Familienroman als Bühnensoap
Arno Geigers Roman "Es geht uns gut" erzählt die Geschichte einer Wiener Familie über drei Generationen. Andreas Jungwirth brachte den Roman nun auf die Bühne, wo die notwendigen Kürzung leider auch zu mancher Plattitüde führte.
Ein mit Taubenkot besudelter Dachboden, auf dem alte Familienerinnerungsstücke lagern - das ist der symbolische Ort in Arno Geigers Roman "Es geht uns gut" über Vergessen und Verdrängung. In Lars-Ole Walburgs Inszenierung der Bühnenfassung von Andreas Jungwirth ist es statt Taubenkot der Staub der Jahrzehnte, der sich auf die Relikte der Vergangenheit gelegt hat. Wie wertvolle Exponate im Museum sind sie auf weißen Sockeln ausgestellt: eine Pendeluhr, ein Sofakissen, eine Urinflasche und einige Dinge mehr. Ist die Vergangenheit auf diese Weise erstmal im Museum entsorgt, muss man sich nicht mehr mit ihr befassen.
Arno Geigers Roman erzählt die Geschichte einer Wiener Familie über drei Generationen. Da ist zunächst Richard, der Patriarch und Politiker, der seine Frau Alma mehr als einmal hintergeht; dann beider Tochter Ingrid, die den alltagsuntauglichen Träumer Peter heiratet und von Emanzipation träumt, sich aber zwischen Beruf und traditioneller Mutterrolle aufreibt; und schließlich Ingrids und Peters Sohn Philipp, der die großelterliche Villa erbt und dabei realisiert, dass er nicht nur Möbel vermacht bekommen hat, sondern mit all dem Plunder auf dem Dachboden eine komplette Familiengeschichte.
Dieser stellt sich Philipp nur widerwillig - wie überhaupt das Augenverschließen vor der Realität Tradition hat in seiner Familie: Alma wollte zeitlebens nie wahrhaben, dass Richard sie betrügt. Und Ingrid, frustriert in Beruf und Familie, antwortet auf die Frage nach ihrem Wohlbefinden reflexartig: "Es geht uns gut", obwohl das Gegenteil der Fall ist.
Rund 400 Seiten ist Arno Geigers Roman dick, Andreas Jungwirth hat daraus eine knapp zweistündige Bühnenfassung destilliert. Die Verdichtung geht nur bedingt gut. Was sich im Roman in vielen Details und fein verästelten Gedanken der Charaktere offenbart, gerinnt im Stück zu wenigen knappen, plakativen Sentenzen. Wenn die Figuren in introspektiven Monologen über ihr Innenleben Auskunft geben, wirkt das oft dramaturgisch unbeholfen und platt. Und der Streit zwischen Ingrid und Richard, der die Liaison seiner Tochter mit Peter missbilligt, klingt eher nach Familiensoap als nach Familiensaga.
Gut getroffen dagegen ist der lakonische Witz, der Geigers Roman auch auszeichnet. "Es kommt mir manchmal so absurd vor, dieses Österreich", überlegt Alma: "Was woanders eben erst passiert ist, ist in Österreich bereits lange her. Und was woanders lange her ist, ist in Österreich Gegenwart. Geht es dir nicht auch so, dass du manchmal nicht mehr weißt, hat Kaiser Franz Joseph jetzt vor oder nach Hitler regiert?"
Solche pointierten Passagen, eins zu eins vom Roman ins Stück übernommen, funktionieren auch auf der Bühne gut. Wie überhaupt die zweite Hälfte des Abends mit der platten ersten versöhnt, nun wo es vor allem um Altersmilde und Altersdemenz geht als spezielle Form der Verdrängung, und um die kollektive österreichische Geschichtsvergessenheit. Vor allem Silvia Fenz als Alma gelingen da berührende Momente zwischen Resignation und Melancholie angesichts verpasster Lebenschancen.
