Fasziniert vom Geist der Zwanziger
Er ist einer der besonders schillernden Vertreter der Musikszene, und Berlin war für ihn eine wichtige Lebensstation: David Bowie machte die Metropole in den Siebzigern zu seinem Lebensmittelpunkt und schuf die Alben "Low", "Heroes" und "Lodger". Tobias Rüther hat diese Lebensphase des Popidols in "Helden - David Bowie und Berlin" beschrieben.
David Bowie, 1948 im Londoner Arbeiterviertel Brixton unter dem bürgerlichen Namen David Robert Jones geboren, gehört zu den wandlungsfähigsten Persönlichkeiten der internationalen Rock-, Show- und Filmszene. Kaum eine Rolle, in die er nicht schon geschlüpft wäre - kaum ein Bereich der Kunst, in dem er sich nicht schon versucht hätte: Theater, Film, Malerei, Klassik und natürlich Rockmusik.
Exzentrisch und kühl, sprunghaft und launisch, manchmal mit theatralisch zur Schau getragenem Selbstbewusstsein, bewegt sich der charismatische Musiker seit mehr als 40 Jahren in der Musikszene. Eine der wichtigsten Stationen seiner Karriere war Berlin, wo mit "Low", "Heroes" und "Lodger" zwischen 1976 und '77 drei seiner interessantesten Platten teilweise oder vollständig entstanden. Zudem spielte Bowie eine Rolle in dem Zwanzigerjahre-Streifen "Schöner Gigolo - armer Gigolo".
Der Journalist und Autor Tobias Rüther hat Gespräche mit Zeitzeugen, die gleichzeitig ein Bild der Atmosphäre in der geteilten Stadt Ende der siebziger Jahre zeichnen, zu einer Bestandsaufnahme dieser wichtigen Phase des Musikers zusammengeführt.
Berlin hatte damals den Ruf einer Hauptstadt der Dekadenz, enormer künstlerischer Produktivität und kreativer Anstöße. Es erschien als Insel zwischen den politischen Blöcken, auf der Leben wie Kultur und Kunst einem anderen Rhythmus unterworfen waren. Noch immer atmete die Stadt den Geist der legendären Zwanzigerjahre, als Berlin der Nabel der kreativen Welt war.
Und genau diese Atmosphäre suchte David Bowie, als er auf der Flucht vor der künstlichen Welt von Los Angeles, geplagt von Verfolgungswahn und Nazivisionen, im Berliner Stadtteil Schöneberg strandete - fast so, wie zwei Jahre später in seiner Rolle als Außerirdischer im Film "Der Mann, der vom Himmel fiel".
Bowie wollte sich vom Hyperstress seiner Zeit in den USA erholen und sich von Drogen und Alkohol befreien, was ihm ausgerechnet in Deutschlands Drogen-Stadt Nummer eins nach und nach tatsächlich gelang. Bowie gab in der Stadt des deutschen Expressionismus nicht den Star, der mit großer Entourage durch die Nobel-Diskotheken und Bars der Stadt schwebt, sondern lebte fast unerkannt ein "normales" Leben.
Er ging in Szene-Kneipen, besuchte Museen, ging spazieren und fuhr mit dem Fahrrad ins Hansa-Studio direkt am Potsdamer Platz. Dort entstanden, nur ein paar Schritte von der Mauer entfernt, neue Bowie-Songs, die den Geist der Veränderung atmeten, aber gleichzeitig die düstere Atmosphäre der Stadt widerspiegelten - darunter mit "Helden" der wohl eindrucksvollste Song über eine Liebe im Schatten der Berliner Mauer.
Tobias Rüther erzählt in seinem Buch "Helden - David Bowie und Berlin" die Geschichte eines Suchenden, der in nostalgischer Kulisse, wo Punk und alles Neuartige einen fruchtbaren Boden fanden, nach einer neuen Identität strebte, aber die Stadt genauso plötzlich wieder verließ, als sein Interesse an ihr erlahmte.
Rüther, der erst drei Jahre alt war, als Bowie nach Berlin kam, hat sich auf die Suche begeben, mit Musikern, Produzenten, Tontechnikern, Liebschaften und Szenegängern als Zeitzeugen gesprochen und Wissen aus etlichen Bowie-Biografien und Aufsätzen über Bowies Zeit in Berlin übernommen. So entstand ein detailgenaues und unterhaltsames Buch über Bowies Leben und Arbeit in Berlin, das einerseits zwar als Dokumentation seines Aufenthaltes angesehen werden kann, letztendlich jedoch auch dem in der Stadt sorgsam gepflegten Bowie-Mythos erliegt.
