Fakt und Fiktion trifft auf Musik

Vorgestellt von Hans-Ulrich Pönack |
"Bobby - Sie alle hatten einen Traum" erzählt vom letzten Tag des Robert F. Kennedy in 22 Einzelschicksalen einfacher Menschen. Die Porträtierten, hochkarätig mit Anthony Hopkins, Demi Moore und Sharon Stone besetzt, werden fast alle Zeugen des Mordes. Mit viel poppiger Musik versucht hingegen die neue Komödie mit Hugh Grant "Mitten ins Herz" zu treffen.
"Bobby - Sie alle hatten einen Traum"
USA 2006, Regie: Emilio Estevez, Darsteller: Anthony Hopkins, Demi Moore, William H. Macy, ab zwölf Jahren

"Bobby – Sie alle hatten einen Traum" ist ein Film von und mit Emilio Estevez, Jahrgang ´62 (Buch und Regie), der aus einer bekannten Künstlerfamilie stammt: Der Papa heißt Martin Sheen und zählt zu den vielbeschäftigsten Schauspielern Hollywoods (zuletzt bei Scorsese in "Departed - Unter Feinden"), sein Bruder Charlie Sheen hat sich ebenfalls als Schauspieler einen guten Unterhalter-Namen gemacht ("Hot Shots! - Die Mutter aller Filme"; "Die drei Musketiere").

Als Jung-Spunt-Schauspieler verdiente sich Emilio Estevez erste Lorbeeren mit Auftritten bei Francis Ford Coppola ("Die Outsider", 1983) bzw. bei John Hughes ("Breakfast Club", 1985) und John Badham ("Die Nacht hat viele Augen"; mit Richard Dreyfuß als Partner, 1987). Seit Mitte der 80er Jahre arbeitet Emilio Estevez aber auch als Regisseur und fiel mit Filmen wie "Wisdom" und "Men At Work" (mit Bruder Charlie Sheen) auf.

Inhalt: Hier nun liefert der Autor und Regisseur Emilio Estevez sein erstes filmisches Meisterstück ab: Wir schreiben den 4. Juni 1968. Der Ort: Das Hotel "Ambassador" in Los Angeles. Der 42-jährige Robert Francis Kennedy, der Bruder des im November 1963 ermordeten Präsidenten John F. Kennedy, wird erwartet. Es ist der letzte Tag der Präsidentschaftsvorwahlen in Kalifornien. Und Robert, genannt Bob Kennedy, hat die besten Chancen, von der Demokratischen Partei zum nächsten Präsidentschaftskandidaten nominiert zu werden (der regierende Präsident Johnson hat auf eine erneute Kandidatur verzichtet).

USA im Jahr 1968: Die allgemeine Lage ist angespannt. Stichwort: Vietnam-Krieg. Dagegen gibt es inzwischen eine große Protestbewegung. Der schwarze Bürgerrechtler Martin Luther King ist ermordet worden. Trauer, Empörung und Wut herrschen im Land. Bob Kennedy gilt als politischer Hoffnungsträger. Er hat sich gegen den Krieg in Vietnam ausgesprochen, er ging im Wahlkampf auf Schwarze, Arme und Latinos zu, zeigt Interesse an sozialen Fragen, bezog liberale bzw. nach europäischen Maßstäben "linke" Positionen, kam bei den Massen gut an.

Der Film beschreibt diese damalige "Aufbruchsstimmung": 22 (Hotel-)Personen unterschiedlicher Hautfarbe, unterschiedlichen Geschlechts und unterschiedlicher sozialer Klassen als Mikrokosmos einer wichtigen amerikanischen Epoche. Erdachte Kurzgeschichten und Schicksale mit Helden und Verlierer als Prototypen einer - wie wir wissen - Abschiedsära von Jugendlichkeit und Fortschrittsglauben, hin zur Zeit der "politischen Finsternis" ("Watergate").

