40 Jahre Falklandkrieg

Inseln zwischen Zoff und Zukunft

22:04 Minuten
Stürmische dunkle und helle Wolken über flachen Inselkuppen im Meer mit einem Hauch von Sonne.
Ein Archipel aus 200 Inseln vor der Küste Argentiniens: 3000 Menschen leben auf den britischen Falklands. © imago images / UIG / Martin Zwick
Von Lisa Pausch · 15.09.2022
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Seit fast 200 Jahren streiten sich Argentinien und Großbritannien um die Hoheit über die Falklandinseln im Südatlantik. 1982 kommt es zum Krieg, den Argentinien verliert. Was machen die Schatten der Vergangenheit mit den Falkländern heute?
Es ist ein kalter, sonniger Apriltag in Ushuaia, an der Südspitze Argentiniens. Itala Gordillo, Anfang 40, steht auf einem Gerüst und tupft mit einem Pinsel Farbe auf eine Hauswand. Das Wandbild ist fast fertig. Es zeigt einen Soldaten, der sich zu einem Hund kniet und mit seiner Nase die Hundeschnauze fast berührt.
Eine lachende Frau mit gelbem Sweater und Käppi sitzt neben einer Leiter vor einem riesigen Gemälde, auf dem sich ein Soldat und ein Hund küssen.
"Ich wollte nicht die rohe Seite, sondern die Emotionen der Soldaten darstellen", sagt die Malerin Itala Gordillo zum Thema Falklandkrieg.© Deutschlandradio / Lisa M. Pausch
Itala trägt ihre pinken Locken unter einer Schirmmütze. Sie ist Auftragsmalerin und Tangotänzerin aus der argentinischen Provinz.

Street-Art-Wettbewerb zum 40. Jahrestag

Zum 40. Jahrestag des Krieges zwischen Argentinien und Großbritannien um die Falklandinseln am 2. April hat die nicht einmal 700 Kilometer von den Inseln entfernte Stadt einen Street-Art-Wettbewerb organisiert.
„Ich wusste nicht so genau, worauf sie abzielen. Vielleicht mehr darauf, die Ereignisse heldenhaft darzustellen, als Kampf und ich komme dann an mit einem Hund, also mit etwas sehr Intimem, ja, Menschlichem. Ich wollte aber nicht diese rohe Seite darstellen, sondern mehr die Emotionen der Soldaten“, erzählt die Künstlerin. „Die Einsamkeit, also im schlechten Sinn, Kummer, Traurigkeit und die Angst, nicht zu wissen, ob man am nächsten Tag noch lebt.“

Ich habe mich in so einen Soldaten hineinversetzt. Es gab Hunde auf den Inseln, die einen vielleicht begleiten und etwas Wärme geben konnten.

Itala Gordillo, Künstlerin aus Argentinien

Der Garten, in dem Itala malt, gehört Daniel Brondino, einem Endfünfziger, der zwei Jahre nach dem Krieg hierhergezogen ist. Er kommt in Jogginghose aus dem Holzhaus und bietet Mate-Tee an.
„Als ich hierhergekommen bin, war ich noch jung. Damals hatte ich kein Gefühl für die Malvinas. Aber hier fühlt man es einfach mehr. Man fühlt es mehr im Herzen“, erzählt er.

"Hier im Süden hat das Thema wirklich berührt"

In Argentinien nennt man die abgelegene Inselgruppe im Südatlantik nicht Falklands sondern Malvinas – der Begriff ist meist mehr als nur die Übersetzung aus dem Englischen. Er hat sowohl in Argentinien als auch auf den Inseln eine politische Bedeutung.
„Vor allem im Süden, etwa in Santa Cruz oder Feuerland – da hört man das am meisten“, erklärt er. „Auch in einem Teil von Chubut, in der Stadt Comodoro, aber sonst? Ich habe lange in Córdoba gelebt, kaum informiert waren die da. Als wären die Malvinas gar nicht wichtig. Aber hier im Süden hat uns dieses Thema wirklich berührt.“
Blumen und  Holzkreuz an einer Wand mit einem Wandrelief, das an Kriegsgeschehnisse erinnert.
Kriegsdenkmal in Stanley, der Hauptstadt der Falklandinseln: 74 Tage lang dauerte der Krieg zwischen Argentinien und Großbritannien, über 900 Menschen kamen ums Leben.© imago images / Danita Delimont
Seit 1833 sind die Inseln, die knapp 500 Kilometer vor der argentinischen Küste liegen, mit Ausnahme von wenigen Kriegstagen, durchgängig in britischer Hand. Davor gehörten sie auch der französischen und der spanischen Kolonialmacht.