Aus dem insgesamt guten Ensemble ragt außerdem Max Mayer als Philipp heraus: ein großer Junge in kurzen Hosen, alt genug um zu wissen, das Erwachsenwerden nichts Gutes verheißt, und schon langsam nicht mehr jung genug, um sich davor zu drücken. Mayer spielt die Begegnung mit der eigenen Familiengeschichte mit einem ungläubig staunenden Lächeln auf den Lippen. Die schmerzhafte Aufarbeitung von Verdrängtem ist eben am besten zu verkraften, wenn man sie von ihrer wunderlichen, komischen Seite nimmt.
"Es geht uns gut" von Andreas Jungwirth nach dem Roman von Arno Geiger
Premiere am Wiener Schauspielhaus am 4.5.2008
Regie: Lars Ole Walburg
Arno Geigers Roman erzählt die Geschichte einer Wiener Familie über drei Generationen. Da ist zunächst Richard, der Patriarch und Politiker, der seine Frau Alma mehr als einmal hintergeht; dann beider Tochter Ingrid, die den alltagsuntauglichen Träumer Peter heiratet und von Emanzipation träumt, sich aber zwischen Beruf und traditioneller Mutterrolle aufreibt; und schließlich Ingrids und Peters Sohn Philipp, der die großelterliche Villa erbt und dabei realisiert, dass er nicht nur Möbel vermacht bekommen hat, sondern mit all dem Plunder auf dem Dachboden eine komplette Familiengeschichte.
Dieser stellt sich Philipp nur widerwillig - wie überhaupt das Augenverschließen vor der Realität Tradition hat in seiner Familie: Alma wollte zeitlebens nie wahrhaben, dass Richard sie betrügt. Und Ingrid, frustriert in Beruf und Familie, antwortet auf die Frage nach ihrem Wohlbefinden reflexartig: "Es geht uns gut", obwohl das Gegenteil der Fall ist.
Rund 400 Seiten ist Arno Geigers Roman dick, Andreas Jungwirth hat daraus eine knapp zweistündige Bühnenfassung destilliert. Die Verdichtung geht nur bedingt gut. Was sich im Roman in vielen Details und fein verästelten Gedanken der Charaktere offenbart, gerinnt im Stück zu wenigen knappen, plakativen Sentenzen. Wenn die Figuren in introspektiven Monologen über ihr Innenleben Auskunft geben, wirkt das oft dramaturgisch unbeholfen und platt. Und der Streit zwischen Ingrid und Richard, der die Liaison seiner Tochter mit Peter missbilligt, klingt eher nach Familiensoap als nach Familiensaga.
Gut getroffen dagegen ist der lakonische Witz, der Geigers Roman auch auszeichnet. "Es kommt mir manchmal so absurd vor, dieses Österreich", überlegt Alma: "Was woanders eben erst passiert ist, ist in Österreich bereits lange her. Und was woanders lange her ist, ist in Österreich Gegenwart. Geht es dir nicht auch so, dass du manchmal nicht mehr weißt, hat Kaiser Franz Joseph jetzt vor oder nach Hitler regiert?"
Solche pointierten Passagen, eins zu eins vom Roman ins Stück übernommen, funktionieren auch auf der Bühne gut. Wie überhaupt die zweite Hälfte des Abends mit der platten ersten versöhnt, nun wo es vor allem um Altersmilde und Altersdemenz geht als spezielle Form der Verdrängung, und um die kollektive österreichische Geschichtsvergessenheit. Vor allem Silvia Fenz als Alma gelingen da berührende Momente zwischen Resignation und Melancholie angesichts verpasster Lebenschancen.
Aus dem insgesamt guten Ensemble ragt außerdem Max Mayer als Philipp heraus: ein großer Junge in kurzen Hosen, alt genug um zu wissen, das Erwachsenwerden nichts Gutes verheißt, und schon langsam nicht mehr jung genug, um sich davor zu drücken. Mayer spielt die Begegnung mit der eigenen Familiengeschichte mit einem ungläubig staunenden Lächeln auf den Lippen. Die schmerzhafte Aufarbeitung von Verdrängtem ist eben am besten zu verkraften, wenn man sie von ihrer wunderlichen, komischen Seite nimmt.
"Es geht uns gut" von Andreas Jungwirth nach dem Roman von Arno Geiger
Premiere am Wiener Schauspielhaus am 4.5.2008
Regie: Lars Ole Walburg