Familie im Zeitalter der Globalisierung
Von Aischylos bis Jon Fosse: Dass die wahren Tragödien Familiengeschichten sind, haben Dramatiker von der Antike bis zur Gegenwart immer schon gewusst. Das Festival zum Thema Familie „Your nanny hates you“ im Berliner HAU allerdings lässt Orest und seinen verkorksten Clan genauso links liegen wie Ibsens Familiendramen und fragt nach dem Zustand von Familie und Gesellschaft im Zeitalter von Globalisierung.
Es sind die Rituale, die die Familienmitglieder immer wieder zusammenbringen. Sebastian Nüblings „Familienforschung Mütter. Väter. Kinder.“ kommt ohne viele Worte aus. Der Regisseur präsentiert sein eigenes Familienleben und das seiner Freunde in Momentaufnahmen aus dem unspektakulären Alltag:
„Es gibt eigentlich drei familiäre Modelle: Das ist Familie Nübling, zwei Erwachsene, zwei fast erwachsene Kinder, es gibt die Familie Schneider Gartenschläger. Alice ist Tänzerin, Tom ist Musiker, das Kind ist vier und dann noch die Eltern und es gibt einen Musiker und seinen Vater.“
Man sieht Eltern vor ihrem Kind Grimassen schneiden, einen Vater beim Schachspiel mit sich selbst, während Mutter und Tochter um seine Aufmerksamkeit konkurrieren und einen erwachsenen Sohn mit seinem alten Vater beim Tischtennis.
„Ich beschäftige mich am Theater viel mit Ibsen, mit Medea … mit diesen auf den Punkt der Katastrophe hingeführten Geschichten, und ich hatte einfach im Kopf, ich wollte ein Gegenbild erschaffen, übers Gelingen erzählen.“
Potenzielle Konflikte werden von der Freundin als lebende Bilder arrangiert. Mama Nübling in den Armen des Freundes. Der zornig-eifersüchtige Papa Nübling. Die entsetzte Tochter, die sich übergibt: eine gefrorene Horrorvision, die Alptraum bleibt.
Wie die bürgerliche Eltern-Kind-Konstellation auch ohne Ibsen oder Ayschilos in wirklichen Horror umschlagen kann, zeigt Travis Jeppesen, das Wunderkind unter Amerikas Stückeschreibern in seinem Stück „Daddy“. Inszeniert wird das Mutter-Sohn-Beziehungsdrama vom Bürgerschreck Ron Athey, der mit SM-Sex-Perfomances berühmt wurde.
Der Autor selbst spielt den Titelhelden, ein verzärteltes Einzelkind, das von seiner Übermutter wahlweise als Babypuppe oder Ersatzmann missbraucht wird. Wenn der Kleine droht, sich der mütterlichen Fürsorge zu entziehen wird er zur Brust genommen. wortwörtlich.
Dass das nur auf eine Katastrophe hinauslaufen kann, liegt in der Natur der Sache.
Wäre Sohnemann in der Obhut einer Nanny, eines Kindermädchens zum Beispiel aus den Philippinen groß geworden, die Tragödie hätte vermutlich verhindert werden können, aber um welchen Preis? Vielleicht hätte die Nanny mit ihrem eigenen Familienglück für die Familienidylle ihrer Arbeitgeber bezahlt. Davon erzählt der kanadische Regisseur Alex Ferguson in seinem Doku-Theaterstück „Nanay – A testimonial play“.
„Die philippinischen Nannys kümmern sich um fremde Kinder, weil sie ihren eigenen Kindern ein besseres Leben ermöglichen wollen. Ihr größter Wunsch ist, irgendwann einmal die eigene Familie nach Kanada zu bringen. Das kann Jahre dauern, und oft haben sie kein Glück damit.“
Auf einer Tour durchs Theater trifft das Publikum auf die Protagonisten dieses realen Dramas: auf die bürgerlichen Arbeitgeber mit ihrem subtilem Rassismus, die offen rassistischen Arbeitsvermittler und vor allem auf die Kindermädchen mit ihrer Sehnsucht nach dem Glück mit der eigenen Familie.