"Der größte Genozid ist der Kolonialismus"

Nach dem überraschenden argentinischen Angriff, der 1982 zum nicht erklärten Kurzkrieg führte, konnte Großbritannien die Falklands zurückerobern. Doch sie bleiben Zankapfel bis heute.

Ich hoffe, dass wir eines Tages, vielleicht schon bald, na ja, ich sage nicht zurückkehren können. Aber dass die Jungen, die da waren, zurückgehen können und erneut die argentinische Flagge hissen werden. Es gibt viele europäische Länder, die immer noch Kolonien haben, obwohl es längst dekoloniale Gesetze gibt auf der Welt.

Daniel Brondino, Argentinier aus Ushuaia

„Aber sie verzichten nicht darauf“, kritisiert Brondino. „Eine Macht wie Spanien hat immer noch eine britische Kolonie in Gibraltar. Ich wünsche mir natürlich, dass die Falklands friedlich zurückgewonnen werden. Sie gehören zu Argentinien. Bevor die Engländer da waren, wurden sie von Argentiniern bewohnt.“
Daniel Brondino und mit ihm viele Argentinierinnen und Argentinier haben eine klare Meinung zum Streit um die Inseln. Was war der größte Genozid, fragt er und liefert selbst die Antwort: der Kolonialismus. Brondino ist Sohn italienischer und spanischer Einwanderer, wie viele Menschen in Argentinien.
Buntbedruckte Geldscheine mit dem Porträt der Queen.
Die Queen auf den Geldscheinen der Falklands: Die Argentinier reagieren ambivalent auf den Tod von Elizabeth II., weil diese die harte Reaktion der Briten auf den Inseln 1982 ausdrücklich billigte.© imago images / Panthermedia
Elf von Großbritannien verwaltete Gebiete, vor allem Inseln, stehen auf der Agenda des UN-Komitees für Dekolonialisierung. Darunter auch die Kronkolonie Gibraltar vor der spanischen Küste. Die Karibikinsel Barbados hat sich erst im vergangenen Jahr vollständig von der britischen Krone losgesagt und ihre erste Präsidentin gewählt.
Auf den Falklandiseln haben die Menschen vor knapp zehn Jahren in einem Referendum darüber abgestimmt, ob sie weiter britisch sein wollen. Ergebnis: ein deutliches Ja und nur drei Gegenstimmen. Gelöst ist der Konflikt damit nicht.

"Für Viele sind die Inseln identisch mit Krieg"

Sebastián Carassai, ist Soziologe und Dozent an der staatlichen Universität Buenos Aires. Er hat die Inseln bereist und in diesem Jahr ein Buch veröffentlicht mit dem Titel “Was wir über die Malvinas nicht wissen”.
„Heutzutage ist die Zukunft der Inseln nicht mehr Teil der öffentlichen Debatte in Argentinien. Das heißt, für einen Großteil der Bevölkerung sind sie identisch mit Krieg. Wenn man von ihnen spricht, dann spricht man von den ehemaligen Kombattanten, den Nachwirkungen“, erklärt er.

Es ist vor allem ein Gefühl. Diese Überzeugung wirst du in jedem finden, mit dem du auf der Straße sprichst, unabhängig davon, wie viel die Person über die Falklands weiß. Die Leute sind aber auf jeden Fall davon überzeugt, dass die Inseln argentinisch sind. Manche sagen dir zwar, ja, wir haben sie verloren, denken aber gleichzeitig weiterhin, dass sie argentinisch sind.

