Familienunternehmen

Made in Germany

Schuhmacher in Hamburg: Vincent Klemann beim Nähen.
Schuhmacher in Hamburg: Vincent Klemann beim Nähen. © Deutschlandradio / N. Hansen
Von Nicolas Hansen · 12.10.2014
Es sind oft kleine Familienunternehmen, die seit Generationen mit Leidenschaft und Erfahrung ihre Produkte herstellen. Und es sind Kunden, die diese Leidenschaft teilen und Wert auf Qualität, Einzigartigkeit und Sinnlichkeit legen.
Es sind oft kleine Familienunternehmen, die seit Generationen mit Leidenschaft und Erfahrung ihre Produkte herstellen. Und es sind Kunden, die diese Leidenschaft teilen und Wert auf Qualität, Einzigartigkeit und Sinnlichkeit legen.
Manufakturen verkörpern diese Werte und stehen hoch im Kurs der Kunden. Der Begriff Manufaktur kommt aus dem Lateinischen von manus (Hand) und facere (herstellen), also etwas von Hand herstellen. Heute gibt es kaum ein Produkt, das nicht aus einer Manufaktur erhältlich wäre.
Auf einer Reise quer durch Deutschland von Hamburg bis nach Heidelberg, von Sachsen bis an den Rhein, lernen wir Familien kennen, die seit Generationen als Handwerker ihr Können weitergeben, die den Wert der Handarbeit verkörpern und für die "Made in Germany" kein Slogan ist, sondern eine Verpflichtung und eine Familientradition, auf die sie stolz sind.
Der Uhrmacher im sächsischen Glashütte
Gibt es sie, die Liebe auf den ersten Blick? Bei einem Blick durchs Mikroskop könnte sich dieses Gefühl einstellen. Liebe zu einem technischen Kunstwerk, zu einer faszinierenden Welt. Da drehen sich winzige Zahnrädchen, greifen ineinander, rote Rubine, nur den Bruchteil eines Millimeters groß und haarfeine Federn. Kleinste gebläute Schrauben halten alles zusammen. Die ruhigen Hände des Uhrmachers haben diesen schillernden Organismus zum Leben erweckt.
Zentrum der deutschen Uhrenindustrie: Unternehmenszentrale in Glashütte.
Zentrum der deutschen Uhrenindustrie: Unternehmenszentrale in Glashütte.© Deutschlandradio Kultur / N. Hansen
Eine Uhr zeigt nicht nur die Zeit an. Sie ist mehr als ein Präzisionsinstrument, sie ist ein Schmuckstück. Dieser Liebe verfiel 1869 Robert Mühle. Er gründete im sächsischen Glashütte, dem heutigen Zentrum deutscher Uhrenherstellung, sein Unternehmen. Nach dem 2. Weltkrieg wurde die Familie enteignet. In der dritten Generation baute sein Enkel, Hans Mühle, aus Leidenschaft zu Uhren in der DDR ein neues Unternehmen auf. In den 70er Jahren wurde die Familie erneut enteignet und das Familienunternehmen ging im VEB Glashütter Uhrenbetriebe auf. Hans Mühles Sohn fühlte sich der Familientradition verpflichtet. Nach der Wiedervereinigung gründete er die Firma neu und in der fünften Generation ist vor 14 Jahren Thilo Mühle dieser Tradition und der Liebe zu Uhren verfallen und führt das Familienunternehmen bis heute.
Der Geigenbauer in Erfurt
Der Bogen aus Pferdehaar senkt sich über die Saiten, er streicht in seiner ganzen Länge darüber und es erklingt ein Ton so klar und rein. Dem Geheimnis dieses Tons sind Geigenbauer seit Generationen auf der Spur. Edle Hölzer, nicht zu hart, aber auch nicht zu weich und feine Saiten aus Naturdarm sind nur zwei Bestandteile einer guten Geige. Mindestens genauso wichtig sind die Erfahrung des Geigenbauers und sein handwerkliches Können. Musiker haben höchste Ansprüche an den Klang der Geige. Ihr trainiertes, feines Gehör nimmt Nuancen wahr, die sonst kaum jemand hört. Es entscheidet über den Erfolg eines Instruments, über dessen Wert und den Ruf seines Erbauers.
Geigenbaumeister Wilhelm Brückner.
Geigenbaumeister Wilhelm Brückner.© Deutschlandradio Kultur / N. Hansen
Wilhelm Brückner "der Jüngere", wie er selbst sagt, ist 81 Jahre alt. Seine Geigenbauwerkstatt in Erfurt hat er von seinem Vater, Wilhelm Brückner „dem Älteren" übernommen. In 66 Berufsjahren hat er über 330 Instrumente gebaut. Sie werden in allen renommierten Orchestern der Welt gespielt, von New York über London bis Peking. Heute führt seine Tochter Ruth, ebenfalls eine Geigenbaumeisterin das Unternehmen und mit Christoph, seinem 30-jährigen Enkel, steht die fünfte Generation von Geigenbauern in Erfurt in den Startlöchern.
Der Seifenhersteller in Heidelberg
Beim Öffnen des weichen Papiers erfüllt den Raum ein Duft von Rosen, Lavendel oder Linde. Wohlgeformt, oval und zu allen Seiten abgerundet liegt die duftende Seife da. Samtweich fühlt sie sich an.
Bei der Herstellung werden pflanzliche Öle wie ein Kuchenteig angerührt. Hinzu kommen nach alten Rezepturen Rosenblätter, Lindenblüten oder andere Duftstoffe. Die Masse wird gewalzt, geraspelt, erneut gewalzt, dann zu einem Stück geformt und sofort danach in das weiche Papier verpackt.
