Fatou Diome erhält den Liberatur-Preis
Der 1987 ins Leben gerufene Liberatur-Preis will das Augenmerk auf Schriftstellerinnen aus dem Süden lenken. In diesem Jahr wurde die im Senegal geborene Fatou Diome ausgezeichnet. Sie erhielt den Preis für ihr Aufsehen erregendes Romandebüt „Der Bauch des Ozeans“. In Frankreich war das Buch ein Bestseller.
„La liberté“, die Freiheit – antwortet Fatou Diome mit einem strahlenden Lachen auf die Frage, was für eine Afrikanerin den Unterschied ausmacht zwischen einem Leben in ihrem Heimatdorf und in Europa.
Die im Senegal geborene Schriftstellerin, die jetzt für ihren Roman „Der Bauch des Ozeans“ den Liberatur-Preis erhalten hat, weiß genau, wovon sie spricht. Die 37-Jährige kam in einem Fischerdorf zur Welt, ihre Mutter war nicht verheiratet. Als uneheliches Kind, als Mädchen noch dazu, traf sie die ganze Wucht der traditionellen Ordnung:
„Der Mann ist der Chef, er führt das Wort, er hat die Macht. Von den Frauen verlangt man, dass sie sich unterwerfen. Als kleines Mädchen fragt man dich nicht nach deiner Meinung. Man entscheidet über dein Leben, du hast keine Wahl.“
Die Familie schickte die kleine Fatou nicht zur Schule, denn Schule kostet Geld. Deshalb schlich sie sich durch die offene Tür ins Klassenzimmer und setzte sich in die letzte Reihe. Schließlich gab der Lehrer es auf, sie fortzuschicken. Die Großmutter, eine Analphabetin, die das ungeliebte Mädchen bei sich aufgenommen hatte, fand es irgendwann praktisch, dass die Enkelin die Zahlen auf dem Bus lesen konnte.
Sobald Fatou älter war, verließ sie das Dorf:
„Wenn andere über dein Leben entscheiden, hast du keine Möglichkeit, deine Träume zu verwirklichen. Heute, wo auch die Frauen träumen, ist das schwer zu ertragen.“
Fatou Diome geht in die Hauptstadt Dakar, um weiter zu lernen. Dort trifft sie einen jungen Franzosen, die beiden heiraten und ziehen in seine Heimat nach Straßburg. Aber die Ehe geht schon bald in die Brüche: Fatou Diome ist nicht die anpassungswillige Afrikanerin, die ihre Pläne für den Ehemann aufgibt. Sie studiert Literatur und verdient nebenher ihren Lebensunterhalt.
„Ich habe in Straßburg sechs Jahre lang als Putzfrau gearbeitet. Es wäre leicht gewesen, einen Minirock anzuziehen und mich dafür bezahlen zu lassen. Ich wollte das nicht. Ich habe lieber geputzt.“
Das Schreiben ist ihr Halt: In Gedichten und Kurzgeschichten verarbeitet Fatou Diome ihre Erfahrungen in Europa, wo sie als Putzfrau geduldet, als Schwiegertochter abgelehnt, als Afrikanerin mitunter beschimpft wird.
Europa schärft zugleich ihren Blick für die Schattenseiten Afrikas: Da sind die Heimkehrer aus dem Norden, die in ihrem Dorf mit Geschenken Eindruck schinden und sich eine Zweitfrau zulegen, aber verschweigen, wie sie in Europa gelitten haben – um ihr Ansehen nicht zu verspielen. Dorfbewohner, „die kaum den IQ eines Schalentieres erreichen“ machen mit ihrer Selbstgerechtigkeit alle nieder, die ihr bescheidenes Niveau übersteigen. Männer schlagen ihre Frauen, und Frauen prostituieren sich, um den Lebensunterhalt für ihre Kinder zu verdienen.
„Mein Leben in Frankreich erlaubte mir, Dinge im Senegal zu sehen, die mich schockierten, die ich zuvor nicht bemerkt hatte. Zuvor war das normal, ich kannte es nicht anders. Jetzt, auf dem Hintergrund meiner innigen Erfahrungen mit der westlichen Kultur, habe ich Dinge verstanden – und ich kann sie nicht akzeptieren. Dinge, die ich ungerecht finde. Außerdem weiß ich jetzt, dass ich das Recht habe zu sagen: „Ich bin nicht einverstanden!"“
Fatou Diome macht die Brüche und die neuen Erfahrungen der Menschen zwischen den Kontinenten zu ihrem Thema, sie ist eine Schriftstellerin der globalisierten Welt. In ihrem Alltag ist sie dagegen, hier wie dort, von den alten Klischees umstellt:
„Wenn ich in Europa mit meinem Schokoladengesicht spazieren gehe, sehen alle Leute in mir sofort die Afrikanerin. Im Senegal sehen sie, wie ich mich kleide, dass ich einen bestimmten Akzent habe, und sie sagen: Ah, ja, die Französin!“
Die Senegalesin mit französischem Pass schreibt lakonisch, ohne große Gesten. Mit leichter Hand. Witzig. Zugleich führt sie eine scharfe Klinge. Das ist auch nötig bei den Zumutungen, die ihrer Protagonistin Salie im Roman „Der Bauch des Ozeans“ begegnen, als sie aus der Enge ihres Heimatdorfes flieht.
