Farbexperte David Kremer

Purpurrot aus stinkenden Meeresschnecken

31:17 Minuten
Porträt von David Kremer von Kremer Pigmente.
Viele Rohstoffe für die Farbpigmente findet David Kremer in der Natur, in Mineralien, Pflanzen, Erden, Wurzeln oder Muscheln. © Kremer Pigmente
Moderation: Britta Bürger · 11.02.2021
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Er ist ein gefragter Mann im internationalen Museumsbetrieb: Wenn historische Farben benötigt werden, ist David Kremers Unternehmen im Allgäu die erste Adresse. Gemeinsam mit dem Vater stellt er einzigartige Farbpigmente her – nach alten Rezepturen.
Farben haben ihn in seiner Jugend gar nicht interessiert. David Kremer wollte Bauer werden – ein Traum, den er aber schnell begrub.
"Ich war ja hier auf dem Land und begeistert von Tieren. Das ging so, bis ich zwölf war. Da haben meine Eltern mir zwei Schweine geschenkt, und da war der Bauerwunsch dann relativ schnell vorbei, als es dann in Arbeit ausgeartet ist. Die Schweine wurden dann geschlachtet. Aber das haben meine Eltern mir gar nicht gleich erzählt, sondern erst ein halbes Jahr später ist das jemand beim Mittagessen rausgerutscht, wie lecker doch die Schweinefilets sind."

Vom Kellerlabor zum Weltmarktführer

Heute leitet David Kremer das väterliche Unternehmen "Kremer Pigmente" in Aichstetten im Allgäu – Weltmarktführer im Bereich historischer Pigmente. Dabei hatte alles eher zufällig begonnen: Vater Georg Kremer, von Beruf Chemiker an der Tübinger Universität, wurde von einem befreundeten Restaurator nach einem historischen Kobaltblau gefragt, das es im Handel nicht gab.
"Mein Vater hatte eigentlich gar nichts mit Farben zu tun und fand das aber spannend, hat sich belesen, in historischen Rezepten und in Büchern gewühlt. Er kam dann auf eine sehr simple Kobaltblauherstellung, wie das traditionell gemacht wurde, und hat zuhause im Keller angefangen, Kobaltblau zu brennen."
Mit Erfolg. Bald hängte der Vater seinen Chemiker-Beruf an den Nagel, kaufte 1984 eine große alte Mühle, in der die "Kremer-Pigmente" auch heute noch ansässig sind, und verschrieb sich der Herstellung von Pigmentfarben. Was als Hobby im Keller begann, wuchs zu einem großen Unternehmen heran.

Schleifen mit Haifischhaut

Als Jugendlicher wollte David Kremer nur weg aus dem Allgäu. Gefragt, ob er den elterlichen Betrieb später übernehmen wolle, sagte er: "Ich brauche noch zehn Jahre". Seinen Zivildienst absolvierte er in Stralsund, "aber da war auch nichts los." In Berlin begann er ein Studium der Photographie, heiratete und gründete eine Familie. 2008 kehrte der heute 38jährige dann doch in den väterlichen Betrieb zurück.
Künstler, Restauratoren, Denkmalpfleger und Museen aus aller Welt gehören zu seinen Kunden. Sie hoffen, Pigmente zu finden, die dem Original relativ nah kommen. Manchmal dauert die Suche lange.
"Vor ein paar Jahren kam mal ein Kunde in Paris auf mich zu und fragte nach Haifischhaut. Das wurde früher zum Polieren von Holzoberflächen verwendet, das traditionelle Schleifpapier, wenn man so möchte. Da habe ich gesagt: Ja, das ist ja spannend, ich schau mal. Und das Schauen dauert bis heute an. Ich bin jetzt nach sechs, sieben Jahren kurz davor, ein Muster zu bekommen von Haifischhaut. Bis heute war aber nicht das richtige dabei."

Teurer Farbrausch

Viele Rohstoffe für die Farbpigmente findet David Kremer in der Natur, in Mineralien, Pflanzen, Erden, Wurzeln oder Muscheln. 1500 Pigmentfarben werden bei "Kremer-Pigmente" angeboten, 250 davon in Handarbeit hergestellt. Und immer noch kommen neue hinzu. Denn Schwarz ist nicht gleich Schwarz. So hat das Kirschkernschwarz eine bläuliche Note, der Buchenruß hingegen eine bräunliche.
Besonders aufwendig ist die Herstellung von blauen und purpurroten Farbpigmenten. Ein Kilo des blauen Lapislazuli kann 19.000 Euro kosten. Für die rote Farbe wird David Kremer auf südlichen Fischmärkten fündig.
"Das Purpurrot ist was ganz Besonderes. Das kommt von einer Meeresschnecke, die kommt im Mittelmehr vor. Die hat ein Sekret, dass sich, wenn es mit Sauerstoff in Kontakt kommt, purpurrot färbt. Um daraus Farbe zu machen, wird das Sekret abgesaugt, die Schnecken teilweise gegessen und das Sekret für die Farbe genommen. Das ist eine sehr mühselige Angelegenheit: Man braucht etwa 10000 Schnecken für ein Gramm Purpur."
(svs)
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