Fazit: Ein großartiges Ensemble in Form des "Oscar"-Preisträgers Sir Anthony Hopkins und der am 1. März 80 Jahre alt gewordene Harry Belafonte als zwei philosophierende ältere Foyer-Herren; Demi Moore als Star-Sängerin mit enormen Alkohol-Problemen; Sharon Stone mimt angenehm zurückhaltend eine Promi-Hotelfriseuse und Seelsorgerin; Ashton Kutcher sorgt als ausgeflippter Hippie-Dealer für angesagten Anarcho-Zeitgeist; Lindsay Lohan ist eine junge Frau, die einem jungen Mann durch Heirat Vietnam "ersparen" will; William H. Macy spielt den fremdgehenden Ehemann von Sharon Stone und Hotel-Manager; Christian Slater bekommt als rassistischer Küchenboss zuhauf Probleme; "Oscar"-Preisträgerin Helen Hunt und Martin Sheen befinden sich als gutbürgerliches Ehepaar auf einer spannenden Selbstfindungsreise; sowie Elijah Wood, Laurence Fishburne und Heather Graham als weitere Akteure in einem phantastischen Ensemble.

"Bobby", der Film: Großartig gespielt: Robert Altman ("Nashville"; "Short Cuts") lässt bestens grüßen. Ein mitreißender, hochemotionaler, kluger, spannender USA-Film mit außergewöhnlich interessanten Gedanken und vor allem mit auch natürlich ganz aktuellen Verweisen: Vietnam = Irak; die Veränderungswünsche im Land; die Hoffnung auf die Endlich-Verbesserung der Lebens- und Werte-Qualität der USA, "daheim" wie in der Welt. Ein aufwühlender, toller neuer amerikanischer Film.

"Mitten ins Herz - ein Song für dich"
USA 2006, Regie: Marc Lawrence, Darsteller: Drew Barrymore, Hugh Grant, ohne Altersbeschränkung

"Mitten ins Herz - Ein Song für dich" von Debütant Marc Lawrence (Buch und Regie), der vorher lange Jahre als Drehbuchautor in Hollywood gearbeitet hat (zum Beispiel bei der Hit-Produktion"Miss Undercover" mit Sandra Bullock, 2000). Hier setzt er den Dackelblick-Charmeur überhaupt in Bewegung, den inzwischen 46-jährigen britischen Charme-Bolzen Hugh Grant ("Vier Hochzeiten und ein Todesfall"; "Notting Hill"; "About A Boy").

Inhalt: Hugh Grant mimt hier ein Auslaufmodell von Alt-Pop-Star aus den 80ern, der einst mit seiner Band "Pop" und dem Titel "Pop Goes My Heart" einen Hit landete, dann in der Versenkung verschwand und heute bei Klassentreffen und in Vergnügungsparks auftritt. Dennoch: Alex Fletcher "hat immer noch was", er kommt mit seinem selbstironischen, seinem unbeholfen-liebenswerten Verführercharme bei Frauen um die 40 immer noch "ordentlich an". Dann aber erinnert sich die total angesagte junge Sängerin Cora Corman (entspricht einem Britney-Spears-Klon) an den gutmütigen Oldie und wünscht sich für ihr neues Album ein Lied von ihm. Was aber machen, wenn die musikalische Inspiration bei ihm momentan "gen Null" läuft? Nur gut, dass da eine ziemlich eigenwillige Pflanzenpflegerin namens Sophie bei ihm auftaucht und ziemlich viel Chaos in sein "gemütliches" beziehungsweise geordnetes Leben bringt.

Fazit: Im ersten Teil ist der Film eine liebenswerte Spaß-Parodie auf die poppigen 80er. Als Duos wie "Wham" die Hitparaden stürmten, die Musik nach George Michael oder nach "Duran Duran" klang und bunte Klamotten ebenso angesagt waren wie breit gepolsterte Schultern, Föhnwelle und Schminke im Gesicht sowie das Kreisen der Hüften, während im Hintergrund Schachbrettmuster und blinkende Herzen auftauchten.

Zudem: Hugh Grant singt seine Songs auch noch selbst, tanzt dabei "fröhlich" mit und gibt auch noch den aufgekratzten Klaviermusikus. Doch dann wird aus dem pointierten, amüsanten Retro-Look und der sympathisch-stimmigen Situationskomik eine nur begrenzt vergnügliche Heute-Romanze. Der Grund: Die vorhersehbare Story hakt nun wie eine zerkratzte Schallplatte, weil der Spaß-Charme der 31-jährigen Partnerin Drew Barrymore ("3 Engel für Charlie") nicht so dolle funkt und funktioniert. Der Film wird mehr und mehr leicht müde, behäbig, verliert einiges von seinem komischen Vorher-Reiz. Fazit: Nett-witziger Boulevard-Spaß mit leider zunehmenden Vergnügungspausen.