Fantastische Welten auf der Kinoleinwand
Er zerlegte die Filmsekunde in 24 Bilder, die er einzeln fotografierte: Ray Harryhausen gilt als Erfinder des Stop-Motion-Kinos. Ohne ihn hätte es "Terminator II" oder "Jurassic Park" womöglich nie gegeben. Im Alter von 92 Jahren ist der Oscar-Preisträger gestorben.
Frank Meyer: Gestern ist der Trickfilmpionier Ray Harryhausen gestorben, mit 92 Jahren. König der Stop-Motion-Animation wurde er genannt und große Filmregisseure stehen jetzt Schlange, um zu sagen, was Ray Harryhausens Arbeit für sie bedeutet hat.
Ohne Ray Harryhausen hätte es vermutlich nie einen "Krieg der Sterne"-Film gegeben, das sagte der "Star Wars"-Erfinder George Lucas. Auch der "Herr der Ringe"-Regisseur Peter Jackson hat Ray Harryhausen gewürdigt. Seine wundersamen Bilder und seine Art zu erzählen haben mich inspiriert, sagt Peter Jackson. Der beste Kenner des Werks von Ray Harryhausen in Deutschland ist der Filmhistoriker Rolf Giesen, und der ist jetzt hier bei uns im Studio. Seien Sie herzlich willkommen!
Rolf Giesen: Schönen guten Tag!
Meyer: Sie haben den König der Stop-Motion-Animation kennengelernt, den Giganten – James Cameron hat ihn so genannt, einen Giganten. Hat er sich benommen wie ein Gigant?
Giesen: Nein, überhaupt nicht. Er war sehr bescheiden, sein Privatleben war ganz bescheiden. Er blühte wenn in seiner Arbeit auf, und die Tragik war natürlich, dass er in den letzten Jahrzehnten aktiv nicht mehr tätig war. Seinen letzten Film hat er 1980 beendet.
Meyer: Und was waren die großen, die wichtigsten Filme, in denen Ray Harryhausen seine Kunst gezeigt hat?
Giesen: Für mich, natürlich für viele von uns 1958, ganz jung als Kind, "Sindbads siebente Reise", "Jason und die Argonauten", "Eine Million Jahre vor unserer Zeit", "Sindbad und das Auge des Tigers", ursprünglich sogar – das hat er nie gemocht –, dass er auf "Godzilla" hingewiesen wurde. Er ist indirekt Vater von "Godzilla", weil er den ersten radioaktiv geweckten Dinosaurier der Filmgeschichte kreiert hat in "Panik in New York". Er hat den Hauptdarsteller damals nie getroffen, Paul Hubschmid, und zur Museumseröffnung in Berlin, als wir jahrelang seine Ausstellung hatten, haben wir Hubschmid und Harryhausen zum ersten Mal zusammengebracht.
Meyer: Was war nun besonders an seiner Stop-Motion-Technik? Die wird ja immer so hervorgehoben.
Giesen: Es war eigentlich nicht die Stop-Motion-Technik. Ich habe einmal probiert, ihm selber zu erklären, was seine Bedeutung gewesen sein könnte, obwohl er es nicht …, er hat es nicht begriffen. Er hat keinen Computer, er hat keinen Internetanschluss, keine E-Mail-Adresse und trotzdem ist er mitverantwortlich für das digitale Zeitalter.
Er hat die Animation des Stop-Motion mit Live-Action interaktiv kombiniert. Sieben Skelette, künstlich, synthetisch, gegen drei reale griechische Recken in "Jason und die Argonauten". Und dieses war natürlich einzelbildweise, einbildweise gemacht. Heute macht man es mit dem Computer. Aber er hat die Leute inspiriert, die das mit dem Computer machen. Er hat direkten Einfluss dadurch gehabt auf Filme wie "Terminator II", wie "Jurassic Park", als diese Entscheidungen liefen, von der Stop-Motion, von der figürlichen Animation, der haptischen, der mechanischen abzurücken in die digitale Ära, die er persönlich zwar bestaunt hat, aber nicht bewundert hat.
Meyer: Und das meint auch George Lucas, wenn er sagt, "Star Wars" hätte es im Prinzip ohne Ray Harryhausen nicht geben können, dieses Zusammenführen von echten Schauspielern und Tricktechnik?
