Fast wie im echten Märchen

Von Svenja Pelzel · 26.12.2008
Manche haben ihn schon duzende Male gesehen, CD und DVD Zuhause, können ganze Szenen mitsprechen - die Rede ist vom tschechischen Märchen-Kult-Film "Drei Haselnüsse für Aschenbrödel". Seit 32 Jahren läuft er von Heiligabend bis zum zweiten Weihnachtsfeiertag fast ununterbrochen im deutschen Fernsehen. Doch für die wahren Fans ist der Höhepunkt eines Aschenbrödel-Jahres nicht Weihnachten, sondern Januar und Februar. Dann nämlich finden auf Burg Bilstein in Nordrhein Westfalen die Aschenbrödelpartys statt.
"Die erste Aschenbrödelparty war bei uns im Wohnzimmer.
Dat wissen die nich! Dat weiß keiner, dat isch hier bin! .
Antworten sie mir: wollen Sie mich heiraten? - Erst gebe ich ihnen ein Rätsel auf, das sie erraten müssen. Die Wangen sind mit Asche beschmutzt, aber der Schornsteinfeger ist es nicht.
Es gibt so viel Vereine, Kaninchenvereine, Taubenvereine – sollen die alle spinnen?"

Schnaufend schleppt Eva ihren Koffer die steinerne Treppe zur Burg Bilstein hoch, stemmt die schwere Holztüre auf. Verloren blickt sich die 32-Jährige in der leeren Halle der Jugendherberge um, setzt sich auf eine harte Holzbank, wartet auf die anderen. Heute ist Party auf der Burg in Bilstein, einem kleinen Kaff in Nordrhein-Westfahlen. Das Motto: ‚Drei Haselnüsse für Aschenbrödel’ oder 3HfA, wie die echten Fans sagen. Gabi kommt herein, gesellt sich zu Eva. Obwohl die beiden Frauen sich noch nie gesehen haben, fangen sie trotzdem sofort an, über das! Thema das Tages zu plaudern:

"Ich weiß noch genau, ich war acht, da hab ich den Film das erste Mal gesehen. Das war auch ne ganz wichtige Sache, ich musste erst meine Mathehausaufgaben machen zu ende machen, Multiplikation mit acht, da habe ich mich auch richtig angestrengt, da ging das ganz schnell. Und der Film war natürlich toll. Ich habe mich in das Pferd verliebt, in Aschenbrödel und den Prinzen, in der Reihenfolge glaube ich und seitdem gucke ich jedem Winter diesen Film."

Eva ist ein burschikoser Typ, Berufsschullehrerin, rötlich kurze Haare, ungeschminkt, Jeanshose. Obwohl sie immer einen Spruch auf den Lippen hat, wollte sie ihrer Familie lieber nicht erzählen, wo genau sie dieses Wochenende verbringt.

"Dat wissen die nich! Dat weiß keiner, dat isch hier bin! Ich komm aus dem Rheinland, dann hab ich einfach gesagt, ich feier mittelalterlichen Karneval auf einer Burg kurz hinter Köln, was auch nicht ganz stimmt, aber okay, ja kommt, biste in einem historischen Karnevalsverein, ja, was macht ihr da? Wir nähen, wir studieren Tänze ein, das ist alles sehr mit einem geschichtlich, historischen Anspruch, ich bin doch Geschichtslehrerin, da passt das alles. Und die glauben mir das, die denken, selbst den Karneval feiert sie intellektuell."

Langsam füllt sich die Burg. Kathrin und Sven Miebach, die beiden Veranstalter kommen an, bepackt mit schweren Kisten voller Dekokram und Knabbereien. Noch während Kathrin die Sachen abstellt, begrüßt die 34-Jjährige in ihrem rasanten Sprechtempo drei Leute gleichzeitig, gibt Küsschen, fragt Neuigkeiten ab. Man kennt sich, es ist die elfte Aschenbrödel-Party heute.

