Faszinierende Schaltzentrale

Zu Gast: Prof. Dr. Michael Madeja, Neurowissenschaftler und Geschäftsführer der Gemeinnützigen Hertie-Stiftung |
Unser Gehirn: Ein großes Bierzelt, gefüllt mit vielen satten und durstigen Trinkern, den Kleinstteilen von Nervenzellen? So hat bisher noch kein Forscher die Schaltzentrale unseres Körpers beschrieben. Der Neurowissenschaftler Michael Madeja wählt bewusst solche Vergleiche, denn er will Laien einfach und anschaulich erklären, wie das Gehirn funktioniert.
Gedächtnisleistungen werden dabei mit dem Anlegen von Gärten verglichen, Informationsverarbeitung mit dem Düngen von Blumen, anhand von Fußballspielen erfährt der Leser wie komplexer Lernprozesse vonstatten gehen.

"Das Kleine Buch vom Gehirn", das gerade im Verlag C.H. Beck erschienen ist, hat der Mediziner für all jene verfasst, die keine Zeit oder Lust haben, Sachbücher zu wälzen oder denen die Hirnforschung zu kompliziert erscheint.

Hinter der populären Fassade des Buchs verbirgt sich eine kompakte und fundierte Information rund um den aktuellen Stand der Neurowissenschaften, einer der faszinierendsten wissenschaftlichen Disziplinen.

Den Geschäftsführer des Bereichs Hirnforschung der Gemeinnützigen Hertie-Stiftung hat sie bereits von Kindesbeinen an interessiert:

"Ein richtiges Erweckungserlebnis hatte ich am Institut für Physiologie, als wir die Tätigkeit von Nervenzellen abgeleitet und diese in Töne übersetzt haben. Das klang wie ein Staccato-Rhythmus, sehr schnell und dynamisch. Das hat mich fasziniert."

Die Faszination ist geblieben – und so gibt der Autor Auskunft über die unglaubliche Leitungsfähigkeit des Gehirns, seine Anpassungsfähigkeit, über Fragen, wie wir unsere grauen Zellen auch im hohen Alter fit halten können, und ob die neuen Medien und das Internet nun schädlich für unser Oberstübchen sind oder nicht.

Michael Madeja, Jahrgang 1962, gehört zudem zu den führenden Forschern auf dem Gebiet der hirnbezogenen Krankheiten, der Alzheimererkrankung, Parkinson, Multiple Sklerose, Epilepsie. Derzeit leben in Deutschland rund eine Million Alzheimer-Patienten, weltweit sind es 25 Millionen. Im Jahr 2050 wird sich die Zahl in Deutschland verdoppelt haben, weltweit sogar vervierfacht.
Michael Madeja mahnt eine dringende gesellschaftliche Diskussion an:

"Da tickt eine gesellschaftliche Zeitbombe. Wir rechnen mit etwa 100 Milliarden Euro für hirnbezogene Krankheiten. Entweder wir werden Einschränkungen unseres Lebensstandards akzeptieren, um die Pflege zu finanzieren, was mir im Moment politisch nicht durchsetzbar erscheint. Oder wir geben Prinzipien in der Pflege auf, die wir im Moment für unverzichtbar und human halten. Die Japaner arbeiten an Pflegerobotern, und in einigen Ländern diskutiert man Alzheimer-Ghettos, in denen man die Kranken mit minimalem Pflegeaufwand ihrem Schicksal überlasst. Unser große Chance ist die Forschung."

Wenn es gelänge, den Ausbruch von Alzheimer um fünf Jahre hinauszuzögern, könne man 50 Prozent der Kosten sparen – ganz abgesehen von dem höheren Lebensstandard der Betroffenen.


"Faszinierende Schaltzentrale – Unser Gehirn" - Darüber diskutiert Stephan Karkowsky heute von 9 Uhr 05 bis 11 Uhr gemeinsam mit dem Hirnforscher Michael Madeja. Hörerinnen und Hörer können sich beteiligen unter der Telefonnummer 0800 / 2254 2254 oder per E-Mail unter gespraech@dradio.de.

Informationen im Internet:
Über Michael Madeja und die gemeinnützige Hertie-Stiftung

Literaturhinweis:
Michael Madeja: "Das Kleine Buch vom Gehirn. Reiseführer in ein unbekanntes Land", C.H. Beck Verlag, 223 Seiten, 17,95 Euro