FDP bemängelt EU-Pläne zu Fluggastdatenspeicherung

Moderation: Hanns Ostermann · 07.11.2007
Der FDP-Politiker Alexander Alvaro hat den Entwurf der EU-Kommission zur Speicherung von Fluggastdaten kritisiert. Die Betroffenen würden nicht erfahren, was mit ihren Daten geschehe, sagte der innenpolitische Sprecher der liberalen Fraktion im Europäischen Parlament.
Hanns Ostermann: Wie das mit Paketen allgemein so ist. Kaum jemand lobt den gesamten Inhalt, es sei denn, es handelt sich um den Absender. Innenkommissar Frattini sprach deshalb gestern von einem starken Signal gegen alle Verbrecher und Terrorgruppen. Er fand sein Antiterrorpaket also insgesamt gut. Skeptischer äußerten sich zum Beispiel die Liberalen. Nur die Hälfte der Maßnahmen ist sinnvoll, sagt Alexander Alvaro, er ist der innenpolitische Sprecher der liberalen Fraktion im Europäischen Parlament und jetzt am Telefon von Deutschlandradio Kultur. Guten Morgen, Herr Alvaro!

Alexander Alvaro: Einen schönen guten Morgen, Herr Ostermann!

Ostermann: Sie kritisieren insbesondere die künftige Fluggastdatenüberwachung, da seien genauso Fehler gemacht worden, wie beim Abkommen mit den USA. Woran denken Sie da besonders?

Alvaro: Also wenn ich mir das aktuelle oder den aktuellen Entwurf zur Fluggastdatenübertragung und zur Speicherung in Europa anschaue, dann sehe ich das genau wie mit dem Abkommen mit den USA, es keinerlei Schutzvorschriften für Betroffene gibt. Es ist kein Informationsanspruch des Betroffenen gewährleistet, keine Auskunftspflicht oder Auskunftsmöglichkeit manifestiert. Es ist kein Anspruch auf Löschung vorgesehen. Insgesamt fehlt gegenüber der Erhebung gleichzeitig auch ein Recht, das den Betroffenen gestattet zu erfahren, was mit ihren Daten geschieht.

Ostermann: Nun argumentieren viele, seit es die rigiden Bestimmungen mit den USA gibt, seitdem sind die USA von terroristischen Anschlägen verschont geblieben. Ein Grund hierfür könnten doch die umfangreichen Vorschriften und die Gesetzespakete sein?

Alvaro: Das würden wir, ehrlich gesagt, auch gerne wissen. Was nämlich auch zählt, ist festzustellen, inwiefern welche Maßnahmen effizient sind und Auswirkungen haben auf das alltägliche Leben und auf die Politik. Wenn wir solch eine Evaluierung hier hätten, wüssten wir auch, ob man solche Maßnahme am Leben erhalten muss. Per se ist die Fluggastdatenübertragung auch kein Fehler. Wir sehen, dass es mit den Kanadiern vernünftig ausgestattet werden kann. Warum das für die Vereinigten Staaten so schwierig ist, das fragen wir uns schon.

Ostermann: Sie vermissen auch bei neuen Straftatbeständen den Hinweis auf die Meinungs- und Religionsfreiheit, mit Verlaub, warum bedarf es überhaupt es der Erwähnung? Die sind doch selbstverständlich?

Alvaro: Ja gut. Wir haben nur bei der Einführung jetzt naher Straftaten, da geht es zum Beispiel auch um die Verbreitung terroristischer Propaganda. Es geht auch zum Beispiel um das Fördern des Terrorismus, sowohl aktiv durch Tun als auch durch seine Sympathie bekunden. Das sind Straftatbestände, die jetzt eingeführt werden. Es ist ein im Grunde genommen schon vorher festgelegtes Übereinkommen des Europarates. Und der Europarat selbst hat damals gesehen, dass das sehr weit gehende Straftaten sind, die eingeführt werden, weil sie auch Missbräuche und interpretativ ausgelegt werden, deswegen einen quasi Artikel geschaffen, der die Balance halten soll, um auf die Dinge, die wir genannt haben, Religionsfreiheit, Meinungsfreiheit etc. hinzuweisen, dass diese davon nicht betroffen oder eingeschränkt werden. Es ist genau diese Balance, die die Kommission nicht mitübernommen hat. Das heißt, es sind Straftaten aufgenommen worden jetzt im Rahmenbeschluss, die im schlimmsten Fall sehr weitgehend ausgelegt werden können. Es fehlt eben auf der anderen Seite eine Schutzvorschrift, die dafür sorgt, dass sie nicht zu weit ausgelegt werden.

