten Aufgaben überfordert? Sie kann zum Beispiel keine Raketenangriffe von Terroristen abwehren.
Stadler: Dann muss eben die Bundeswehr im Wege der Amtshilfe beigezogen werden, aber es muss einfach klar sein: Es bleibt eine polizeiliche Aufgabe, innere Sicherheit zu leisten. Das ist deswegen wichtig: Die Polizei ist dafür ausgebildet. Die Polizeipraktiker sagen übrigens selber, sie brauchen nicht die Bundeswehr dafür, und vor allem, es kommt noch eines dazu: Das alles muss dann in dem Rahmen, den das Polizeirecht vorgibt, durchgeführt werden. Und das ist ja keine Kleinigkeit und keine Unwichtigkeit am Rande, sondern: Innere Sicherheit zu gewährleisten ist mit Eingriffen in Grundrechte, in Bürgerrechte verbunden. Dafür gibt das Polizeirecht rechtsstaatliche, gewachsene Strukturen vor und das soll, nach Auffassung der FDP, nicht überlagert werden durch Militäreinsätze im Inneren.
Ostermann: Dann darf man sich auf spannende Koalitionsverhandlungen freuen, wenn es zu Schwarz-Gelb nach dem 27. September kommt, denn in Bayern knirscht es ja schon.
Stadler: Da bin ich ganz optimistisch.
Ostermann: Der dortige Innenminister möchte …
Stadler: Ja, aber gerade in Bayern haben wir doch wirklich eine Blaupause geliefert für eine schwarz-gelbe Koalition im Bund, denn auch auf meine Initiative hin übrigens hat die FDP in Bayern mit der CSU erreicht, dass 1000 neue Planstellen für die Polizei geschaffen worden sind. Es gab hier eine Unterbesetzung – sogar in Bayern – bei der Polizei. Da muss man ansetzen, wenn man wirklich etwas für innere Sicherheit tun will und das hat die schwarz-gelbe Koalition in Bayern auf den Weg gebracht. Ich bin da zuversichtlich, dass man dann zu vernünftigen Maßnahmen auch im Bunde kommt.
Ostermann: Max Stadler von der FDP, stellvertretender Vorsitzender des Innenausschusses im Deutschen Bundestag. Herr Stadler, danke für das Gespräch heute früh.
Stadler: Ich danke ebenfalls.
Max Stadler: Guten Morgen!
Ostermann: Was stört Sie an einem möglichen Einsatz deutscher Soldaten zur Geiselbefreiung?
Stadler: Mich stört zunächst einmal daran, dass der Verteidigungsminister eine Debatte über eine Grundgesetzänderung wieder losgetreten hat, obwohl doch längst klar ist, dass eine solche Grundgesetzänderung für Geiselbefreiungen im Rahmen von militärischen Mandaten gar nicht notwendig ist. Dann hätte ja der Verteidigungsminister nicht in sein Weißbuch über die Aufgaben der Bundeswehr hineinschreiben dürfen, dass Geiselbefreiungen zu diesen Aufgaben eben zählen, wenn das verfassungswidrig wäre. Dem ist nicht so. Aber die Diskussion muss eigentlich schon an einem früheren Punkt einsetzen: Es ist ja eine Befreiung versucht worden für die Geiseln der Hansa Stavanger im April, und diese Geiselbefreiung wurde dann abgebrochen, weil das Risiko viel zu groß schien, sowohl für die Sicherheitskräfte, die die Befreiung durchführen sollten, als auch für das Leben der Geiseln selber. Und deswegen finde ich, der Verteidigungsminister sollte lieber Vorschläge machen, wie man Geiselnahmen verhindert, wie die Schiffspassagen sicherer sind, ob hier wirklich schon alles getan ist, denn wenn es einmal zu einer Entführung gekommen ist und Geiseln genommen sind, dann ist man ja in der schwierigen Lage, entweder Lösegeld zu zahlen und damit gewissermaßen die Verbrecher auch noch zu belohnen für ihre Taten, oder aber eben eine gewaltsame Befreiung zu versuchen, die offenbar mit sehr, sehr großen Risiken verbunden wäre. Der Kapitän der Hansa Stavanger hat ja gesagt, das hätte ein Blutbad gegeben, und ich glaube, wir sind alle einig, dass der Schutz von Menschen eben oberste Priorität hat.
Ostermann: Herr Stadler, aber noch mal einen Schritt zurück. Die Operation Atalanta erlaubte bereits das Eingreifen deutscher Soldaten, das war dann aber einfach zu schwierig und zu gefährlich, insbesondere für die Geiseln. Wären die dann zum Beispiel auf somalischen Boden gekommen, hätten dann die Soldaten theoretisch auch eingreifen können?
