FDP entdeckt den Umweltschutz

Moderation: Birgit Kolkmann |
FDP-Generalsekretär Dirk Niebel hat Versäumnisse seiner Partei in der Umweltpolitik eingeräumt. Die FDP habe das Thema in den vergangenen Jahren "zu stiefmütterlich behandelt" und jetzt Nachbesserungsbedarf, sagte Niebel vor dem FDP-Parteitag in Rostock. Die Liberalen setzten auf Umweltschutz mit Mitteln des Wettbewerbs und nicht auf Staatsdirigismus.
Birgit Kolkmann: Wie kommt das, dass die FDP jetzt auf Umwelt setzt?

Dirk Niebel: Nun, die FDP war es, die unter Hans-Dietrich Genscher als Innenminister die Umweltpolitik als erste Partei ins Kabinett geholt hat. Und dieses Thema haben wir in den vergangenen Jahren vielleicht zu stiefmütterlich behandelt. Auf der anderen Seite sehen wir, dass es tatsächlich auch wettbewerblich möglich ist, die Umwelt zu schützen. Und nicht nur auf Staatsdirigismus zu setzen, wie das die Grünen tun. Das wollen wir jetzt in der Programmatik bei uns abrunden.

Kolkmann: Also Sie wollen Wettbewerb und Umweltpolitik zusammenbringen. Wie zum Beispiel wenn wir es mal in Bezug auf die Energiepolitik und den Atomausstieg beziehen?

Niebel: Wir sind der festen Überzeugung, Kernkraftwerke, die nicht sicher sind, müssen sofort abgeschaltet werden. Welche, die den Sicherheitsstandards entsprechen, müssen auch die Möglichkeit haben, für die Dauer der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit betrieben zu werden. In Baden-Württemberg haben wir im Koalitionsvertrag festgeschrieben, dass, falls es zu einer Verlängerung der Laufzeiten kommt, die Hälfte der zusätzlichen Gewinne allerdings in die Erforschung regenerativer Energien investiert werden müssen.

Kolkmann: "Deutschland kann mehr", das ist das Motto des Parteitages. Stehen also die Paradethemen "Innovation" und "Wirtschaft" trotzdem im Mittelpunkt?

Niebel: Der erste Leitantrag, den wir behandeln, ist der Antrag zu Innovation und Arbeitsplatzsicherung. Und ein weiterer Leitantrag ist eben der zu Umwelt- und Energiepolitik. Beide Themen - wir haben ja zwei Tage - werden diesen Parteitag bestimmen. Wir wollen unsere Stärken stärken. Deswegen die Fragen von Innovationsfähigkeit und Zukunftsfähigkeit für Arbeitsplätze in Deutschland. Aber auch die programmatischen Vorstellungen der FDP dort abrunden, wo noch Nachbesserungsbedarf ist. Und das ist der Bereich der Umweltpolitik.

Kolkmann: Und die Steuerpolitik ist ja auch eines Ihrer zentralen Politikfelder, auf dem Sie sich gerne betätigen. Gestern kam die Steuerschätzung: 8,1 Milliarden Euro in diesem Jahr mehr an Steuereinnahmen in der Kasse von Bund, Ländern und Kommunen. Das klingt doch positiv, oder?

Niebel: Das bedeutet, dass den Bürgerinnen und Bürgern weiterhin dreist in die Tasche gegriffen wird. Es ist nicht so, dass der Staat zu wenig Steuereinnahmen hätte - im Gegenteil: Wir haben von Jahr zu Jahr Steuermehreinnahmen. Das war sogar unter der rot-grünen Regierung so, obwohl die sich nun wirklich bemüht haben, alles dagegen zu machen. Deswegen bedeutet es: Wir haben kein Einnahmeproblem in Deutschland, sondern ein Ausgabeproblem. Und statt dass der Staat weiter abkassiert bei den Bürgerinnen und Bürgern, muss er endlich seine Aufgaben in den Griff bekommen und seine Ausgabenstruktur neu überdenken.

Kolkmann: Da sind wir schon an einem zentralen Punkt: der Oppositionspolitik. Ist es besonders schwer, diese zu gestalten bei einer großen Koalition, die angetreten ist, auch länger zusammenzubleiben? Also Stichwort "Politikwechsel". So schnell werden Sie ihn nicht hinbekommen, oder?

Niebel: Nun, die Wahlen sind um und die Regierung ist im Amt und dass die sich große Koalition nennt, das berechtigt sie aufgrund der hohen Anzahl der Abgeordneten, die sie haben. Aber um wirklich groß zu werden, müssen sie die Probleme dieses Landes lösen. Ich erkenne weder in der Koalitionsvereinbarung noch im bisherigen Regierungshandeln irgendeinen Ansatz, um das Grundproblem in Deutschland, die Bekämpfung der Massenarbeitslosigkeit, in den Griff zu bekommen. Das Gegenteil ist der Fall. Dadurch dass Bürger und Betriebe weiter abkassiert werden, wird Investition und Konsum in Deutschland auf Dauer abgewürgt. Wir werden das wahrscheinlich leidvoll nächstes Jahr erfahren müssen – mit der Konsequenz, dass die Beschäftigung sich nicht, die Beschäftigungslage sich nicht verbessert und die Arbeitslosen keine Chance haben. Ich denke, da kann man sich schon sehr gut profilieren.

Kolkmann: Zurück zum FDP-Parteitag in Rostock an diesem Wochenende: Wo liegen mögliche Streitpunkte?

Niebel: Nun, wir haben insgesamt 70 inhaltliche Anträge vorliegen. Da wird mit Sicherheit der eine oder andere inhaltliche Dissens da sein. Einen Streitpunkt, der absehbar ist, ist die Frage der Pflichtmitgliedschaft bei den Industrie- und Handelskammern und bei den Handwerkskammern. Hier haben wir einen Auftrag vom letzten Parteitag gehabt, dass eine Kommission zwei Alternativen vorlegt: Wie geht es weiter im Kammersystem mit Pflichtmitgliedschaft oder wie geht es weiter im Kammersystem unter Wegfall der Pflichtmitgliedschaft? Das wird eine, zumindest was die Binnenwirkung anbetrifft, mit Sicherheit spannende und auch kontroverse Auseinandersetzung.

Kolkmann: Guido Westerwelle ist seit dem 1. Mai in Personalunion Parteichef und Fraktionschef der Bundestagsfraktion. Besteht die Gefahr, dass das eine One-Man-Show wird?

Niebel: Nein, überhaupt nicht. Es ist allerdings richtig, dass wir uns auf unsere Stärken jetzt konzentrieren. Auf der anderen Seite ist Guido Westerwelle derjenige, der ganz intensiv auch in der Vergangenheit sich bemüht hat, andere Kolleginnen und Kollegen mit in den Vordergrund zu stellen, auch medial in den Vordergrund zu stellen. Wir haben 40 Prozent neue Abgeordnete in der Bundestagsfraktion und ein enormes Potenzial an kreativen Köpfen. Das müssen wir jetzt in der Öffentlichkeit bekannt machen. Dafür brauchen wir jemanden wie Guido Westerwelle, der die Möglichkeit hat, hier die Menschen in der Fraktion zu unterstützen, damit sie den Bekanntheitsgrad bekommen, den wir brauchen, um 2009 die richtige Aufstellung zu haben.

Kolkmann: Das war vor dem FDP-Parteitag in Rostock der Generalsekretär der FDP, Dirk Niebel. Ich bedanke mich für das Gespräch in Deutschlandradio Kultur.