"Die erste Aschenbrödelparty war bei uns im Wohnzimmer. Wir besaßen keinen Videorecorder und deshalb mussten wir also gucken, wann der Film im Fernsehen kommt. Und dann haben wir da zur Aschenbrödelparty eingeladen, zu der selbstverständlich keiner gekommen ist. Und dann haben wir Haselnusskekse gebacken, natürlich mit jeweils drei Haselnüssen drin und Erbsensuppe gekocht und Glühwein und haben dann halt den Film geguckt, als der im Fernsehen kam. Danach saßen wir noch ein bisschen blöd da rum und das war die erste Aschenbrödel-Party."

Während Kathrin weiter die Gäste begrüßt, baut Sven im alten Pferdestall schon einmal die Tonanlage auf. Er ist Musiker und anders als seine Frau eher der introvertierte Typ mit rundem Bauch und breitem Lächeln. Bei ihrem Hobby – Aschenbrödelpartys zu veranstalten– ist er aber seit dem ersten Mal im Wohnzimmer zuverlässig dabei.

"Ich bin da so rein gewachsen, ich war schon bei der ersten Aschenbrödelparty anwesend. Nachher waren es dann die ganzen Freunde, die auch Interesse hatten, sich den Film mit uns anzuschauen, die waren aber nie so drin in dem Thema wie wir zwei. Ich war auch immer der einzige Mann, der verkleidet war, lange Zeit der einzige Mann mit Strumpfhosen, muss man natürlich auch charakterliche Stärken besitzen. Lachen. Ich hab den Film auch schon gekannt, bevor ich sie gekannt habe. Ich fand es auch klasse, dieses Mädchen, was da durch den Wald reitet und schießt mit der Armbrust und dem Prinzen einen Schneeball ins Gesicht wirf, aber aus mir selber heraus hätte ich so eine Aktion niemals gemacht."

Mittlerweile, so erzählt Sven stolz weiter, sind es zwei Partys, mit jeweils 60 Leuten aus ganz Deutschland, die sie gemeinsam veranstalten. Außerdem gibt es eine Warteliste.

Solange Sven mit dem Aufbau beschäftigt ist, machen Eva und Katrin einen Spaziergang durch den Burgwald, denn passender Weise hat es an diesem Nachmittag in Bilstein geschneit. Während die beiden den steilen Berg hoch wandern, erzählt Katrin Eva leicht atemlos, dass sie eine eigene, ziemlich ausführliche Aschenbrödel-Homepage betreibt. Für die hat sie sogar recherchiert, warum im Film so viel Schnee liegt: weil der tschechische Regisseur Vaclav Vorlicek vor den Dreharbeiten ein Gemälde von Brueghel gesehen hat und nun darauf besteht, dass auch sein Film im Winter spielt. Die gesamte Crew muss deshalb extra in den Böhmerwald fahren, weiß Katrin, oder mit Kunstschnee nachhelfen. Die beiden Spaziergängerinnen sind sicher, dass der Film auch deshalb so erfolgreich ist.

"Das ist einfach die Romantik von diesen wunderbaren weißen Feldern, das ist die Sache, dass Aschenbrödel reiten kann, dass Aschenbrödel auch so gewitzt ist. Normalerweise sind die Prinzessinnen auch so ein bisschen passiv und warten darauf, dass der Prinz nun endlich kütt! Und die ist so sehr selbstbewusst und trotzdem noch sehr weiblich. Und freut sich ja auch, dass sie da so schön angezogen ist und dann zum Ball geht. Und das ist ja auch was, was die moderne Frau in sich verbindet. Einerseits möchten wir ja auch so nett und weiblich sein, das ist ja auch vollkommen okay, aber andererseits, wir heute verdienen unser eigenes Geld, sind sehr selbstbewusst, treffen unsere eigenen Entscheidungen und in diesem Film ist es Aschenbrödel gelungen, einen Mann zu finden, der das okay findet."

Bei so viel Gerede über Märchen und Prinzen, geht mit Eva plötzlich das rheinische Naturell durch.

"Nicht jeder hat ja einen Prinzen, warte jetzt auch schon 15 Jahre drauf. Snief. Es ist so furchtbar. Aber ich lebe weiter, ich geb die Hoffnung nicht auf."

