Familiengeheimnis
Lange Zeit wusste die Kinderbuchautorin Amelie Fried nichts von der Vergangenheit ihres Vaters, der während der Nazizeit als Jude ins KZ deportiert wurde. Er überlebte, sprach jedoch nie wieder von dem Geschehen. Sehr viel später erfuhrt die Autorin von seiner Lebensgeschichte und hat sie in dem Jugendbuch "Schuhhaus Pallas" festgehalten.
Es gibt Bücher, die müssen geschrieben werden. Amelie Frieds "Schuhhaus Pallas" ist solch ein Buch. Schon auf den ersten Seiten spürt man, wie sehr es die Autorin drängt, diese Geschichte, von der sie förmlich überfallen wurde, zu erzählen, um nach erschütternden Entdeckungen wieder Boden unter die Füße zu bekommen. Durch einen Zufall nämlich stellte sich heraus, dass Amelie Frieds Großtante und Großonkel im KZ umgekommen waren. Die Autorin wusste nichts davon, denn in ihrer Familie war die Nazi-Zeit tabu. Sie begann zu recherchieren und entdeckte eine dramatische Familiengeschichte.
Mittel- und Haltepunkt der Ulmer Familie Fried ist das etablierte Schuhhaus "Pallas", das der jüdische Großvater am Beginn der Nazi-Zeit noch halten kann. Aber auch sturer Widerstand, listige Schachzüge und riskante Aktionen können die Schließung auf Dauer nicht abwenden. Was folgt, ist eine familiäre Katastrophe, der Kampf ums finanzielle und körperliche Überleben und die Auswanderung oder Deportation vieler Verwandter. Der Großvater lässt sich von der nichtjüdischen Großmutter scheiden und kommt ins KZ, Amelie Frieds Vater muss Zwangsarbeit leisten und ebenfalls ins KZ.
Diese jüdische Familiengeschichte ist exemplarisch und einzigartig zugleich. Exemplarisch was den erlebten Terror betrifft, vom Boykott des Geschäftes bis zur Ermordung vieler Familienmitglieder, denen die Autorin im Lauf ihrer Recherchen zum ersten Mal begegnet. Einzigartig, weil der jüdische Großvater und sein Sohn überleben, aber nach dem Krieg nicht mehr über ihre Erlebnisse sprechen. Das belastet die Familienatmosphäre auf Dauer schwer.
Das Besondere an Amelie Frieds "Schuhhaus Pallas" ist auch, dass hier gleich drei Geschichten erzählt werden. Die sorgfältig recherchierte, zum Teil trostlose, aber unsentimental erzählte Geschichte einer weit verzweigten Familie. Außerdem die Erinnerungen der Autorin an ihren Vater und schließlich der Verlauf ihrer Recherchen. So wechselt auch der Ton zwischen nüchterner Information und wehmütigem Erinnern, akribisch recherchierten Fakten und bohrenden Fragen. Gerade diese Vielstimmigkeit wirkt sehr authentisch und berührend.
Mit ihrem jugendlichen Leser bleibt Amelie Fried auf Augenhöhe. Ihre persönliche Betroffenheit zieht ihn ins Buch hinein, ihr sachlicher Umgang mit ihrem Thema hält ihn fest. Es gelingt ihr hervorragend, hinter der Familiengeschichte immer wieder die historischen Umstände und Entwicklungen zu zeigen, sie sind ja unmittelbare Bedingungen der Familientragödie. Durch viele Fotos und Abbildungen im Text und einen Anhang mit Zeittafel und Begriffserklärungen ist "Schuhhaus Pallas" höchst informativ und mit Sicherheit auch als Schullektüre geeignet.
Amelie Fried hat herausgefunden, wie es damals wirklich war mit ihrer Familie. Hat das Schweigen durchbrochen, um das Vergessen zu verhindern und mit ihrem Vater Frieden zu schließen. Sie hat Zeugnis abgelegt über eine Zeit, deren Überlebende nicht mehr lange erzählen können. Es gibt Bücher, die sollten gelesen werden.
Rezensiert von Sylvia Schwab
Amelie Fried: Schuhhaus Pallas.
Wie meine Familie sich gegen die Nazis wehrte
Carl Hanser Verlag 2008, 192 Seiten, 14,90 Euro
Mittel- und Haltepunkt der Ulmer Familie Fried ist das etablierte Schuhhaus "Pallas", das der jüdische Großvater am Beginn der Nazi-Zeit noch halten kann. Aber auch sturer Widerstand, listige Schachzüge und riskante Aktionen können die Schließung auf Dauer nicht abwenden. Was folgt, ist eine familiäre Katastrophe, der Kampf ums finanzielle und körperliche Überleben und die Auswanderung oder Deportation vieler Verwandter. Der Großvater lässt sich von der nichtjüdischen Großmutter scheiden und kommt ins KZ, Amelie Frieds Vater muss Zwangsarbeit leisten und ebenfalls ins KZ.
Diese jüdische Familiengeschichte ist exemplarisch und einzigartig zugleich. Exemplarisch was den erlebten Terror betrifft, vom Boykott des Geschäftes bis zur Ermordung vieler Familienmitglieder, denen die Autorin im Lauf ihrer Recherchen zum ersten Mal begegnet. Einzigartig, weil der jüdische Großvater und sein Sohn überleben, aber nach dem Krieg nicht mehr über ihre Erlebnisse sprechen. Das belastet die Familienatmosphäre auf Dauer schwer.
Das Besondere an Amelie Frieds "Schuhhaus Pallas" ist auch, dass hier gleich drei Geschichten erzählt werden. Die sorgfältig recherchierte, zum Teil trostlose, aber unsentimental erzählte Geschichte einer weit verzweigten Familie. Außerdem die Erinnerungen der Autorin an ihren Vater und schließlich der Verlauf ihrer Recherchen. So wechselt auch der Ton zwischen nüchterner Information und wehmütigem Erinnern, akribisch recherchierten Fakten und bohrenden Fragen. Gerade diese Vielstimmigkeit wirkt sehr authentisch und berührend.
Mit ihrem jugendlichen Leser bleibt Amelie Fried auf Augenhöhe. Ihre persönliche Betroffenheit zieht ihn ins Buch hinein, ihr sachlicher Umgang mit ihrem Thema hält ihn fest. Es gelingt ihr hervorragend, hinter der Familiengeschichte immer wieder die historischen Umstände und Entwicklungen zu zeigen, sie sind ja unmittelbare Bedingungen der Familientragödie. Durch viele Fotos und Abbildungen im Text und einen Anhang mit Zeittafel und Begriffserklärungen ist "Schuhhaus Pallas" höchst informativ und mit Sicherheit auch als Schullektüre geeignet.
Amelie Fried hat herausgefunden, wie es damals wirklich war mit ihrer Familie. Hat das Schweigen durchbrochen, um das Vergessen zu verhindern und mit ihrem Vater Frieden zu schließen. Sie hat Zeugnis abgelegt über eine Zeit, deren Überlebende nicht mehr lange erzählen können. Es gibt Bücher, die sollten gelesen werden.
Rezensiert von Sylvia Schwab
Amelie Fried: Schuhhaus Pallas.
Wie meine Familie sich gegen die Nazis wehrte
Carl Hanser Verlag 2008, 192 Seiten, 14,90 Euro