"Faust" im Teatro Real Madrid

Verweile doch, du bist so schön

Marguerite (Marina Rebeka) und Dr. Faust (Piotr Beczala) sitzen einander gegenüber
Marguerite (Marina Rebeka) begegnet Dr. Faust (Piotr Beczala) in der Inszenierung von Gounods Oper am Teatro Real Madrid. © Teatro Real Madrid / Javier des Real
Moderation: Stefan Lang · 06.10.2018
Bis heute eine faszinierende Geschichte: die Legende um Doktor Faust, der seine Seele an den Teufel für Macht und Wissen verkauft. Seine wahre Liebe zu Marguerite gerät dabei in einen grausamen Strudel - auch in Charles Gounods Opernfassung.
Deutschlandfunk Kultur überträgt einen Opernmitschnitt aus Madrid. Hier kam die große französische Oper "Faust" von Charles Gounod mit Starbesetzung zur Aufführung.

Der wirklich alte Faust

Die Historia von "D. Johann Fausten" erschien 1587, leider ohne einen Namen des Verfassers. Seitdem geistert Doktor Faust durch die Kunstszene. Allein im musikalischen Bereich hat diese uralte Erzählung viele Komponisten inspiriert, wie Franz Schubert, Hector Berlioz oder Richard Wagner. Auch der Franzose Charles Gounod entkam dieser hypnotischen Geschichte nicht und komponierte eine großangelegte fünfaktige Oper, die seine populärste werden sollte.

Goethes Schwergewicht im Boulevard-Format

Gounod stieß auf Goethes berühmtes Faust-Werk in seiner damals kursierenden französischen Übersetzung – ein Stoff, der ihn sofort zutiefst beeindruckte. Die direkte Vorlage für sein Bühnenwerk suchte er allerdings in einem nicht ganz so schweren Literatur-Bollwerk, sondern in einem Boulevardstück, das den Titel "Faust et Marguerite" trug. Geschrieben hatte es Michel Carré, der das deutsche Drama zu einer flotten Liebesgeschichte strickte, ganz dem Geschmack des Pariser Publikums entsprechend.
Faust und Margarete (Marthens Garten, wo Gretchen die Frage stellt: 'Nun sag, wie hast du's mit der Religion?' (Vers 3415)). - Holzstich, um 1880/90, nach Zeichnung von Franz Simm (1853-1918).
In Deutschland ist es Gretchen, in Frankreich kenne wir die Rolle als Marguerite, die Faust im historischen Holzstich um 1880 im Arm hält.© picture alliance / akg-images
Gounods Méphistophèles ist der Teufel persönlich, der Faust Geld und Ruhm anbietet, aber der alte Faust will seine Jugend zurück. Marguerite ist in der Oper eine Waise, die Faust umgarnt und dann doch sitzen lässt. Dabei hätte sie die Wahl gehabt, denn in der Oper taucht auch der junge Siebel auf, der Marguerite über alles liebt, aber das Weltmännische von Faust nicht aufbieten kann. In der Oper ist diese Figur als Hosenrolle angelegt, wird also von einem Mezzosopran gesungen.
Marguerite wird schwanger und ihr Bruder macht klar: Damit hat sie sich aus allen gesellschaftlichen Zusammenhängen selbst herauskatapultiert. Er verlangt von Faust ein Duell, der dieses natürlich mit teuflischer Hilfe zu seinen Gunsten entscheiden kann.
Szene aus "Faust" am Teatro Real Madrid: Zwischen fünf Einzelkäfigen irrt Faust (Piotr Beczala) umher.
Faust (Piotr Beczala) sucht Marguerite, um sie zu befreien.© Teatro Real / Javier del Real
Im Kerker wartet Marguerite auf ihre Hinrichtung, die Strafe, die sie als Kindsmörderin erwartet. Sie verweigert sich der Fluchtmöglichkeit, die ihr Faust und Méphistophèles eröffnen. Sie stirbt lieber in der Gnade Gottes – der Teufel hat dieses Spiel verloren.

Musikalische Vorbilder

Gounod setzt in seiner Oper auf Effekt und große Geste: Er geht immer aufs Ganze, ob im wilden Soldatenchor, der romantischen, fast kitschigen Liebesszene oder der dämonischen Schauerlichkeit, wenn die Hölle nach Marguerites Seele greift. Gounod zeigt sich hier in den fünf Akten als französischer Hochromantiker, der für die große Bühne komponierte.
Charles Gounod um 1890
Charles Gounod um 1890© imago stock&people
Und doch blitzen die nicht-französischen Vorbilder deutlich hervor. So komponierte Gounod zum Beispiel eine Hommage an Johann Sebastian Bach in seine Kirchenszene. Auch das Treffen mit Felix Mendelssohn Bartholdy in Leipzig hat ihn beeinflusst und lässt sich an vielen Stellen erahnen. Und in den Ensemblenummern hat Gounod seine Lieblingsoper von Mozart nicht vergessen. Den Figaro, den er allen jungen Musikern zum Studium empfahl.
Das Teatro Real Madrid hat diese Oper in Zusammenarbeit mit dem Opernhaus Amsterdam realisiert.
Aufzeichnung der Oper vom 4. Oktober 2018 im Teatro Real Madrid
Charles Gounod
"Faust", Grand Opéra in fünf Akten
Libretto: Jules Barbier und Michael Carré

Faust - Piotr Beczala, Tenor
Méphistophélès - Luca Pisaroni, Bassbariton
Marguerite - Marina Rebeka, Sopran
Valentin - Stéphane Degout, Bariton
Wagner - Isaac Galán, Bariton
Siébel - Serena Malfi, Mezzosopran
Marthe Schwertlein - Sylvie Brunet-Grupposo, Mezzosopran

Chor und Orchester des Teatro Real Madrid
Leitung: Dan Ettinger

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