Vom Alptraum bis zur globalen Dienstleistungswirtschaft: Das Festival „Your nanny hates you“ spannt einen weiten Bogen zum Thema Familie. Bleibt die Frage, warum sich trotzdem immer wieder Menschen auf das Projekt Familie einlassen. Sebastian Nübling gab in seinem Stück heute Abend eine mögliche Antwort: Andächtig summt sein Drei-Generationen-Familienkollektiv immer wieder den Refrain des alten Elvis Presley Klassikers „You are always on my mind“. Die Familie ist halt immer da in Gedanken oder in der Realität, auch wenn alle anderen schon längst weg sind: Manchmal als Alptraum, aber manchmal eben auch als Versprechen.
„Es gibt eigentlich drei familiäre Modelle: Das ist Familie Nübling, zwei Erwachsene, zwei fast erwachsene Kinder, es gibt die Familie Schneider Gartenschläger. Alice ist Tänzerin, Tom ist Musiker, das Kind ist vier und dann noch die Eltern und es gibt einen Musiker und seinen Vater.“
Man sieht Eltern vor ihrem Kind Grimassen schneiden, einen Vater beim Schachspiel mit sich selbst, während Mutter und Tochter um seine Aufmerksamkeit konkurrieren und einen erwachsenen Sohn mit seinem alten Vater beim Tischtennis.
„Ich beschäftige mich am Theater viel mit Ibsen, mit Medea … mit diesen auf den Punkt der Katastrophe hingeführten Geschichten, und ich hatte einfach im Kopf, ich wollte ein Gegenbild erschaffen, übers Gelingen erzählen.“
Potenzielle Konflikte werden von der Freundin als lebende Bilder arrangiert. Mama Nübling in den Armen des Freundes. Der zornig-eifersüchtige Papa Nübling. Die entsetzte Tochter, die sich übergibt: eine gefrorene Horrorvision, die Alptraum bleibt.
Wie die bürgerliche Eltern-Kind-Konstellation auch ohne Ibsen oder Ayschilos in wirklichen Horror umschlagen kann, zeigt Travis Jeppesen, das Wunderkind unter Amerikas Stückeschreibern in seinem Stück „Daddy“. Inszeniert wird das Mutter-Sohn-Beziehungsdrama vom Bürgerschreck Ron Athey, der mit SM-Sex-Perfomances berühmt wurde.
Der Autor selbst spielt den Titelhelden, ein verzärteltes Einzelkind, das von seiner Übermutter wahlweise als Babypuppe oder Ersatzmann missbraucht wird. Wenn der Kleine droht, sich der mütterlichen Fürsorge zu entziehen wird er zur Brust genommen. wortwörtlich.
Dass das nur auf eine Katastrophe hinauslaufen kann, liegt in der Natur der Sache.
Wäre Sohnemann in der Obhut einer Nanny, eines Kindermädchens zum Beispiel aus den Philippinen groß geworden, die Tragödie hätte vermutlich verhindert werden können, aber um welchen Preis? Vielleicht hätte die Nanny mit ihrem eigenen Familienglück für die Familienidylle ihrer Arbeitgeber bezahlt. Davon erzählt der kanadische Regisseur Alex Ferguson in seinem Doku-Theaterstück „Nanay – A testimonial play“.
„Die philippinischen Nannys kümmern sich um fremde Kinder, weil sie ihren eigenen Kindern ein besseres Leben ermöglichen wollen. Ihr größter Wunsch ist, irgendwann einmal die eigene Familie nach Kanada zu bringen. Das kann Jahre dauern, und oft haben sie kein Glück damit.“
Auf einer Tour durchs Theater trifft das Publikum auf die Protagonisten dieses realen Dramas: auf die bürgerlichen Arbeitgeber mit ihrem subtilem Rassismus, die offen rassistischen Arbeitsvermittler und vor allem auf die Kindermädchen mit ihrer Sehnsucht nach dem Glück mit der eigenen Familie.
Vom Alptraum bis zur globalen Dienstleistungswirtschaft: Das Festival „Your nanny hates you“ spannt einen weiten Bogen zum Thema Familie. Bleibt die Frage, warum sich trotzdem immer wieder Menschen auf das Projekt Familie einlassen. Sebastian Nübling gab in seinem Stück heute Abend eine mögliche Antwort: Andächtig summt sein Drei-Generationen-Familienkollektiv immer wieder den Refrain des alten Elvis Presley Klassikers „You are always on my mind“. Die Familie ist halt immer da in Gedanken oder in der Realität, auch wenn alle anderen schon längst weg sind: Manchmal als Alptraum, aber manchmal eben auch als Versprechen.