Sebastián Carassai, Soziologe

Ein Fotograf versucht am Strand sitzend eine Gruppe von großen Pinguinen am Strand mit der Kamera einzufangen.
Britisch oder argentinisch? Von den bekannten Königspinguinen auf den Falklandinseln sind bislang noch keine Verwicklungen in kriegerische Ereignisse bekannt.© imago images / Danita Delimont / via www.imago-images.de
In Ushuaia waren während des Kriegs von April bis Juni 1982 Hunderte Soldaten stationiert. Damals hatte die südlichste Stadt Argentiniens nur wenig mehr als 10.000 Einwohner, heute sind es acht Mal so viele. Feuerland, in dessen Inselwelt Ushuaia liegt, ist mit seinen niedrigen Steuern in den letzten Jahrzehnten zum Hotspot für Technologiefirmen geworden.

Keine Ahnung von den Falklands

Lautaro, Brondinos Sohn, ist gerade in den Garten gekommen. Er arbeitet in einer Fabrik, die Smartphones herstellt. Ein bisschen müde sieht er aus. Die Falklands? Der 20-Jährige winkt ab.
„Ehrlich gesagt, habe ich nicht groß Ahnung davon. Ich denke auch nicht viel darüber nach. Aber ja, wichtig ist es mir schon ein Stück weit, weil es unser Land war. In der Schule haben wir viel darüber gesprochen. Zu Hause auch, aber oft habe ich mich darüber nicht unterhalten“, erzählt er.
„Es ist gut, wenn man etwas darüber weiß, aber ich habe mir nicht die Zeit genommen, da mehr herauszufinden. Ich mache gerade viel Sport und bin am Arbeiten. So bald wie möglich möchte ich in den Nordosten, nach Corrientes, gehen und Sport studieren.“
In einem derzeit politisch tief gespaltenen Land wie Argentinien, in einer schwierigen wirtschaftlichen Lage und mit einer Inflation von derzeit 70 Prozent, schweißt der Konflikt um die Falklandinseln auch die Streithähne ganz unterschiedlicher Parteien zusammen.
Soziologe Carassai erklärt: „Zum Beispiel hat heute Morgen die Vizepräsidentin plötzlich von den Inseln gesprochen, in einer Situation, die eigentlich gar nichts damit zu tun hatte. Während ihrer Verteidigungsrede bei einem Gerichtsprozess. In einem Moment sagte sie da: ‚Alle wissen, dass ich voll und ganz Malwinerin bin.‘“

Spülmittel kommt aus Großbritannien

Die Falklands rufen seit ein paar Jahren gemeinsam mit den Britischen Botschaften in Argentinien, Brasilien, Chile und Uruguay Studierende dazu auf, sich um eine kostenlose Reise auf die Inseln zu bewerben. Argentinien wertet das als Provokation.
Die Tatsache, dass dieser Konflikt bis heute nicht gelöst ist, hat praktische Folgen für den Alltag vor Ort. Eine direkte Fähr- oder Flugverbindung mit Argentinien gibt es nicht. Der Flug aus Chile macht nur alle paar Wochen einen Zwischenstopp im Land, aber nie in Buenos Aires.
Butter, Mehl und Milch, aber auch Spülmittel oder Schränke kommen mit dem Schiff aus Großbritannien. Obst und Gemüse sind teuer, ein Salatkopf kostet mindestens drei Euro.
Ein junger Mann mit dunklem Bart und Dutt sitzt am PC in seinem begrünten Büro.
Spürt als Falkländer die Verantwortung, die Inseln zu repräsentieren: Nick Roberts, stellvertretender Chefredakteur der "Penguin News".© Deutschlandradio / Lisa M. Pausch
Ankunft in der Hauptstadt der Falklandinseln, in Port Stanley. Es stürmt heftig an diesem Nachmittag. Möwen lassen sich von den Böen treiben. An der Küste sitzt in einem weißen Holzhaus die Redaktion der einzigen lokalen Zeitung hier: „Penguin News“ ihr Name.

Fleisch ist das bessere Gemüse

Nick Roberts ist der stellvertretende Chefredakteur. Der 27-Jährige erzählt, dass er wieder Fleisch isst, seitdem er nach dem Studium aus England nach Hause zurückgekehrt ist. Gemüse ist nicht immer frisch und außerdem auch teuer. Lokales Fleisch dagegen gut und günstig.
Der Mann, der die langen schwarzen Haare zum Dutt gebunden hat, sitzt zwischen Grünlilien und Merkzetteln an seinem Schreibtisch und berichtet von den Nachrichten der Woche.
Auf Seite vier der aktuellen Ausgabe, ein Leserbrief mit der Überschrift: „Ja, die Schuld muss aufhören“.