„In der afrikanischen Tradition gibt es Dinge, die man unbedingt erhalten muss. Aber es gibt auch Dinge, die gehören in den Mülleimer.“
Trotz Kritik an Afrika, mitunter sogar Abscheu – viele ihrer Landsleute, die im Norden leben, träumen von einer Rückkehr „nach Hause“. Das ist bei Fatou Diome anders:
„Ich habe die Träume getötet. Ich bin eine Reisende. Ich kann in Australien leben oder im Senegal, in Frankreich oder in Deutschland. Das ist für mich das Gleiche. Denn mein Land ist in mir.“
Die im Senegal geborene Schriftstellerin, die jetzt für ihren Roman „Der Bauch des Ozeans“ den Liberatur-Preis erhalten hat, weiß genau, wovon sie spricht. Die 37-Jährige kam in einem Fischerdorf zur Welt, ihre Mutter war nicht verheiratet. Als uneheliches Kind, als Mädchen noch dazu, traf sie die ganze Wucht der traditionellen Ordnung:
„Der Mann ist der Chef, er führt das Wort, er hat die Macht. Von den Frauen verlangt man, dass sie sich unterwerfen. Als kleines Mädchen fragt man dich nicht nach deiner Meinung. Man entscheidet über dein Leben, du hast keine Wahl.“
Die Familie schickte die kleine Fatou nicht zur Schule, denn Schule kostet Geld. Deshalb schlich sie sich durch die offene Tür ins Klassenzimmer und setzte sich in die letzte Reihe. Schließlich gab der Lehrer es auf, sie fortzuschicken. Die Großmutter, eine Analphabetin, die das ungeliebte Mädchen bei sich aufgenommen hatte, fand es irgendwann praktisch, dass die Enkelin die Zahlen auf dem Bus lesen konnte.
Sobald Fatou älter war, verließ sie das Dorf:
„Wenn andere über dein Leben entscheiden, hast du keine Möglichkeit, deine Träume zu verwirklichen. Heute, wo auch die Frauen träumen, ist das schwer zu ertragen.“
Fatou Diome geht in die Hauptstadt Dakar, um weiter zu lernen. Dort trifft sie einen jungen Franzosen, die beiden heiraten und ziehen in seine Heimat nach Straßburg. Aber die Ehe geht schon bald in die Brüche: Fatou Diome ist nicht die anpassungswillige Afrikanerin, die ihre Pläne für den Ehemann aufgibt. Sie studiert Literatur und verdient nebenher ihren Lebensunterhalt.
„Ich habe in Straßburg sechs Jahre lang als Putzfrau gearbeitet. Es wäre leicht gewesen, einen Minirock anzuziehen und mich dafür bezahlen zu lassen. Ich wollte das nicht. Ich habe lieber geputzt.“
Das Schreiben ist ihr Halt: In Gedichten und Kurzgeschichten verarbeitet Fatou Diome ihre Erfahrungen in Europa, wo sie als Putzfrau geduldet, als Schwiegertochter abgelehnt, als Afrikanerin mitunter beschimpft wird.
Europa schärft zugleich ihren Blick für die Schattenseiten Afrikas: Da sind die Heimkehrer aus dem Norden, die in ihrem Dorf mit Geschenken Eindruck schinden und sich eine Zweitfrau zulegen, aber verschweigen, wie sie in Europa gelitten haben – um ihr Ansehen nicht zu verspielen. Dorfbewohner, „die kaum den IQ eines Schalentieres erreichen“ machen mit ihrer Selbstgerechtigkeit alle nieder, die ihr bescheidenes Niveau übersteigen. Männer schlagen ihre Frauen, und Frauen prostituieren sich, um den Lebensunterhalt für ihre Kinder zu verdienen.
„Mein Leben in Frankreich erlaubte mir, Dinge im Senegal zu sehen, die mich schockierten, die ich zuvor nicht bemerkt hatte. Zuvor war das normal, ich kannte es nicht anders. Jetzt, auf dem Hintergrund meiner innigen Erfahrungen mit der westlichen Kultur, habe ich Dinge verstanden – und ich kann sie nicht akzeptieren. Dinge, die ich ungerecht finde. Außerdem weiß ich jetzt, dass ich das Recht habe zu sagen: „Ich bin nicht einverstanden!"“
Fatou Diome macht die Brüche und die neuen Erfahrungen der Menschen zwischen den Kontinenten zu ihrem Thema, sie ist eine Schriftstellerin der globalisierten Welt. In ihrem Alltag ist sie dagegen, hier wie dort, von den alten Klischees umstellt:
„Wenn ich in Europa mit meinem Schokoladengesicht spazieren gehe, sehen alle Leute in mir sofort die Afrikanerin. Im Senegal sehen sie, wie ich mich kleide, dass ich einen bestimmten Akzent habe, und sie sagen: Ah, ja, die Französin!“
Die Senegalesin mit französischem Pass schreibt lakonisch, ohne große Gesten. Mit leichter Hand. Witzig. Zugleich führt sie eine scharfe Klinge. Das ist auch nötig bei den Zumutungen, die ihrer Protagonistin Salie im Roman „Der Bauch des Ozeans“ begegnen, als sie aus der Enge ihres Heimatdorfes flieht.
„In der afrikanischen Tradition gibt es Dinge, die man unbedingt erhalten muss. Aber es gibt auch Dinge, die gehören in den Mülleimer.“
Trotz Kritik an Afrika, mitunter sogar Abscheu – viele ihrer Landsleute, die im Norden leben, träumen von einer Rückkehr „nach Hause“. Das ist bei Fatou Diome anders:
„Ich habe die Träume getötet. Ich bin eine Reisende. Ich kann in Australien leben oder im Senegal, in Frankreich oder in Deutschland. Das ist für mich das Gleiche. Denn mein Land ist in mir.“