Für Kathrin ist Aschenbrödel eine ernstere Sache.
"Und dann ist mir natürlich auch aufgefallen, was das für eine interessante Person ist, die da dargestellt wird und das war für mich letztendlich auch ein richtiges Vorbild in der Pubertät und so. Aschenbrödel nimmt sich so Freiheiten raus ohne ein schlechtes Gewissen zu haben und genießt das, soweit es ihr möglich ist."

Während die Frauen durch den knöchelhohen Schnee stapfen, hin und wieder an einem kahlen Ast ziehen, kichern, wenn der Schnee auf den Wollmantel der anderen plumpst, plaudern sie weiter über Prinzen, Aschenbrödel und die eigene Jugend.

"Ich habe sogar so schief gegrinst, was dann nicht zu mir passte, das musste ich dann wieder aufgeben. Aber ich habe schon mich bewusst daran orientiert und gedacht, ja komm, du kannst jetzt auch mal was machen und die aktive Rolle übernehmen und zum Beispiel auch fragen, willst Du mit mir gehen oder können wir mal das und das machen, und nicht so da sitzen und das fällt ja auch nicht so auf."

Zurück vom Spaziergang üben Eva, Kathrin und die bereits angereisten Gäste ein paar Tänze ein. Hand in Hand stehen an die 20 Paare in zwei langen Reihen im ehemaligen Pferdestall der Burg, unter sich kleine stolperverdächtige Pflastersteine, oben dicke, dunkelbraun gebeizte Holzbalken. Es ist kühl. Noch brennt in dem steinernen Kamin am Saalende kein Feuer. Alle blicken erwartungsvoll auf Kathrin neben der Tonanlage. Mit ihrer geübter Lehrerinnenstimme erklärt sie die Schrittfolgen, die sie sich selbst ausgedacht hat, gibt Einsätze und Kommandos.

Die Kälte im Saal ist schnell vergessen. Verschwitzt, mit roten Wangen und aufgelösten Frisuren wirbeln die Paare zur Aschenbrödelmusik über die Pflastersteine. Vier Schritte vor, vier zurück, Drehung, Wechsel zum nächsten Partner. Alle lachen, zählen laut mit, stolpern und rennen zurück auf Position. Die Männer und Frauen sind zwischen 20 und 50. Die meisten haben sich noch vor wenigen Stunden nicht gekannt, wirken jetzt vertraut wie alte Freunde. Auch Kathrin ist mit ihren Gästen hochzufrieden.

"Das fluppt immer eins A. Die räumen auch immer alles mit auf und fragen auch, können wir noch was mit anpacken. Das ist so toll. Sonst ging das auch nicht. Ich kann nicht alleine für 60 Mann Geschirr schleppen. Und es kommen Gott sei Dank auch nur Leute, die das ohne Bedenken einsehen und mit anpacken. Die sind auch sonst so. Die tanzen sofort mit und machen jeden Scheiß und haben auch noch Spaß dabei. Das ist ganz, ganz toll."

Immer häufiger geht jetzt am späten Nachmittag die alte Holztüre zum Pferdestall auf. Die Neuankömmlinge werfen einen kurzen Blick auf die schon Tanzenden und reihen sich sofort ein.
"Du musst schon Standing haben, wenn Du auf so eine Party gehst, vor lauter fremden Leuten in einem abstrusen Kostüm herum zu laufen. Die Herren haben Strumpfhosenpflicht, nee, haben se nicht, aber ich sag das immer. Da muss man schon cool sein. Und gegebenenfalls mit fremden Leuten auf einem Zimmer, in so einem harten Jugendherbergsbett. Und dann sagt so ne möchte gern Veranstalterin, so jetzt tanzt mal bitte alle. Da musst du schon ein besonderer Menschenschlag sein."

19 Uhr, die Party geht los. Im offenen Kamin des alten Pferdestalls knackt jetzt ein großes Feuer. Auf den Tischen, die zu einer Tafel zusammengestellt wurden, liegen weiße Decken, rote Servietten, grüne künstliche Efeuranken. Lange Kerzen in silbernen Leuchter werfen ein flackerndes Licht auf die anwesenden Hofdamen in ihren bodenlangen, bunten Gewändern, auf glitzernde Schleier, Hochsteckfrisuren, Pelzkrägen, Tüten- und Puffärmel, Perlenbänder und Bordüren, auf goldbestickte Westen der Männer, bunte Strumpfhosen und weiße Federn an den Hüten. Erstaunlicherweise sind nur zwei Frauen als schmutziges Aschenbrödel gekommen. Zum Spaß kehren die beiden ein wenig in der Asche des großen Kamins herum und legen Holz nach.