Viele Briefe haben Bezug genommen auf einen Leitartikel in der letzten Woche. Die Chefredakteurin hat darin über ein Gefühl geschrieben, mit dem sich viele Menschen hier identifizieren können. Es lastet manchmal sehr viel Druck auf den Falkländern. Fast so etwas wie die Schuld, überlebt zu haben. Weil man weiß, dass so viele in diesem Konflikt gestorben sind und sich für unsere Freiheit geopfert haben.

Daher existiert ein klares Bewusstsein, dass unsere Geschichte sehr eng verbunden ist mit dem Jahr 1982. Und daraus ergibt sich bei vielen das Gefühl einer Verpflichtung, das Beste aus ihrem Leben auf den Falklandinseln machen zu müssen.

Nick Roberts, Journalist auf den Falklands

Er selber spüre diese Art von Druck nicht, sagt Nick. Aber sehr wohl die Verantwortung, die Inseln zu repräsentieren. Als Falkländer in siebter Generation, der zusätzlich britische und chilenische Wurzeln hat.
255 britische Soldaten starben in dem Krieg, einer für etwa vier Falkländer, rechnet er nach. Die argentinischen Opferzahlen sind fast drei Mal so hoch, auch drei Zivilisten starben.
Ein an einer Tür angebrachtes Plakat mit britischer Flagge und Falkland-Beschriftung.
„Durch und durch britisch“: Falls es jemand auf den Falklands noch nicht bemerkt haben sollte.© imago images
Weder in Großbritannien noch auf den Falklands steht die Geschichte des Krieges auf dem Lehrplan. Denn der richtet sich nach den Vorgaben aus London. Lediglich im Rahmen von Projekttagen können Lehrkräfte das Thema vereinzelt aufgreifen.
Doch Jahreszahlen sowie Informationen zum Ursprung des Konflikts und der britischen Siedlung gehören nicht zum Allgemeinwissen.

Die Falklands eine schottische Insel?

Viele junge Falkländerinnen und Falkländer gehen – wenn ihre Noten gut genug sind – auf Kosten der Inseln in Großbritannien aufs College und an die Universität und treffen dort mitunter Gleichaltrige, die noch nie etwas von den Falklands gehört haben.
„Ich erinnere mich daran, dass ein paar Leute überrascht waren und gesagt haben: Wow, du klingst ja gar nicht so, als wärst du von den Falklands. Manche haben gefragt: Wo sind die Falklands? Was sind die Falklands? Die dachten, wir wären eine schottische Insel. Und ich glaube, viele denken, nur weil Margaret Thatcher in den Konflikt involviert war, dass die Falklands so eine Art kleines konservatives Traumland sind“, sagt Nick Roberts.

Auch wenn wir britisch sind, fühle ich mich nicht besonders mit England verbunden, vor allem nicht mit der konservativen Regierung. Wenn man sich die mal ansieht, sieht man, dass sie kein großer Fan von kostenloser Gesundheitsvorsorge und Bildung ist. Auf den Falklands dagegen wird beides sehr stark gefördert.

Nick Roberts, Journalist

Ohne den Krieg, sagt nicht nur Nick Roberts, wären die Inseln nicht das, was sie heute sind. Denn erst danach flossen Gelder aus Großbritannien, Straßen wurden asphaltiert und 200 Seemeilen rund um die Inseln zur exklusiven Wirtschaftszone erklärt.
60 Prozent des Bruttoinlandsprodukts kommen heute aus dem Verkauf von Fisch und Fischereilizenzen. Vor allem für Tintenfisch, der im Sommer an der spanischen Costa Brava verkauft wird. Aus einem archaischen Dorf, das von Schafen und Wolle lebte, ist Stanley zu einer kleinen Stadt angewachsen mit einem der höchsten Pro-Kopf-Einkommen der Welt.

