Fantasy-Thriller

Blutige Unterhaltung

Blutspur aus einer Krimiserie.
Schießereien und Blut: "Der Bann" ist in jeder Hinsicht ereignisreich. © picture alliance / dpa
Von Elena Gorgis  · 16.01.2014
In dem Fantasy-Roman "Der Bann" fließt jede Menge Blut, es gibt Verfolgungsjagden und eine Familie flieht seit fünf Generationen vor einem Monster, das tausend Gesichter trägt. Ein Buch, das für Spannung sorgt ohne kitschig zu sein.
Menschen, die ihre Gestalt wandeln können, gehören zur Fantasy-Literatur wie der sprichwörtliche Bart zum Zauberer Merlin. Äußerst beliebt ist der uralte und immer wieder neu aufgelegte Werwolf-Mythos; am erfolgreichsten hat ihn zuletzt Stephenie Meyer in ihrer Twilight-Saga interpretiert. Doch Werwölfe sind eingeschränkt in ihren Verwandlungsmöglichkeiten, hier nehmen Menschen allein die Wolfsgestalt an und ohne Vollmond geht häufig nicht einmal das. Figuren, die tatsächlich zu unterschiedlichen Lebewesen mutieren können, haben im Genre dagegen bisher immer nur Nebenrollen gespielt – ein ungeschriebenes Gesetz, das der britische Autor Stephen Lloyd Jones mit seinem Debüt "Der Bann" jetzt bricht.
Hannah ist mit ihrem Ehemann Nate und ihrer Tochter Leah auf der Flucht vor dem Gestaltwandler Jakab. Seit fünf Generationen verfolgt er die Frauen ihrer Familie. Er will mit ihnen leben, will sie besitzen – und er kann jede Gestalt annehmen, um sein Ziel zu erreichen. Sind Hannah und ihre kleine Tochter in einem abgelegenen Farmhaus in Wales vor diesem Monstrum mit den tausend Gesichtern sicher? Oder hat sich Jakab bereits in ihr Leben eingeschlichen, etwa als Ehemann Nate oder als hilfsbereiter Nachbar Sebastien?
140 Jahre voller Nervenkitzel
Stephen L. Jones versteht es, den Nervenkitzel von der ersten bis zur letzten Seite aufrecht zu erhalten. 140 Jahre umfasst die Erzählung, und sie folgt auf mehreren Zeitebenen den Verwicklungen von Hannahs Familie mit den hosszú életek, einer Volksgemeinschaft von Gestaltwandlern, die friedlich im Ungarn der k. und k.-Monarchie leben, bis einer von ihnen – eben: Jakab – alles verändert.
"Der Bann" ist an der Grenze zwischen Fantasy, Horror und Thriller angesiedelt. Es fließt jede Menge Blut, es gibt rasante Verfolgungsjagden und gefährliche Schusswechsel. Spannend ist dieser Roman allerdings vor allem, weil Hannah sich bis zum Schluss auf unsicherem Terrain bewegt: Sie kann niemandem in ihrem Umfeld trauen, und der Leser kann es auch nicht. Darin liegt der eigentliche Reiz, der Thrill, dieser Geschichte über Formwandler.
Dass Stephen L. Jones die Gemeinschaft der hosszú életek in Ungarn ansiedelt, lässt natürlich eine gewisse Nähe zum Vampir-Genre erahnen. Von mittelalterlichem Aberglauben, scheinheiligen konservativen Moralvorstellungen und Teenager-Erotik ist "Der Bann" allerdings weit entfernt. Stephen L. Jones erzählt nüchtern geradeaus, Kitsch gibt es bei ihm kaum, dafür jede Menge atemraubende Cliffhanger. Mit diesem Buch beenden die Gestaltwandler endlich ihr Schattendasein, gut möglich, dass hier ein neuer Trend in der Fantasy-Literatur entsteht – der Autor selbst arbeitet bereits an einem Folgeband.

Stephen L. Jones: "Der Bann"
Aus dem Englischen von Axel Merz
Rowohlt Taschenbuch Verlag, Reinbek 2013
522 Seiten, 9,99 Euro

Mehr zum Thema