Fahrsicherheit durch Autoelektronik

Von Gerrit Stratmann |
Autofahren auf glatten Straßen ist gefährlich und eine echte Herausforderung. Wenn die Reifen durchdrehen, geht die Kontrolle über den Wagen verloren. Zum Glück gibt es heute viele elektronische Helfer, die den Fahrer in brenzligen Situationen unterstützen. Die Liste der elektronischen Helfer in aktuellen Fahrzeugen ist lang: Fahrassistenten, Antiblockiersystem, Anti-Schlupf-Regelung, elektronische Stabilitätskontrolle. Macht die ganze Elektrik das Fahren wirklich sicherer?
Das Auto von heute ist ein fahrender Computer. Zahlreiche Sensoren überwachen permanent den Zustand des Fahrzeugs. Sie warnen vor zu niedrigem Ölstand, erinnern an den Sicherheitsgurt oder messen den Abstand beim Einparken. Aber neben solchen praktischen Helfer sitzen auch Systeme unter der Motorhaube, die bei Regen oder Eisglätte aktiv in das Fahrgeschehen eingreifen. Jörg Kirst, Gruppenleiter für Technik und Umwelt beim ADAC Berlin-Brandenburg:
"Wir haben heute ein elektronisches Stabilitätsprogramm, wir haben ein ABS, eine Anti-Schlupfregelung, wir haben modernere Fahrzeuge, die bereits über eine aktive Karosseriekontrolle verfügen, das heißt also, die elektronisch die Fahrwerke anpassen, je nach Fahrweise und Straßensituation dieses Fahrzeugs. Also es ist eine Unmenge an Elektronik, die sich bereits heute in den Fahrzeugen befindet.""

Die Elektronik erkennt zwar nicht, ob draußen Sommer oder Winter herrscht. Sie merkt aber sofort, wenn die Räder auf glattem Untergrund durchdrehen und keinen Halt mehr finden. Dann greift die elektronische Stabilitätskontrolle ein, die von Daimler zum ersten Mal 1995 unter dem Kürzel ESP eingeführt wurde.

Sie fasst Elemente wie das Antiblockiersystem, die Anti-Schlupf-Regelung und verschiedene Sensoren zu einem Gesamtsystem zusammen, das ein Ausbrechen des Wagens bei extremen Ausweich- oder Kurvenmanövern verhindern soll. Der Fahrzustand des Wagens wird dafür bis zu 150 mal in der Sekunde überprüft. Ein Lenkeinschlagssensor meldet die gewünschte Fahrtrichtung, ein Sensor überwacht Drehbewegungen des Autos und ein weiterer Sensor misst die Fliehkraft, die auf das Fahrzeug einwirkt. Droht der Wagen ins Schleudern zu geraten, greift die Stabilitätskontrolle automatisch in die Bremsen der vier Räder ein.
"Was Elektronik aber nicht kann, und das muss man fairerweise immer wieder dazu sagen: Es setzt nicht die Kräfte der Physik außer Kraft. Will also heißen, wenn ich zu schnell in eine Kurve hineinfahre, die das gesamte Fahrzeug aus der Kurve raus beschleunigt, dann wird auch mit ESP nicht mehr viel zu retten sein. Das muss man fairerweise dazu sagen."
Eine elektronische Stabilitätskontrolle ist heute in über 90 Prozent aller Neufahrzeuge eingebaut. Es sieht so aus, als hätte das System zumindest einen Teil zur Fahrsicherheit auf deutschen Straßen beigetragen. In den 90er Jahren lag die Zahl der Verkehrstoten noch regelmäßig bei über 7000 pro Jahr. Heute sind es deutlich weniger als 5000, obwohl das Verkehrsaufkommen in der gleichen Zeit zugenommen hat. Ein Allheilmittel ist ESP bei brenzligen Situationen aber nicht.
"Sie werden dadurch keine Auffahrunfälle verhindern, aber Sie werden dadurch schon Unfälle verhindern, bei denen beispielsweise eine plötzliche Ausweichaktion dazu geführt hat, dass das Fahrzeug ausbricht. Solche Unfälle werden sie verhindern, und wurden auch verhindert."

Das deutliche Plus an Fahrsicherheit hat allerdings nicht dazu geführt, dass die Autowerkstätten weniger zu reparieren hätten. Im Gegenteil. Steffen Werlisch betreibt eine Auto-Werkstatt in Berlin. Seiner Erfahrung nach sind mittlerweile ein Drittel aller Fahrzeugmängel elektronisch bedingt. Ohne die Hilfe von Computern kann er die Störfälle gar nicht mehr diagnostizieren.
"Bei den heutigen Inspektionsfahrzeugen da kann man nicht mehr einen Block rausnehmen und sagen, das und das kriegt das Fahrzeug. Das Fahrzeug sagt uns, was es braucht."

Die Kommunikation mit dem Fahrzeug läuft über eine so genannte OBD-Schnittstelle. Das On-Board-Diagnose-System wird mit einer kleinen Box ausgelesen, die die Daten und Fehlercodes des Wagens an einen Computer in der Werkstatt übermittelt.

"Das ist unser Tester, der hat eine Diagnosebuchse, die man an das Fahrzeug anschließt."

KFZ-Mechaniker Christian Strüve wertet die Daten am PC aus und weiß dadurch oft schon, wo der Fehler liegt. Sein Meister Steffen Werlisch ist mit der neuen Technik sehr zufrieden.
"Wo wir positive Erfahrung haben, ist, dass wir schneller zum Ziel kommen. Viele elektronische Bauteile mussten damals, wo die Möglichkeit zum Auslesen nicht gegeben war, getauscht werden. Ist es denn wirklich dieses Bauteil, dieses Bauteil, dieses Bauteil? Und wenn jetzt ein Temperatursensor defekt ist, das speichert alles das Motorsteuergerät ab."

Der Trend zu immer mehr elektronischen Systemen im Auto ist ungebrochen. Die Hersteller denken schon über weitere Fahrassistenten nach, etwa über Nachtsichtsysteme oder Spurwechselhilfen, die im Notfall in die Lenkung eingreifen können. Jörg Kirst vom ADAC erwartet, dass die Fahrzeuge sich auch irgendwann untereinander auf der Straße vernetzen.
"Wir werden über Fahrzeuge sprechen, die in Zukunft miteinander kommunizieren, was in Zukunft möglicherweise auch dazu führen wird, dass die Fahrzeuge sich untereinander zusätzliche Stauinformationen geben und auch Unfallsituationen melden, so dass nachfolgende Fahrzeuge ein klares Bild davon haben, was einige Kilometer im Voraus stattfindet."

Wie unverzichtbar elektronische Steuersysteme heute schon sind, zeigt allein die Tatsache, dass ohne ihre Hilfe kein Auto in der Lage wäre, die strengen Abgasnormen einzuhalten. Nur die Elektronik kann die Verbrennung im Motor so präzise regeln, dass möglichst wenige Schadstoffe dabei entstehen. Die Kontrolle über das Fahrzeug, so der ADAC-Fachmann, muss aber auch in Zukunft weiterhin beim Fahrer bleiben.
"Der aktive Autofahrer darf nicht komplett aus der Verantwortung genommen werden. Viele Dinge sind ganz bestimmt sehr hilfreiche Assistenten, die das Autofahren sicher machen. Aber was passiert, wenn ich mich zu sehr auf meine Systeme verlasse, und diese Systeme irgendwann mal nicht funktionieren?"