Niemand hat den Brexit befürwortet

Gleichzeitig liegt der Mindestlohn mit etwas über acht Euro deutlich unter dem britischen. Wohnungen seien teuer, klagen junge Paare und auch Gastarbeiterinnen und Gastarbeiter. Der einzige Internetanbieter lässt sich reichlich bezahlen, was wiederum die Entstehung digitaler Start-ups verhindert. Der einzige lokale Fernsehkanal ist zumindest teilweise mit der Fischereiindustrie verbandelt, die seit dem Brexit über die hohen Zölle klagt.
Den Austritt aus der Europäischen Union hat hier eigentlich niemand befürwortet und, dass die britische Regierung dann auch noch die Falklandinseln bei neuen Handelsverträgen außen vor ließ, war für viele wie ein Schlag ins Gesicht.
Ein kleiner Ort mit Kirche an einem Hügel im Grünen vor dem Hintergrund von Bergen und Meer.
Vom Dorf zur kleinen Stadt mit einem der höchsten Pro-Kopf-Einkommen der Welt angewachsen: die Hauptstadt Stanley© imago images
Seit dem Krieg gegen die Ukraine richten sich die Scheinwerfer auch auf den Falklands auf das Öl, das gut 200 Kilometer nördlich der Inseln unter dem Meeresgrund schlummert.
Ein Öl-Boom könnte, so heißt es in einem Bericht der Inselverwaltung, die Einwohnerzahl sprunghaft ansteigen lassen und angesichts einer bislang überschaubaren Bevölkerung von nur knapp 3000 Menschen zu sozialen Spannungen führen.

Ölförderung auf den Falklandinseln?

Während auch hier bei diesem Geschäft nur wenige auf den großen Profit hoffen können, sorgen sich die Menschen auf dem Land angesichts anhaltender Dürre um die Zukunft der traditionellen Schaf- und Rinderzucht.
Nick Roberts glaubt nicht an eine Zukunft der Ölförderung in seiner Heimat. Die Politik habe sich erst vor einem Jahr erfolgreich gegen die Lachszucht gewehrt, erzählt er und ist sich sicher: Seine Landsleute würden im Zweifel auch gegen die Ölförderung stimmen.
Dem bei den Bohrungen beteiligten britischen Konzern Rockhopper wurden erst im August mehr als 200 Millionen Dollar Entschädigung zugesprochen. Bezahlt werden muss die Summe von Italien, das aus Umwelt- und Klimaschutzgründen kein Öl mehr vor seiner Küste fördern will.
Vor dem Krieg hatte Großbritannien noch Gespräche mit der argentinischen Seite gesucht, um gemeinsam nach Öl zu bohren. Heute droht Buenos Aires mit Sanktionen und bricht Geschäftskontakte zu Konzernen ab, die für die Falkländer bohren.

"Meine Eltern haben Argentinien nie abgewertet"

Für viele Insulaner kommt es auf keinen Fall infrage, nach Argentinien zu reisen. Gleichzeitig unterscheiden viele zwischen der Bevölkerung und ihrer Regierung. Argentinier seien willkommen, steht auf einem Schild in einem Fenster mitten im Zentrum von Stanley – solange sie ihre Ansprüche auf die Inseln vergäßen.
Nick Roberts sagt, er würde Argentinien auch gerne mal bereisen und bleibt diplomatisch. Das liegt vielleicht in der Familie. Seine Mutter – halb Chilenin, halb Falkländerin – vertritt die Falklands bei den Vereinten Nationen.
„Seit ich mich erinnern kann, haben meine Eltern Argentinien nie abgewertet. Wir haben hier Zugewanderte aus Simbabwe, von den Philippinen, aus Europa, den USA, Kanada oder sonst woher, denen ihre Eltern nie beigebracht haben, dass die Argentinierinnen und Argentinier schlecht sind“, sagt er.

Je mehr Menschen aus aller Welt auf die Falklands kommen, desto selbstverständlicher wird dieser Umgang auch für ihre Kinder sein. Sie sprechen mit anderen Kids und so ändert sich die Sichtweise schrittweise. Im Schnitt, würde ich sagen, wird Argentinien heute weniger schlechtgeredet.