Ostermann: Also kann man die Meinungs- und Religionsfreiheit bei uns in der Europäischen Union immer noch nicht automatisch voraussetzen?

Alvaro: Ich würde ehrlich sagen, nicht in jedem Bereich, nein.

Ostermann: Immerhin finden Sie auch einiges im Anti-Terror-Paket gut. Es muss Bilanz gezogen werden in den Mitgliedsstaaten, also welche Maßnahmen gibt es dort gegen den Terrorismus. Warum ist das nicht längst geschehen nach den Anschlägen in London zum Beispiel? Warum dauert das bei uns so lange?

Alvaro: Ach, manchmal stellen Sie Fragen, deren Antwort ich Ihnen gerne aus der Pistole geschossen geben will. Nur es dauert manchmal eben länger, weil Mitgliedsstaaten sich scheinbar mehr Zeit lassen in vielen Bereichen. Es dauert eben, bis sich eine Erkenntnis, die vielleicht Sie oder ich gewonnen haben, das es notwendig ist oder tatsächlich auch das Europäische Parlament, bis das bei den Mitgliedsstaaten in die Kommission durchgesickert ist, braucht es mehr Zeit, als wir eigentlich uns manchmal wünschen und manchmal auch vorstellen kann.

Ostermann: Ja, und da fragt man sich ja schon in diesem vereinigten Europa, wie spät es eigentlich ist, wenn Sie sagen, man fragt sich schon. Warum geschieht dies nicht schneller, vor allen Dingen ist es nicht sinnvoller, das frage ich mich auch, erst nach den Grundlagen in den Mitgliedsstaaten zu fragen und dann die Gemeinsamkeiten voranzutreiben?

Alvaro: Weil in vielen Fällen, und ich glaube, das ist eine Realität, die sieht man durchaus auch bei dem Handeln einzelner Innenminister auch in den Mitgliedsstaaten, weil gerade im Bereich der Terrorismusbekämpfung ein gewisser politischer Aktionismus entstanden ist. Es ist halt, dass Politik versucht Maßnahmen ins Leben zu rufen, die der Bevölkerung das Gefühl der Sicherheit geben, weil eben die Politik glaubt, dass sie handeln muss. Wir haben seit zwei Jahren im Europäischen Parlament darum gebeten, dass wir eine Evaluierung der Maßnahmen, die in Kraft getreten sind, bekommen, dass wir feststellen, wie viel Mitgliedsstaaten sie denn wirklich übernommen haben und ob sie auch etwas bringen.

Ostermann: Vor zwei Jahren?

Alvaro: Seit zwei Jahren.

Ostermann: Und noch keine Antwort?

Alvaro: Und noch keine Antwort, und deswegen muss man wirklich sagen, das Parlament und dann kann ich ... Ich habe gestern mit vielen Kollegen gesprochen aus den Fraktionen. Deswegen sind wir tatsächlich froh, dass so etwas selbstverständlich ist, wie dieser Baustein zur Überprüfung der implementierenden Mitgliedsstaaten jetzt inzwischen tatsächlich gesetzlich einmal festgeschrieben worden ist.

Ostermann: EU-Politik sei nicht allumfassend, und das sei gut so, sagen Sie. Aber in einem so zentralen Bereich wie der Sicherheit ist sie da nicht unerlässlich?

Alvaro: Es ist eine Frage, wie sie ausgestaltet ist. Es ist zum Beispiel ein Punkt, ob ich als Europäische Union tatsächlich Mitgliedsstaaten vorschreiben kann, bestimmte Webseiten sperren zu lassen. Da fehlt uns die Kompetenz. Andererseits muss man auch sagen, so wie die Europäische Innenpolitik zurzeit ausgestaltet ist, fehlt auch eine demokratische Legitimation. Das Europäische Parlament kann nicht mitentscheiden, sondern darf seine Stellungnahme geben. Die Kommission gibt eine Initiative rein. Tatsächlich entscheiden 27 nationale Innenminister ohne Rückkopplung mit ihren nationalen Parlamenten über Vorschläge, die sie im Zweifelsfall selbst eingebracht haben, und das wird dann Realität für 500 Millionen Menschen. Da bin ich ganz dankbar, dass das wirklich nicht allumfassend geregelt werden kann.