Der Autor hätte besser daran getan, nicht jedem noch so unwichtigen Schritt und jeder Äußerung des Künstlers, sei es zum deutschen Expressionismus, zum Nationalsozialismus, zu Trends in der Musikszene oder zu Persönlichkeiten wie Rainer Werner Fassbinder und Marlene Dietrich, eine tiefere Bedeutung anzudichten und alles mit allem in Verbindung zu bringen.
Rezensiert von Uwe Wohlmacher
Tobias Rüther: Helden - David Bowie und Berlin
Rogner & Bernhard Berlin
222 Seiten, 19,90 Euro
Exzentrisch und kühl, sprunghaft und launisch, manchmal mit theatralisch zur Schau getragenem Selbstbewusstsein, bewegt sich der charismatische Musiker seit mehr als 40 Jahren in der Musikszene. Eine der wichtigsten Stationen seiner Karriere war Berlin, wo mit "Low", "Heroes" und "Lodger" zwischen 1976 und '77 drei seiner interessantesten Platten teilweise oder vollständig entstanden. Zudem spielte Bowie eine Rolle in dem Zwanzigerjahre-Streifen "Schöner Gigolo - armer Gigolo".
Der Journalist und Autor Tobias Rüther hat Gespräche mit Zeitzeugen, die gleichzeitig ein Bild der Atmosphäre in der geteilten Stadt Ende der siebziger Jahre zeichnen, zu einer Bestandsaufnahme dieser wichtigen Phase des Musikers zusammengeführt.
Berlin hatte damals den Ruf einer Hauptstadt der Dekadenz, enormer künstlerischer Produktivität und kreativer Anstöße. Es erschien als Insel zwischen den politischen Blöcken, auf der Leben wie Kultur und Kunst einem anderen Rhythmus unterworfen waren. Noch immer atmete die Stadt den Geist der legendären Zwanzigerjahre, als Berlin der Nabel der kreativen Welt war.
Und genau diese Atmosphäre suchte David Bowie, als er auf der Flucht vor der künstlichen Welt von Los Angeles, geplagt von Verfolgungswahn und Nazivisionen, im Berliner Stadtteil Schöneberg strandete - fast so, wie zwei Jahre später in seiner Rolle als Außerirdischer im Film "Der Mann, der vom Himmel fiel".
Bowie wollte sich vom Hyperstress seiner Zeit in den USA erholen und sich von Drogen und Alkohol befreien, was ihm ausgerechnet in Deutschlands Drogen-Stadt Nummer eins nach und nach tatsächlich gelang. Bowie gab in der Stadt des deutschen Expressionismus nicht den Star, der mit großer Entourage durch die Nobel-Diskotheken und Bars der Stadt schwebt, sondern lebte fast unerkannt ein "normales" Leben.
Er ging in Szene-Kneipen, besuchte Museen, ging spazieren und fuhr mit dem Fahrrad ins Hansa-Studio direkt am Potsdamer Platz. Dort entstanden, nur ein paar Schritte von der Mauer entfernt, neue Bowie-Songs, die den Geist der Veränderung atmeten, aber gleichzeitig die düstere Atmosphäre der Stadt widerspiegelten - darunter mit "Helden" der wohl eindrucksvollste Song über eine Liebe im Schatten der Berliner Mauer.
Tobias Rüther erzählt in seinem Buch "Helden - David Bowie und Berlin" die Geschichte eines Suchenden, der in nostalgischer Kulisse, wo Punk und alles Neuartige einen fruchtbaren Boden fanden, nach einer neuen Identität strebte, aber die Stadt genauso plötzlich wieder verließ, als sein Interesse an ihr erlahmte.
Rüther, der erst drei Jahre alt war, als Bowie nach Berlin kam, hat sich auf die Suche begeben, mit Musikern, Produzenten, Tontechnikern, Liebschaften und Szenegängern als Zeitzeugen gesprochen und Wissen aus etlichen Bowie-Biografien und Aufsätzen über Bowies Zeit in Berlin übernommen. So entstand ein detailgenaues und unterhaltsames Buch über Bowies Leben und Arbeit in Berlin, das einerseits zwar als Dokumentation seines Aufenthaltes angesehen werden kann, letztendlich jedoch auch dem in der Stadt sorgsam gepflegten Bowie-Mythos erliegt.
Der Autor hätte besser daran getan, nicht jedem noch so unwichtigen Schritt und jeder Äußerung des Künstlers, sei es zum deutschen Expressionismus, zum Nationalsozialismus, zu Trends in der Musikszene oder zu Persönlichkeiten wie Rainer Werner Fassbinder und Marlene Dietrich, eine tiefere Bedeutung anzudichten und alles mit allem in Verbindung zu bringen.
Rezensiert von Uwe Wohlmacher
Tobias Rüther: Helden - David Bowie und Berlin
Rogner & Bernhard Berlin
222 Seiten, 19,90 Euro