Stadler: Ja, wenn ich doch einmal vielleicht das etwas relativieren darf: Es bestand für die Bundesregierung die Wahl, wenn man sich denn zu einer gewaltsamen Befreiungsaktion entschlossen hat, das entweder im Rahmen des Mandats Atalanta zu machen, also durch die Bundeswehr – sie hat ja Spezialkräfte dafür, KSK –, oder aber durch eine Polizeieinheit, die GSG9. Und der Bundesinnenminister hatte seine Zustimmung zu dem Letzteren gegeben, weil eigentlich Geiselbefreiung eine polizeiliche Aufgabe ist, und die GSG9 ist dann doch am Ende zurückgezogen worden, weil es zu riskant schien. Das heißt, wir haben im Moment zwei Möglichkeiten, und die Kritik damals war ja die, dass das Ganze unkoordiniert ablief, aber ich sage noch einmal, der wichtigere Punkt ist, wenn das Risiko zu groß ist für die Geiseln. Und gerade deswegen hat verantwortungsvollerweise die Einsatzleitung entschieden, die Aktion abzubrechen. Übrigens haben auch die Amerikaner das so gesehen, deren Hilfe man benötigt hätte und das ist dann eben unterblieben. Sie haben aber recht: Es gibt Situationen, wo Geiselbefreiung dann alleine Polizeiaufgabe ist, nur im Rahmen eines militärischen Mandats wäre es eine Bundeswehraufgabe auch.
Ostermann: Schauen wir nach vorn: Franz Josef Jung bringt die Bundeswehr ja nicht nur für Auslandseinsätze ins Gespräch, sondern auch bei bestimmten Situationen im Inneren, denkt man an die Fußballweltmeisterschaft, da gab es diese Diskussion ja auch. Gibt es Ausnahmesituationen, wo Sie sich einen Einsatz der Bundeswehr im Inneren vorstellen können, oder sagen Sie kategorisch ohne Wenn und Aber nein?
Stadler: Das ist ja genau der Punkt, warum jetzt der Bundesverteidigungsminister so viel Kritik auf sich gezogen hat, denn sein Vorstoß hatte offenbar das Ziel, die alte Idee der CDU/CSU, Bundeswehreinsätze im Inneren noch erweitert zuzulassen, wieder in die Diskussion zu bringen. Das ist nicht erforderlich und auch nicht wünschenswert, als FDP sagen wir, es gibt eine klare Trennung von Polizeiaufgaben und von militärischen Aufgaben. Innere Sicherheit ist im Grundsatz Polizeiaufgabe, äußere Sicherheit militärische, und deswegen ist über das, was bisher als Amtshilferegelungen im Grundgesetz schon angelegt ist, hinaus nichts vom Gesetzgeber veranlasst.
Ostermann: Aber ist die Polizei nicht mit bestimmten Aufgaben überfordert? Sie kann zum Beispiel keine Raketenangriffe von Terroristen abwehren.
Stadler: Dann muss eben die Bundeswehr im Wege der Amtshilfe beigezogen werden, aber es muss einfach klar sein: Es bleibt eine polizeiliche Aufgabe, innere Sicherheit zu leisten. Das ist deswegen wichtig: Die Polizei ist dafür ausgebildet. Die Polizeipraktiker sagen übrigens selber, sie brauchen nicht die Bundeswehr dafür, und vor allem, es kommt noch eines dazu: Das alles muss dann in dem Rahmen, den das Polizeirecht vorgibt, durchgeführt werden. Und das ist ja keine Kleinigkeit und keine Unwichtigkeit am Rande, sondern: Innere Sicherheit zu gewährleisten ist mit Eingriffen in Grundrechte, in Bürgerrechte verbunden. Dafür gibt das Polizeirecht rechtsstaatliche, gewachsene Strukturen vor und das soll, nach Auffassung der FDP, nicht überlagert werden durch Militäreinsätze im Inneren.
Ostermann: Dann darf man sich auf spannende Koalitionsverhandlungen freuen, wenn es zu Schwarz-Gelb nach dem 27. September kommt, denn in Bayern knirscht es ja schon.
Stadler: Da bin ich ganz optimistisch.
Ostermann: Der dortige Innenminister möchte …
Stadler: Ja, aber gerade in Bayern haben wir doch wirklich eine Blaupause geliefert für eine schwarz-gelbe Koalition im Bund, denn auch auf meine Initiative hin übrigens hat die FDP in Bayern mit der CSU erreicht, dass 1000 neue Planstellen für die Polizei geschaffen worden sind. Es gab hier eine Unterbesetzung – sogar in Bayern – bei der Polizei. Da muss man ansetzen, wenn man wirklich etwas für innere Sicherheit tun will und das hat die schwarz-gelbe Koalition in Bayern auf den Weg gebracht. Ich bin da zuversichtlich, dass man dann zu vernünftigen Maßnahmen auch im Bunde kommt.
Ostermann: Max Stadler von der FDP, stellvertretender Vorsitzender des Innenausschusses im Deutschen Bundestag. Herr Stadler, danke für das Gespräch heute früh.
Stadler: Ich danke ebenfalls.