Eva kommt herein, ist kaum wieder zu erkennen. Sie trägt Schmuck, die Haare toupiert und mit Klammern befestigt, Make-up und ein langes flaschengrünes Kleid mit schulterfreiem Oberteil.

"Natürlich wollte ich mir auch selber ein Kleid nähen, hab mir Stoff gekauft, hab mir Schnittmuster gekauft und hab mich im Nähkurs der katholischen Frauengemeinschaft angemeldet. Ich möchte betonen, ich wollte wirklich alles geben. Und hab dann der anwesenden Schneiderin gezeigt, was ich wollte. Da meinte die: ja ham se denn schon mal genäht? Ich so, ja, in der neunten Klasse hab ich eine Näh-AG gemacht und da hab ich mir eine Jogginghose genäht. Gut, meint die Dame, dann zur Übung nähen wir eine Jogginghose."

Im zweiten Anlauf hat auch Evas Kleid geklappt. Andere sind im Nähen geübter. Mit lautem Hallo und Applaus werden Mutter und Tochter begrüßt, die sich originalgetreu die Kostüme von böser Stiefmutter und Schwester Dorle geschneidert haben, inklusive weißem fledermausförmigem Riesenhut mit Schleier.

"Mutter Lachen. Aus Schweißdraht. Ja, nein, den habe ich nicht selbst geschweißt, aber bezogen habe ich den. Alles selbst entworfen, gemacht.
Dorle: Ja wir haben uns gedacht, so Mutter und Tochter, was könnten wir für eine Rolle nehmen – Kicher – es war jetzt nahe liegend.
Mann: Und ich wollt nur sofort klar stellen: ich hab ne Laufmasche, ich hab ne Laufmasche! Großes Gelächter."

Die erste Laufmasche im Leben eines Mannes sorgt für Stimmung. Auch Daena und Janette sind schon beim Hereinkommen fast hysterisch ausgelassen. Und das ohne einen Schluck Alkohol.

"Also ich bin die Einzige wahrscheinlich, die ihr eigene Magd dabei hat, sie putzt, sie wäscht, sie bügelt heute für mich, sie hat die Frisur gemacht – und ich hab auch ihre Schuhe geputzt, wie man sieht ein wunderbares Paar Schuhe – Kicher – Dafür bin ich unten hui – kicher – sie ist unten pfui – kicher kicher, lach. – ich hab gewusst, nach zwei Minuten übernimmt sie hier die ganze Tanzveranstaltung – Alphatiere. Wenn ich irgendwo reinkommt. Alphatier. – Ich bin das Betatier, deswegen bin ich die Magd. Kicher."

Während die beiden 35-jährigen Karlsruherinnen weiter herum giggeln und gackern, bestaunen sie die Kostüme der anderen Gäste. Ihre eigene Verkleidung haben sie im Internet gekauft, einmal Magd, einmal Prinzessin angeklickt. Vor allem Hardy, der lässig am Kamin lehnt und in die Flammen schaut, findet viel Aufmerksamkeit. Mit seinem schwarzen Wams, seiner weißen Straußenfeder am breiten Hut, den geschnürten Lederstiefeln und Pluderhosen sieht er aus wie ein spanischer Adliger der Barockzeit.

"Das ist Größe 34, ist ein Frauenkostüm. Beim ersten Mal hatte ich das an, da hatte ich überall blaue Flecken, weil das so eng war. Und meine Mutter, die ist Schneiderin, da hab ich ihr geraten, sie soll das mal ein bisschen aufmachen, da hab ich mir gedacht, diese Pumpärmel, die hatten die auch früher, die soll sie da mal rein machen. Alles nach meiner Anleitung. Da hat sie auch hier noch ein bisschen raus genommen, hinten, vom Rücken, Ja, jetzt kann ich wieder atmen."

