Farid Abdelkrim

Früher Islamist, heute Buchautor und Humorist

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Farid Abdelkrim © Imago / PanoramiC
Von Margit Hillmann |
Er gehört zur ersten Generation in Frankreich geborener Muslime, die sich Ende der 80er-Jahre militanten Strömungen des politischen Islam anschließen: Farid Abdelkrim propagiert 15 Jahre eine Gegengesellschaft - bis er eines Tages beschließt, mit dem Islamismus zu brechen.
Flirrende Hitze liegt über Paris. Ein Mann Ende vierzig steigt lässig die alte Steintreppe zum Canal de l'Ourcq hinunter, setzt sich auf die überdachte Terrasse eines türkischen Cafés. Dunkler, dreiteiliger Nadelstreifenanzug, das dichte schwarze Haar nach hinten gegelt - Farid Abdelkrim sieht aus, als sei er einem alten Gangsterfilme mit Jean Gabin oder Lino Ventura entstiegen.
"Antonio Montana", sagt Abdelkrim, lacht.
Tatsächlich war Toni Montana - alias Al Pacino - aus dem Kultfilm Scarface früher sein Idol, verrät Farid Abdelkrim: mit sechzehn, siebzehn Jahren.
Wie sein Filmheld ist der draufgängerische Teenager Farid, dessen Eltern aus Algerien eingewandert sind, ein kleiner Dealer in einem Arbeiterviertel von Nantes. Auch er träumt vom großen Geld, will es den Franzosen zeigen. Aber dann stirbt ein enger Freund aus seiner Bande.
"Redouane hieß mein Freund. Ein Hilfsgendarm schoss ihm eine Kugel mitten ins Herz. Das hat mich sehr getroffen. Damals hatte ich mit Religion nichts am Hut. Aber um ihm eine letzte Ehre zu erweisen, sind wir zur Totenzeremonie in die Moschee gegangen. Da lerne ich den Imam kennen, ein Iraker und Muslimbruder."
Aus einem Dealer wird ein strenggläubiger Muslim
Die Begegnung ist der Auftakt zu einem neuen Leben. Aus dem Dealer, der Montana mimt, wird ein strenggläubiger Muslim, der davon träumt ein religiöser Führer zu werden.
Farid Abdelkrim leistet den Treueeid der ägyptischen Muslimbrüder, geht nach Paris und engagiert sich in dem französischen Ableger der Muslimbruderschaft. Er baut die Jugendorganisation auf, predigt einen politischen Islam, der die Gesellschaft in Muslime und Ungläubige aufteilt, in Opfer und Unterdrücker.
"Wir haben also eine Art islamische Revanche gepredigt und für eigene Kandidaten bei den Wahlen geworben, um die Forderungen der muslimischen Gemeinde durchzusetzen."
Der Muslimbruder ist ein glühender Anhänger der Hamas im Gazastreifen, glaubt an den Islam als moralische und politische Ordnungskraft. Er verteidigt das muslimische Kopftuch als gottgefälliges Glaubensbekenntnis und kämpft an vorderster Front gegen sein Verbot an Frankreichs Schulen.
"Ich hatte das Gefühl, dass ich die jungen Muslime rette, betrachtete es sogar als meine Pflicht. Damit sie ins Paradies kommen und nicht in der Hölle landen.Und unsere Botschaften kamen bei Jugendlichen an. Damals glaubten junge Frauen, das Kopftuch sei das Eintrittsticket für den authentischen Islam, der Schleier ein Zeichen großer Frömmigkeit. So, wie ich es auch geglaubt, gepredigt und öffentlich gefordert habe."
Doch nach fünfzehn Jahren an der Spitze der Jugendorganisation wirft Farid Abdelkrim das Handtuch, sagt sich los vom der islamistischen Ideologie der Muslimbrüder.
"Ich habe begriffen, dass wir nicht Gott dienen, sondern uns seiner bedienen; dass wir nicht den Gläubigen dienen, sondern uns ihrer bedienen. - Dass ich also auf dem Holzweg war."
Farid Abdelkrim hat viele Feinde in der Islamistenszene
Inzwischen hat Abdelkrim ein Buch geschrieben: "Warum ich aufgehört habe, Islamist zu sein". Es hat für Aufsehen gesorgt: die großen französischen Tageszeitungen, Radio, Fernsehen – alle haben sie den Aussteiger zum Interview gebeten.
Das Interesse der Medien ist ein gutes Zeichen, findet der Ex-Islamist. Weil die französische Gesellschaft nach den Terroranschlägen nicht in blinden Aktionismus verfalle. Stattdessen nach Erklärungen suche, warum junge Franzosen radikalen Islamisten ins Netz gehen.
"Gott findet man nicht in politisch-ideologischen Organisationen. Wer Religion instrumentalisiert, um politische Ziele durchzusetzen; wer behauptet, im Namen des Islam muss man für dies und jenes kämpfen, der begeht nicht nur einen großen Irrtum. Er verrät den Islam."
Mit seiner Kritik hat sich Farid Abdelkrim in der Islamistenszene viele Feinde gemacht. Doch Abdelkrim gibt sich gelassen. Den wenigen Weggefährten von damals, die noch mit ihm sprechen, habe er einen ganz persönlichen Rat gegeben, erzählt er: Sie sollten sich weniger ernst nehmen. Ein Rat, den er selbst beherzigt.
Der Ex-Islamist steigt inzwischen als Humorist auf die Bühne und witzelt über seine Zeit als Islamist und religiösen Übereifer.
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