Nick Roberts, Journalist

Im West Store, einem Supermarkt in Stanley, arbeitet Ela Pontaoe, sie trägt eine  Uniform, ein weißes Poloshirt und eine Schürze.
Eine junge Frau in Latz-Arbeitshose und Käppi sitzt lächelnd auf einem knallgelben Sitz.
"Ich bin vielleicht schon eine Falkländerin" - die Philippinerin Ela Pontaoe hat sich in sechs Jahren auf den Inseln gut eingelebt.© Lisa M. Pausch
Ihr Cousin hat sie vor sechs Jahren gefragt, ob sie nicht auch rüberkommen wolle auf die Falklands. Da arbeitete die damals 24-Jährige in Manila in einem Kuchengeschäft. Wie ist das Leben für sie heute auf den Inseln?
„Wenn es um die Arbeit geht, ist es nicht wirklich hart, anders als auf den Philippinen. Die Kosten unterscheiden sich sehr: Wir versuchen, sie gering zu halten, um Geld zu sparen“, erzählt sie. „Wir sind auch viel im Internet unterwegs und versuchen unser Megabyte-Limit nicht zu überschreiten. In unserem Vier-Personen-Haushalt bezahlen wir dafür 62 Euro pro Person und Monat. Für uns ist das viel. Wenn man das mit philippinischen Gehältern vergleicht, entspricht das einem Monatslohn. Aber wir haben keine Wahl.“

"Hier kann man mehr Geld verdienen"

Die Regierung der Falklands rechnet damit, dass sich bis 2035 mehr als ein Drittel der Einwohner nur vorübergehend auf den Inseln aufhalten werden. Die philippinische Community ist inzwischen auf über 300 Personen angewachsen, schätzt Ela.
„Die meisten wollen bleiben. Vielleicht weil man hier mehr Geld verdienen kann als auf den Philippinen“, sagt sie. Und die große Entfernung? „Ja, das ist das Ding. Ich habe die ersten zwei Jahre nur dafür gearbeitet, mir ein Ticket bezahlen zu können und für etwas Taschengeld.“
In ihrer Heimat ist Ela bei ihrem Vater aufgewachsen. Ihre Mutter arbeitete schon, als sie klein war, als Reinigungskraft in Großbritannien und besucht die Familie bis heute jedes Jahr. Auch Ela hatte versucht, nach Großbritannien auszureisen, aber sie war zu diesem Zeitpunkt schon zu alt dafür, sagt sie.
Auf den Falklands hat sie sich schnell eingelebt. „Vor allem, weil ich von Philippinern umgeben bin, gerade auf der Arbeit. Würde ich meine Stelle wechseln, und mit anderen Menschen zusammenarbeiten, mit Engländern oder anderen Nationalitäten, könnte ich wahrscheinlich wieder bei null anfangen. Ich ziehe es vor, mit meinen Landsleuten Kontakt zu haben und zu arbeiten.“
Und weiter: „Deswegen bin ich auch noch immer zufrieden mit der Arbeit und es ist nicht wirklich hart für mich. Wenn wir eine Community-Party haben, gibt es manchmal sogar welche, die ich nicht kenne. Aber ich kenne auch eine Kollegin aus Simbabwe oder eine von St. Helena, nicht viele allerdings. Ich gehe auch zu den Firmenfeiern, habe aber mit den anderen nicht so viel zu besprechen.“

Traum vom Haus auf den Falklands

Inzwischen ist Ela verheiratet. Billy ist auch Philippiner, arbeitet auf den Falklands als Klempner. Sie haben einen gemeinsamen Sohn. Trebor ist zwei Jahre alt. Brite oder Falkländer ist er qua Geburt nicht.
Ela beantragt für die Familie nun erst mal einen dauerhaften Wohnsitz. Sie kann sich vorstellen, länger hierzubleiben.

Das habe ich am Anfang nicht erwartet. Ich dachte, wie viele Jahre sind es noch, bis wir wieder zurück auf die Philippinen gehen können. Aber jetzt: Das ist das erste Mal, dass wir auch ein Haus bauen wollen. Also ja, ich bin vielleicht schon eine Falkländerin.

Ich hoffe, alles wird gut, und wenn wir alt werden, kann unser Sohn hier bleiben, in dem Haus, das wir bauen. Und wir werden dann unseren Lebensabend auf den Philippinen verbringen. Wer weiß?

Ela Pontaoe, Philippinerin auf den Falklands

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