Giesen: Special Effects können Stars sein, das hat Hollywood gar nicht so begriffen, das wussten nur ganz wenige. Und Harryhausen war der erste identifizierbare Star, sein Name stand plötzlich auf den Plakaten. Und da wussten wir, es gibt mehr als Regisseure, offensichtlich gibt es kreative Menschen, die künstliche Welten erfinden können und sie – das war sehr wichtig – lebensecht auf die Leinwand brachten. Wir müssen uns vorstellen, dass es damals Filme dieser Art ganz selten gab. Es gab nicht jede Woche einen Blockbuster wie heute.
Meyer: Einer der großen Herrlich-Verrückten in der Filmwelt, Tim Burton, der hat vor Kurzem einen Film auch wieder in Stop-Motion-Technik gedreht, "Frankenweenie", einen Film über so einen künstlichen Hund. Und ich hatte aber den Eindruck, dass diese Technik aus der Mode gekommen ist. Kehrt sie jetzt zurück, diese Stop-Motion-Technik?
Giesen: Alles scheint wie Retro. Wir sprechen ja von Retro, zurückzukommen. Die Menschen merken natürlich, dass sie die Globalisierung und Virtualisierung des Lebens nicht aufhalten können. Aber einige bewahren sich diese Nischen. Es ist also, wir möchten uns – lost paradise –, wir möchten uns einige paradiesische Flecken erhalten. Und wenn ich am Computer sitze, habe ich ja nur mit Geistern, ich kann sie ja nicht berühren, das sind alles nur Daten, mit denen ich umgehe. Dort kann ich wirklich etwas mit den Händen berühren und so kneten, bewegen, dass langsam Leben hineinkommt.
24 Bilder geben plötzlich eine Sekunde Film. Und dieses Mechanische ist das wirkliche Leben, und wahrscheinlich sind darum viele junge Leute, auch viele Filmstudenten, heute immer noch fasziniert von der Stop-Motion, die unnatürlich in der Bewegung wirkt, sie wirkt etwas abgehakt, weil es ja Einzelbilder aneinandergereiht sind, aber es ist wie Ballett. Also, Stop-Motion ist das Ballett der Animation.
Meyer: Und einer der großen Pioniere der Stop-Motion, Ray Harryhausen, ist gestern gestorben, im Alter von 92 Jahren in London. Der Filmhistoriker Rolf Giesen war zum Gespräch über Ray Harryhausen bei uns im Studio, ganz herzlichen Dank!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Ohne Ray Harryhausen hätte es vermutlich nie einen "Krieg der Sterne"-Film gegeben, das sagte der "Star Wars"-Erfinder George Lucas. Auch der "Herr der Ringe"-Regisseur Peter Jackson hat Ray Harryhausen gewürdigt. Seine wundersamen Bilder und seine Art zu erzählen haben mich inspiriert, sagt Peter Jackson. Der beste Kenner des Werks von Ray Harryhausen in Deutschland ist der Filmhistoriker Rolf Giesen, und der ist jetzt hier bei uns im Studio. Seien Sie herzlich willkommen!
Rolf Giesen: Schönen guten Tag!
Meyer: Sie haben den König der Stop-Motion-Animation kennengelernt, den Giganten – James Cameron hat ihn so genannt, einen Giganten. Hat er sich benommen wie ein Gigant?
Giesen: Nein, überhaupt nicht. Er war sehr bescheiden, sein Privatleben war ganz bescheiden. Er blühte wenn in seiner Arbeit auf, und die Tragik war natürlich, dass er in den letzten Jahrzehnten aktiv nicht mehr tätig war. Seinen letzten Film hat er 1980 beendet.
Meyer: Und was waren die großen, die wichtigsten Filme, in denen Ray Harryhausen seine Kunst gezeigt hat?
Giesen: Für mich, natürlich für viele von uns 1958, ganz jung als Kind, "Sindbads siebente Reise", "Jason und die Argonauten", "Eine Million Jahre vor unserer Zeit", "Sindbad und das Auge des Tigers", ursprünglich sogar – das hat er nie gemocht –, dass er auf "Godzilla" hingewiesen wurde. Er ist indirekt Vater von "Godzilla", weil er den ersten radioaktiv geweckten Dinosaurier der Filmgeschichte kreiert hat in "Panik in New York". Er hat den Hauptdarsteller damals nie getroffen, Paul Hubschmid, und zur Museumseröffnung in Berlin, als wir jahrelang seine Ausstellung hatten, haben wir Hubschmid und Harryhausen zum ersten Mal zusammengebracht.