Hardy ist zum fünften Mal auf einer Aschenbrödelparty. Heute hat er ein befreundetes Pärchen mitgebracht: Klaus und Lothar. Die beiden Männer tragen mittelalterliche Hosen, geschnürte Leinenhemden und grobe Wollmützen, blicken amüsiert auf das Gewimmel der Prinzessinnen und Hofdamen, genießen sichtlich die ausgelassene Stimmung im alten Pferdestall.

"Ich bin so lange ich denken kann, Burgenfan, Mittelalter und damit hat sich dann irgendwann die Szene des Mittelaltermarktes entwickelt. vor zehn Jahren das erste Mal auf einem Markt gewesen und dann große Kinderaugen, ja wunderbar, das ist meine Welt. Diese Mütze hier war das erst Teil, das ich mir auf dem Markt gekauft habe, und so hat sich das langsam entwickelt."

Hin und wieder, so erzählt Lothar geht er zu einem Mittelalter-Con, so heißen die großen Veranstaltungen, an denen bis zu 5000 Spieler teilnehmen. Con steht für Convention, zu Deutsch: Treffen. Fast 700 solcher Cons finden jedes Jahr allein in Deutschland statt. Die meisten Themen interessieren Lothar weniger, wie zum Beispiel Krimi, Star Wars, Vampire, Horror, Endzeit oder Cowboy und Indianer. Der 41jährige ist auch froh, dass heute Abend niemand in-time redet, d.h. im Stil der nachgespielten Figuren. Dieser Unterschied ist Kathrin ebenfalls wichtig.

"Es gibt keine Vorschriften, wie man zu reden hat, grad bei diesen Rollenspielen macht ja auch viel die Atmosphäre aus, dass da so mittelalterlich gesprochen wird oder so ein bisschen anders halt, das machen wir nicht. Es muss auch keiner mittanzen, es muss auch keiner den Film gucken, der kann von mir aus 80 Minuten rauchen, das ist mir auch egal. Das finde ich persönlich wichtig, dass es so flexibel ist, wie irgendwie möglich."

Ganz flexibel trägt Katrin ein rotgrünes mittelalterliches Gewand aus dem 12. Jahrhundert, selbst genäht, mit Pelzkragen, Bordüren und passendem topfrunden Hütchen, das sie mit einem breiten Band unterm Kinn fest gebunden hat. Gabi, die gerade die dazugehörigen bodenlangen Tütenärmel bewundert, hat sich aus pink-roter Futterseide ein Kleid gemacht, darüber eine alte schwarze Korsage gezogen und die Haare mit einem Chiffonschal hoch gebunden. Ihr Mann Michael steckt im schwarz-grauen Rittergewand.

"Michael: Ich finde es schön, auch mal in eine Rolle zu schlüpfen und ich finde es schön, dass sich alle so rausgeputzt haben und dem Abend auch eine ganz besondere Note geben. Ich finde, das ist eine richtig schöne, heile Welt zum Genießen und auch das braucht man ab und zu mal. – Gabi: Man muss nicht wirklich sich selbst sein, man bleibt sich wohl treu, aber man kann ein bisschen variieren. Und ich hab unsere Kostüme selbst genäht und das ist ja schon eine Vorfreude, dass man sich drauf vorbereitet."

Obwohl wie Gabi und Michael alle Im Saal ganz normal sprechen, es keine festgelegte Handlung gibt, merkt man trotzdem, dass das Kostüm die Leute verändert. Gabi zum Beispiel reckt ihren perlengeschmückten Hals, steht besonders aufrecht, bewegt sich vorsichtig mit kleinen Schritten, bemüht nicht auf Saum oder Schleppe einer anderen Dame zu treten. Michael zeigt ebenfalls Brustkorb und Rückgrat, versucht sich sogar in galanten Verbeugungen. Rollenspiel ist wie ein Kurzurlaub vom eigenen Ich. Gabi und Michael müssen sich für nichts rechtfertigen, denn alle spielen mit und die Regeln sind klar und festgelegt. Dadurch fällt es den beiden auch leicht, jemanden im Saal kennen zu lernen. Der sonst übliche zähe Small Talk fällt weg, weil alle voneinander bereits etwas Wichtiges wissen: die gemeinsame Leidenschaft für ein bestimmtes Thema.