Alle Seifen werden noch von Hand verpackt.
Alle Seifen werden noch von Hand verpackt.© Deutschlandradio Kultur / N. Hansen
Es ist ein uraltes Handwerk, das in Deutschland fast ausgestorben ist. Der Seifensieder steht heute nicht mehr in der deutschen Handwerksrolle. In anderen Ländern, vor allem dem Orient und in der arabischen Welt ist die Seifenherstellung nach wie vor ein bedeutendes Handwerk. Dennoch widmen sich auch hierzulande einige Familienunternehmen gerade in einer Zeit, in der es eine Sehnsucht nach ehrlichen Produkten gibt, sehr erfolgreich dem alten Handwerk der Seifenherstellung. Eines dieser Unternehmen ist seit 1840 in Heidelberg ansässig. Phillipp Klar gründete als Seifensiedemeister seinen eigenen Betrieb mit angrenzendem Laden. Sein Ur-Ur-Enkel, Niels Klar, wuchs zwar in Hamburg auf. Er hatte aber bereits in seiner Kindheit seinen Großvater in Heidelberg oft besucht, kannte daher den Duft in den Fabrikräumen nach Rosmarin, Nelke oder Lavendel. Heute führt der 42-jährige das Unternehmen in der fünften Generation. Er setzt ganz im Zeichen der Zeit auf eine ökologische Produktion und auf natürliche Rohstoffe.
Der Schuhmacher in Hamburg
Das braune Leder hat einen warmen, seidigen Glanz. Der Schuhmacher streicht über mehrere Lederstücke, reibt sie zwischen den Fingern, fühlt Dicke und Beschaffenheit des Leders, um zwei möglichst ähnliche Stücke zu finden. Die zwei Schuhe, die er aus ihnen macht, sollen am Ende nicht nur gleich aussehen, sondern sich auch angezogen am Fuß gleich anfühlen.
Auf dem Leder sind verwirrend viele Linien aufgezeichnet. Langsam gleitet das scharfe Messer um die Schablone. Große und kleine, seltsam geformte Lederstücke liegen auf dem Tisch. Von Hand wird ein Lochmuster ins Leder gestanzt. Der Schuhmacher legt eines der größeren Stücke über den Leisten, einer Abbildung des Fußes aus Holz. Jetzt werden die einzelnen Teile Stück für Stück von Hand zusammen- und auf die Sohle genäht. Ein Kraftakt. In etwa 300 Arbeitsschritten entsteht ein perfekter, maßgefertigter Schuh.
Vincent Klemann beim Nähen der Schuhe.
Vincent Klemann beim Nähen der Schuhe.© Deutschlandradio / N. Hansen
Benjamin Klemann hat eine Werkstatt in der Hamburger Innenstadt. Dort arbeitet er mit seiner Frau, einer Schuhmachermeisterin und seinen beiden Söhnen Lennert und Vincent, die nach ihrer Lehre und einigen Wanderjahren das Familienunternehmen komplett machten. Hinter einem großen Schaufenster liegt ihre Werkstatt. Auf den alten Dielen stehen hohe Regale voller Leisten. Die Brüder sitzen sich auf kleinen Schemeln an der Werkbank gegenüber und fertigen die edlen Schuhe des kleinen Familienunternehmens. Die Klemanns haben einen direkten Bezug zu ihren Kunden, kennen ihre Lebensgeschichten.
Benjamin Klemann in der Leistenwerkstatt.
Benjamin Klemann in der Leistenwerkstatt.© Deutschlandradio Kultur / N. Hansen
Beim Maßnehmen lernen sie sich kennen und vertrauen. Nebenan, im kleinen Laden, holen die Kunden nach sechs Monaten dann ihre Schuhe ab. Viele von ihnen erfüllen sich damit einen Lebenstraum: handgemachte, maßgeschneiderte Schuhe.
Die Weinbauerin aus Rheinhessen
Schon die Höhe des runden, gewölbten Glases auf seinem schlanken Stil hebt auch seinen Inhalt heraus, zeigt an, dass in ihm etwas Besonderes dargeboten wird. In ihm können sich die Aromen des Weins entfalten. Aroma und Geschmack ist das Zusammenspiel von Geruchs- und Geschmacksnerven. Dank beider Sinne lässt sich bestimmen, ob es sich um einen Riesling handelt, der ein ausgeprägtes Apfel oder Pfirsich Aroma hat oder um einen Grauburgunder, der nach Birne oder Ananas duftet. „Weintechnologie" ist der höchst unromantische Begriff für diese sinnliche Aufgabe, solche Weine herzustellen.
Auf ihrer Webseite räumt Eva Vollmer mit einem Augenzwinkern ein, dass sie nicht auf eine lange Familientradition im Weinbau zurückblicken kann, dass sie noch nicht seit 1734 Weine produziert und dass sie ein noch ganz junges Familienunternehmen sind.
Der Weinkeller. Nüchterne Romantik.
Der Weinkeller. Nüchterne Romantik.© Deutschlandradio Kultur / N. Hansen
2007 entschloss sich die damals 26-jährige, ihren eigenen Weinbaubetrieb zu gründen. Die gelernte Weinküferin studierte an der Fachhochschule Mainz und promovierte letztes Jahr sogar über Weinbautechnik. Neben aller akademischer Arbeit, neben Reisen zu den Weinbaubetrieben rund um die Welt, war es immer ihr Ziel, ihren eigenen Wein zu machen. Das kann sie jetzt. Stück für Stück baut sie ihren eigenen Betrieb auf. Beim Wein braucht das Zeit, aber die hat sie, denn ihr gehört die Zukunft.