Meyer: Was war nun besonders an seiner Stop-Motion-Technik? Die wird ja immer so hervorgehoben.
Giesen: Es war eigentlich nicht die Stop-Motion-Technik. Ich habe einmal probiert, ihm selber zu erklären, was seine Bedeutung gewesen sein könnte, obwohl er es nicht …, er hat es nicht begriffen. Er hat keinen Computer, er hat keinen Internetanschluss, keine E-Mail-Adresse und trotzdem ist er mitverantwortlich für das digitale Zeitalter.
Er hat die Animation des Stop-Motion mit Live-Action interaktiv kombiniert. Sieben Skelette, künstlich, synthetisch, gegen drei reale griechische Recken in "Jason und die Argonauten". Und dieses war natürlich einzelbildweise, einbildweise gemacht. Heute macht man es mit dem Computer. Aber er hat die Leute inspiriert, die das mit dem Computer machen. Er hat direkten Einfluss dadurch gehabt auf Filme wie "Terminator II", wie "Jurassic Park", als diese Entscheidungen liefen, von der Stop-Motion, von der figürlichen Animation, der haptischen, der mechanischen abzurücken in die digitale Ära, die er persönlich zwar bestaunt hat, aber nicht bewundert hat.
Meyer: Und das meint auch George Lucas, wenn er sagt, "Star Wars" hätte es im Prinzip ohne Ray Harryhausen nicht geben können, dieses Zusammenführen von echten Schauspielern und Tricktechnik?
Giesen: Special Effects können Stars sein, das hat Hollywood gar nicht so begriffen, das wussten nur ganz wenige. Und Harryhausen war der erste identifizierbare Star, sein Name stand plötzlich auf den Plakaten. Und da wussten wir, es gibt mehr als Regisseure, offensichtlich gibt es kreative Menschen, die künstliche Welten erfinden können und sie – das war sehr wichtig – lebensecht auf die Leinwand brachten. Wir müssen uns vorstellen, dass es damals Filme dieser Art ganz selten gab. Es gab nicht jede Woche einen Blockbuster wie heute.
Meyer: Einer der großen Herrlich-Verrückten in der Filmwelt, Tim Burton, der hat vor Kurzem einen Film auch wieder in Stop-Motion-Technik gedreht, "Frankenweenie", einen Film über so einen künstlichen Hund. Und ich hatte aber den Eindruck, dass diese Technik aus der Mode gekommen ist. Kehrt sie jetzt zurück, diese Stop-Motion-Technik?
Giesen: Alles scheint wie Retro. Wir sprechen ja von Retro, zurückzukommen. Die Menschen merken natürlich, dass sie die Globalisierung und Virtualisierung des Lebens nicht aufhalten können. Aber einige bewahren sich diese Nischen. Es ist also, wir möchten uns – lost paradise –, wir möchten uns einige paradiesische Flecken erhalten. Und wenn ich am Computer sitze, habe ich ja nur mit Geistern, ich kann sie ja nicht berühren, das sind alles nur Daten, mit denen ich umgehe. Dort kann ich wirklich etwas mit den Händen berühren und so kneten, bewegen, dass langsam Leben hineinkommt.
24 Bilder geben plötzlich eine Sekunde Film. Und dieses Mechanische ist das wirkliche Leben, und wahrscheinlich sind darum viele junge Leute, auch viele Filmstudenten, heute immer noch fasziniert von der Stop-Motion, die unnatürlich in der Bewegung wirkt, sie wirkt etwas abgehakt, weil es ja Einzelbilder aneinandergereiht sind, aber es ist wie Ballett. Also, Stop-Motion ist das Ballett der Animation.
Meyer: Und einer der großen Pioniere der Stop-Motion, Ray Harryhausen, ist gestern gestorben, im Alter von 92 Jahren in London. Der Filmhistoriker Rolf Giesen war zum Gespräch über Ray Harryhausen bei uns im Studio, ganz herzlichen Dank!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.