"Faszinierende Unbekannte"

Sie - Johanna (geb. 1810), katholisch, in Scheidung lebend - und er - Gottfried Kinkel, fünf Jahre jünger als Johanna, evangelischer Theologe - wurden in der Universitätsstadt Bonn ein Paar. Ein Skandal ! - befindet das gesellschaftliche Umfeld. Beide heiraten 1843 sogar, u.a. fungiert der spätere Dichter Emanuel Geibel als Trauzeuge. Geibel, aber auch Jacob Burckhardt, sind schon länger mit den "Kinkels" befreundet, sind sie doch Mitglied des 1840 von Johanna gegründeten Dichterkreises "Der Maikäferbund".
Darüberhinaus leitet Johanna auch einen Gesangsverein und gibt Klavierunterricht. Aufgrund der ungewöhnlichen Heirat verliert Gottfried Kinkel seine Anstellung, gerät dann - aufgrund seiner "linken" Einstellung - zunehmend in die Politik. Beide Kinkels engagieren sich stark in der 1848er Revolution. Er wird verhaftet, erst zum Tod, dann - aufgrund von Interventionen - zu lebenslanger Haft verurteilt. Harte Jahre für die Familie. Vor allem mit Klavierstunden hält Johanna die Kinder und sich am Leben. 1850 gelingt Gottfried Kinkel eine spektakuläre Flucht aus dem Berlin-Spandauer Gefängnis; er flieht nach London, Johanna kommt nach. In London werden sie in die höheren gesellschaftlichen Kreise aufgenommen, es geht ihnen sozial wieder sehr gut. Johanna Kinkel bekommt sogar einen Flügel von Érard von ihrem Mann geschenkt. 1858 stirbt sie durch einen Fenstersturz.

Zeit ihres Lebens hat sich Johanna Kinkel politisch und sozial stark engagiert, Zeit ihres Lebens hat sie immer auch gedichtet und Lieder geschrieben. Ihre vergessenen Lieder wurden in unserer Konzertreihe für Alte Musik "Nachklang" am 9. August in Petzow wieder ins Gedächtnis zurückgerufen. Flankiert wurden die Lieder durch Briefe Johanna Kinkels, die bis vor wenigen Monaten noch völlig vergessen waren. Erst die Beschäftigung mit der Fotografin und Journalistin Marie Goslich aus Anlass einer ihr gewidmeten Ausstellung förderte diese Briefe Johanna Kinkels zutage. Marie Goslich hatte diese Kinkel-Briefe in den Preußischen Jahrbüchern 1899 veröffentlicht.



Nachklang
Schinkelkirche Petzow
Aufzeichnung vom 9.8.2008

Konzert im Rahmen der Alte Musik-Reihe "Nachklang" von Deutschlandradio Kultur anlässlich der Eröffnung der Marie-Goslich-Ausstellung

"Faszinierende Unbekannte"

Johanna Kinkel, ihre Lieder und Briefe

Wolle Keiner mich fragen op. 18, Nr. 5
Text: Emanuel Geibel

Rheinsage op. 8, Nr. 2
Text: Emanuel Geibel

Am Ufer op. 18, Nr. 2
Text: Johanna Kinkel

Seelige Nacht op. 18, Nr. 4
Text: ohne Angaben

Rheinfahrt op. 16, Nr. 5
Text: Sebastian Longard

Nächtliche Fahrt op. 16, Nr. 2
Text: Johanna Kinkel

Gegenwart op. 16, Nr. 4
Text: Johann Wolfgang von Goethe

Stürmisch Wandern op. 18, Nr. 6
Text: Gottfried Kinkel

An den Mond op. 7, Nr. 5
Text: Johann Wolfgang von Goethe

Gondellied op. 8, Nr. 3
Text: Emanuel Geibel

An Luna op. 6, Nr. 4
Text: Johann Wolfgang von Goethe

Thurm und Fluth op. 19, Nr. 6
Text: Gottfried Kinkel

Die Zigeuner op. 7, Nr. 6
Text: Emanuel Geibel

Auf wohlauf, ihr Candioten op. 18, Nr.3
Text: Gottfried Kinkel

Trennung op. 8 Nr. 5
Text: Emanuel Geibel

Beduinen Romanze op. 19, Nr. 4
Text: Gottfried Kinkel

Provencalisches Lied op. 21, Nr. 4
Text: Gottfried Kinkel

Römische Nacht op. 15, Nr. 1
Text: Johanna Kinkel



Marina Behnke, Lesung aus Briefen von Johanna Kinkel
Judith Gennrich, Mezzosopran
Rita Herzog, originaler Hammerflügel von Johann Baptist Streicher (1857)