Familienministerin a.D. Renate Schmidt

Selbst ist die Frau

Die frühere Bundesfamilienministerin Renate Schmidt (SPD) blickt am 16.04.2015 während einer Pressekonferenz des Nestlé Zukunftsforums in Frankfurt am Main in die Runde.
Die frühere Bundesfamilienministerin Renate Schmidt © picture alliance / dpa / Arne Dedert
Moderation: Britta Bürger · 24.10.2017
Renate Schmidt war ihrer Zeit immer voraus: In den 60er-Jahren Programmiererin und Ernährerin der Familie, in den 70ern hauptberufliche Betriebsrätin, in den 80er-Jahren in der Politik. Im Berufsleben fiel ihr ein Problem besonders auf: die Stellung der Frau.
Auch heute, acht Jahre nach ihrem Rückzug aus der Politik, wirbt Renate Schmidt dafür, dass Frauen selbst Verantwortung für ihr finanzielles Auskommen übernehmen.
"Ich habe erst vielleicht so mit 30 erkannt, dass ich ungeheuer viel Glück hatte, dass ich an diesen Mann geraten war, der mich unterstützt hat – mein Ehemann, dass ich in einer Firma gearbeitet habe, die einen Betriebskindergarten hatte, und dass ich insgesamt eher glücklicher dran war als andere. Und ich habe festgestellt, insbesondere auch als Betriebsrätin, dass es anderen deutlich schlechter geht, die genau so schlau sind wie ich und die genauso viel können wie ich. Und dann habe ich festgestellt, das liegt am System – also die Systemanalytikerin – und dieses System muss man ändern, dieses System der systematischen Diskriminierung von Frauen."

Blöde Zwischenrufe im Bundestag

In der Politik verkörperte Schmidt einen neuen Frauentyp: nüchtern, pragmatisch, durchsetzungsfähig. Oft erlebte sie, dass Frauen in der Politik nicht ernst genommen wurden – und werden, etwa wenn sie im Bundestag das Wort ergreifen:
"Wie Frauen nicht zugehört wird, wie Frauen übergangen werden, wie der Geräuschpegel steigt, wenn Frauen sprechen, was für blöde Zwischenrufe kommen. Zum Beispiel gegenüber Anke Martini kam von Michael Glos (damals Chef der CSU-Landesgruppe im Bundestag, d. Red.) der Zwischenruf: ‚Sie sehen auch besser aus als Sie reden‘. Und weil es so lustig war und alle gelacht haben, gleich noch einmal. Ich bin dann zu ihm hin, weil ich Michael Glos eigentlich gerne mag und habe gesagt, was ihm da eingefallen ist, und dann sagte er doch zu mir und hat es ernst gemeint: ‚Das war doch ein Kompliment‘."

Eigene Erfahrungen in Politik ummünzen

Ihr politisches Engagement verband die SPD-Politikerin mit Erfahrungen, die sie selbst in ihrem Leben gemacht hatte. Zum Beispiel in der Familienpolitik: Frauen dürfen sich weder beim Lebensunterhalt noch in Rentenfragen auf ihre Männer verlassen. Das war immer einer der Glaubenssätze von Renate Schmidt. Auch heute wirbt sie noch dafür, dass Frauen selbst Verantwortung für ihr finanzielles Auskommen übernehmen und warnt vor den typischen Fallen einer weiblichen Erwerbsbiographie:
"Sie tappen in die Familienarbeitsfalle und tappen in die Teilzeitfalle oder Minijobfalle. Und aus beiden Fallen kommt man nur ganz schlecht wieder heraus. Wenn man einmal mit den Minijobs angefangen hat und glaubt, das ist eine vernünftige Lösung – und es ist ja auch was das Gesamteinkommen der Familie betrifft so schlecht nicht, weil das Ehegattensplitting sorgt für ein höheres Netto beim Mann –, man kommt aus solchen Dingen nicht mehr in eine qualifizierte Tätigkeit. Und das übersehen viele Frauen, glauben, die Ehe hält ewig, und wenn die Ehe dann scheitert, dann sind sie die Gelackmeierten."

Ärger über die SPD

Mit 73 Jahren, vier hauptamtlichen Tätigkeiten und ungezählten Ehrenämtern bleibt Renate Schmidt nur wenig Zeit für Muße. Und die Politik lässt sie nicht ganz los; über die derzeitige Lage ihrer Partei, der SPD, nach der Bundestagswahl kann Renate Schmidt sich richtig aufregen:
"Im Moment ärgere ich mich über meine Partei beziehungsweise meine Fraktion. Das, was da im Moment an Personaldiskussionen abgeliefert wird, spottet jeder Beschreibung, und wenn die so weiter machen, dann tragen sie dazu bei, dass die SPD marginalisiert wird und dann ist Opposition wirklich Mist. Ich hoffe, dass die sich noch einkriegen, und ich finde die Entscheidung gestern für Thomas Oppermann als Vize-Präsidenten und die Begründung dafür, die finde ich eigentlich eher hanebüchen und ärgere mich weidlich darüber."
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