"Gabi: Meine allergrößte Lieblingsszene ist die, wo: guck, mal guck mal, guck mal Hoheit, ganz am Schluss, wo sie kommt, mit dem Prinzen. Sehr lustig.
Anne: Ich find es süß, wenn die Stiefmutter, diese hehe, als der König und die Königin vom Gut weg fahren. Mit den Fingern so. Ich kann das gar nicht. Oder als sie zu ihrer Tochter sagt, na so hässlich bist du doch gar nicht. Hättest Du nicht ein kleines bisschen schneller sein können, als sie da zum Tanzen. Lachen. Kicher.
Michael: - Kleinröschen ist ja auch in bisschen der Typ Weathergirl."

Beim Festmahl sitzen an diesem Abend an die 60 erwachsene Menschen in bunten pseudohistorischen Kleidern an einer schön geschmückten Tafel, essen wie im Film Hühnchenschlegel und reden über einen Kinderfilm.

"Ich denke dann nicht, Gott sind wir bescheuert, sondern boa, ist das toll wie bescheuert wir sind.
Ich finde das so toll, dass es noch mehr verrückte Leute gibt, die diesen Film so toll finden und überhaupt hier alles mit der Burg, das Ambiente das ist natürlich fantastisch.
Es gibt ganz viele Leute, die gucken irgendwelche blöden Filme. Man kann sich aber auch so ein bisschen seine eigene Atmosphäre schaffen, wo man sagt, man entschlüpft mal für ein Wochenende dem eigenen Alltag.
Es gibt so viel Vereine, Kaninchenvereine, Taubenvereine – sollen die alle spinnen? hmhm. Warum sollten wir nicht das hier machen. Ich find das einfach okay. Auch wenn wir schon erwachsen sind. Aber man bleibt doch irgendwie noch Kind oder? Das Kind im Manne muss man sich doch bewahren."

Nach dem Festessen kommt Kathrin zum ersten Höhepunkt des Abends – dem Kostümwettbewerb. Jeder Gast muss zwei vergoldete Haselnüsse verteilen an den- oder diejenige mit dem besten Outfit. Wer heute Abend gewinnt, ist eigentlich von Anfang an klar.

"Okay, dann kommen wir mal zum Kostümwettbewerb-Finale. Ich hoffe, Ihr habt alle Eure Nuss jemandem geben können, der Euch gefällt. Okay, wer hat alles mehr als fünf. Oh Hardy schon wieder. Dann wollen wir erst mal die Damen küren. Hardy du bist keine Dame, geh mal da rüber. Danke. Wir haben hiermit einen Sieger auf der Damenseite: die böse Stiefmutter, inklusive ihrer Tochter! Applaus."

Hardy darf dann doch noch nach vorne kommen. Er siegt gemeinsam mit Michael bei den Männern - zum zweiten Mal in Folge. Kathrin überreicht den Gewinnern dicke Pralinenschachteln und kommt dann endlich zum eigentlichen Höhepunkt des Abends. Als sie und Sven Leinwand und Videobeamer aufbauen, ist die Vorfreude im Pferdestall förmlich spürbar. Schnell rücken die Gäste ihre Stühle in Position, warten auf Kathrins Ansprache.

"Ja, ich freu mich so unglaublich, dass ihr alle da seid, das könnt ihr Euch gar nicht vorstellen. Endlich haben wir es geschafft – ja nach alle den Absagen – ja, die waren auch persönlich begründet, ich kann genau Dich! nicht leiden – Gelächter – ja, wir werden jetzt den Film gucken. Wir werden natürlich danach das obligatorische Wissensquiz veranstalten, also passt schön auf."

Dann geht ‚Drei Haselnüsse für Aschenbrödel’ los. Gabi huscht noch schnell in die erste Reihe, um ja nichts zu verpassen, von dem Film, den sie schon zehn Mal gesehen hat. Entspannt lehnt sie sich zurück, genießt die vertraute Musik, freut sich auf die alt bekannten Witze und Szenen, wie auf einen guten Freund.