Fast Fashion und die Folgen

Schluss mit der Wegwerfmode!

04:26 Minuten
Zwei Frauen laufen mit bunten Einkaufstüten in den Händen nebeneinander.
Es gebe kaum einen echten Bedarf, sich ständig neu einzukleiden, meint Annette Jensen. © imago images / Westend61 / Josep Rovirosa
Eine Anregung von Annette Jensen · 16.07.2019
Audio herunterladen
Im Wochentakt locken Modeketten im Netz mit neuen Kollektionen: Doch der Trend der Fast Fashion schädigt die Umwelt, lässt Näherinnen weltweit verarmen. Für alle, die da nicht mitmachen wollen, gibt es Auswege, sagt die Journalistin Annette Jensen.
Das Stretch-Kleid gibt es für 9,99 Euro. "Must have" steht neben dem Bestell-Button. Oder doch lieber das Zweierpack Jerseykleider anklicken für 6,49 Euro? "Sustainable product" - nachhaltiges Produkt – ist dort zu lesen.
Im Internet bieten manche große Handelsketten inzwischen wöchentlich neue Kollektionen an. Vor allem Jugendliche werden mit Fotos auf Instagram und Facebook geködert: Sich bei jeder Party im neuem Outfit zu präsentieren, gilt als cool.

Rasant schnelles Modekarussell

So dreht sich das Modekarussell schneller und immer schneller. Die Folgen sind fatal. Dass junge Frauen in Asien bis zur völligen Erschöpfung an den Nähmaschinen sitzen, um nur das Nötigste zum Leben zu verdienen, dürften inzwischen fast alle mitbekommen haben. Darüber hinaus ruiniert die Materialschlacht die Umwelt: Der Pestizideinsatz im Baumwollanbau ist extrem hoch.
Um ein Kilo der weißen Bausche herzustellen, werden 11.000 Liter Wasser benötigt. Der Aralsee war mal so groß wie Bayern – binnen weniger Jahre ist er fast vollständig ausgetrocknet. Länder wie Usbekistan können dennoch nicht auf das Exportgut Baumwolle verzichten.
Und warum das alles? Eine Klamottenkette wirbt: "Moderne Modelle sorgen dafür, dass Sie stets stilvoll bleiben. Perfekt für alle Ihre großen und kleinen Momente". Ja, so funktioniert der Kapitalismus.

Kein echter Bedarf, sondern erzeugte Bedürfnisse

Gibt es einen echten Bedarf, sich ununterbrochen neu einzukleiden? Wohl kaum. Das Bedürfnis danach muss erst geschaffen werden. Dafür betreiben die Modeketten großen Aufwand: Wer öfters mit dem gleichen Kleid auftaucht, soll befürchten müssen, schief angeguckt zu werden. Vor allem unter jungen Menschen kann das großen Druck erzeugen.
Für Konzerne, die auf billig setzen, ist der Preiskampf eine Existenzfrage: Sinken die Preise, müssen sie mehr und immer mehr Klamotten absetzen, damit sie weiter Profit machen. Dass der Fummel nach der ersten Wäsche unmöglich aussieht, ist gewollt. Ein wachsender Anteil der Billig-Klamotten ist zu schlecht für den Second-Hand-Markt, landet im Müll und wird verbrannt.
Und was ist mit den teuren Modemarken? Kann die Kundschaft hier sicher sein, nicht auf Kosten von Mensch und Umwelt einzukaufen? Keineswegs. Die "Kampagne für saubere Kleidung" hat Fabriken in Bangladesch besucht, wo Edelzwirn zu Anzügen verarbeitet wird. Auch dort verdienen die Menschen keinen existenzsichernden Lohn, sitzen nicht selten 14 Stunden an der Nähmaschine und dürfen nur wenig trinken, damit keine Zeit für den Gang zur Toilette verloren geht.

Textilkonzerne gesetzlich in die Pflicht nehmen

Jahrzehntelang hat die Bundesregierung das Thema ignoriert. Erst als eine Fabrik in Bangladesch zusammenstürzte und über tausend Menschen starben, ergriff der Minister für wirtschaftliche Zusammenarbeit die Initiative. Sein "Textilbündnis" soll Unternehmen motivieren, Verantwortung für die Arbeitsbedingungen bei ihren Lieferanten zu übernehmen.
Sechs Jahre später gibt es hier und da tatsächlich Verbesserungen. Doch das Motto lautet: Freiwillige vor. Wer nicht mitmacht, muss keine Konsequenzen fürchten – und so wird ein Großteil der Hemden, Hosen, Röcke und Schlüpfer weiter unter katastrophalen Bedingungen produziert.
Zwei Wege könnten wirklich etwas ändern: Eine gesetzliche und damit einklagbare Pflicht der Textilkonzerne, Verantwortung für ihre Lieferketten zu übernehmen. Dass das geht, hat Frankreich vorgemacht. Zum zweiten kann die Kundschaft das Modekarussell bremsen: Seltener etwas Neues kaufen – und wenn dann Klamotten aus fairer Produktion. Auch tauschen, teilen oder sich im Secondhandladen einkleiden kann die eigene Outfit-Palette erweitern. Ex und hopp muss ein Ende haben, auch bei der Mode.

Annette Jensen ist freie Journalistin und Buchautorin in Berlin. Jensen studierte Politikwissenschaften und Germanistik an den Universitäten in Heidelberg und Hamburg. 1992 war sie Mitbegründerin des Ressorts "Wirtschaft und Umwelt" bei der Tageszeitung "taz". Ihre Schwerpunkte sind ökonomische, ökologische und soziale Nachhaltigkeit sowie gesellschaftliche Transformation. Zuletzt erschien von ihr zusammen mit Ute Scheub das Buch "Glücksökonomie. Wer teilt, hat mehr vom Leben", München, 2014. Jensen engagiert sie sich in der Bürgerinitiative thf.vision, die in Berlin das Tempelhofer Flughafengebäude zu einem Gemeingut machen will.

Annette Jensen posiert für ein Porträtfoto
© Britta Knäbel
Mehr zum Thema