Fahndung nach Love-Scammern

Die Gigolo-Jäger

Eine Frau reicht einem Mann symbolisch eine Rose, während im Vordergrund die Internetseite eines Dating-Portals auf einem Smartphone zu sehen ist.
Eine Frau reicht einem Mann symbolisch eine Rose, während im Vordergrund die Internetseite eines Dating-Portals auf einem Smartphone zu sehen ist. © dpa / picture alliance / Rene Ruprecht
Von Ernst Ludwig von Aster |
Einer der ersten Prozesse gegen Liebes-Betrug im Internet zeigte im vergangenen Jahr, wie Frauen auf virtuellen Partnerbörsen ausgenutzt werden. Es ging um 13 Betrogene und 150.000 Euro Schaden. Der Geldkurier wurde verurteilt, nach den Gigolos wird weiterhin gefahndet.
"Ich koche eine Soße und afrikanische Kartoffeln."
In einem Hamburger Hinterhof, im ehemaligen Gesindehaus kocht Malik Abdul Abendbrot. Seine Freundin sitzt am Küchentisch vor dem tragbaren Computer, scrollt sich durch die Welt der Dating-Portale, wechselt blitzschnell von einem Kontaktgesuch zum nächsten:
"Das ist das Datingportal tagged, es gibt auch noch ne Schwesterseite, die heißt Highfive, die sind beide mit Vorsicht zu genießen, da isser, es ist noch nicht ganz raus, ob es wirklich einer ist, allerdings sprechen die Anzeichen dafür."
Ihr Freund rührt im Topf und grinst. Er kennt das schon. Wenn bei seiner Freundin nach Feierabend das Jagdfieber ausbricht. Nach betrügerischen Internet-Gigolos.
"Erstens mal relativ frisch, zweitens Angabe Beziehungsstatus verwitwet, alles auf englisch. Und nur zwei Bilder..."
David B. Graumeliert, offener Blick, blau-weiß gestreiftes Businesshemd: Hetereosexuell, Christ. Interessiert an einer ernsthaften Beziehung. Martina Zielke rückt noch etwas dichter an den Bildschirm. Packt das Photo mit der Computermaus, zieht es auf die Seite einer Suchmaschine, klickt auf Bildabgleich.
"Und wie man sieht, taucht der Herr schon des häufigeren Mal auf. Auf verschiedenen Seiten. Mit verschiedenen Namen. Einmal mit Adrian Nocha, Alex Hoven, und Alex Thieven. Das sind aber verschiedenen Namen, das darauf schließen lässt, das da Betrüger am Werk sind."
Die 47-Jährige speichert Bild und Namen. Sie wird David B. im Auge behalten, vielleicht einen Verweis auf ihre homepage stellen. Die heisst www.romantikbetrug.com und warnt seit eineinhalb Jahren vor Liebesbetrügern im Netz. Drei Dutzend Mitstreiter unterstützen Zielke. Fast alle sind schon mal abgezockt worden.
"Bis 120.000 Euro haben wir dabei, ... also fünfstellige Summen sind normal, so um die 50.000 da rege ich mich gar nicht mehr drüber auf."
Sie selbst hat noch einmal Glück gehabt.
"Ich hatte Elternzeit, daher ein bisschen Langeweile. Und von einer Person ständig Anfragen bekommen."
Sogar das FBI schaltete sich in den Fall ein
Zielke sucht damals keine Beziehung. Nur Kontakte gegen die Langeweile. Ein US-Militär wirbt hartnäckig um ihre Freundschaft. Ein General im Auslandseinsatz.
Curtis Michael Scarparotti, seines Zeiten IOC Commander bei ISAF Afghanistan.
Zielkes Freund am Herd muss erneut grinsen. Von ihm hört Zielke auch das erste Mal den Begriff "Love-Scammer".
"Ich habe sofort gedacht, das ist ein Betrüger... da musst Du aufpassen, da ist ein Betrüger."
"Ich bin hin und hergeschwankt. Aber ich habe Dir auch immer gesagt ich will es rauskriegen, Und ich habe es rausgekriegt."
Monatelang gehen Mails hin und her. Alle Informationen, die der vermeintliche Scarparotti schickt, stimmen. Heute weiß Zielke, dass sich der Netzcasanova einfach auf der offenen Familienhomepage des Generals bediente.
"Irgendwann kam dann die Sache so, als ich mal in Ghana war, mit dem Obama, mal so einen Jungen adoptiert, ein Flüchtlingskind. Und der braucht ein bisschen Unterstützung. Aber ich kann ja von hier aus nicht. Weil ich bin ja in Afghanistan, kannst Du mal."
Obama war 2009 wirklich in Ghana. Das Adoptivkind, sei heute 16, schreibt der Netz-General, schickt auch Bild und Namen mit. Wieder ein Fall für Malik Abdul
"Durch meinen Lebensgefährten wusste ich, dass das ein nigerianische Name war, und zwar aus Nordnigeria. Und dann haben wir den Spieß umgedreht."
Sie schicken einmalig 50 Euro über Western Union. Und versprechen als nächstes ein I-phone – das allerdings nur an eine Postadresse ausgeliefert werden kann. Aus Sicherheitsgründen bräuchten sie eine Ausweis-Kopie des Empfängers. Der Trick funktioniert:
"Der hieß tatsächlich Gaius mit Vornamen, auch Ukezi mit Nachnamen, mit dem Zusatz Iteri, kam tatsächlich aus Nordnigeria, passt wunderbar, seine 16 Jahre, die er angegeben hatte, hatten sich dann auf 29 erhöht, ja, und damit hatten wir ihn schon mal."
Sie informieren das Hamburger LKA, den Generalstab in Afghanistan. Schließlich schaltet sich sogar das FBI ein.
"Wir haben jetzt einen Stand von 196.064 Besuchern auf der Homepage, seit 15.3. 2013 im Netz."
Männliche Scammer in Westafrika, Frauen in Osteuropa
Warnhinweise, Erkennungshilfen, Notfallnummern. In einer Videoschleife auf ihrer Homepage tauchen immer wieder genutzte Portraitfotos auf. Die männlichen Scammer sitzen vor allem in Westafrika, die Frauen in Osteuropa. Die Masche ist immer die gleiche. Vertrauen herstellen, persönliche Treffen immer wieder verschieben, Notlagen erfinden.
"Das fängt so mit Kleinigkeiten an: Habe einen Unfall gehabt, muss das Krankenhaus bezahlen, wurde überfallen habe einen Sohn, der ein bisschen für die Schule braucht, die stories sind immer ähnlich und die zielen darauf ab, das Geld geschickt werden muss."
Wie oft die Internet-Casanovas abkassieren, weiß niemand. Die Dunkelziffer ist hoch, die Schamgrenze, sich nach dem Betrug jemanden anzuvertrauen auch. Da hilft manchen der Kontakt zu Zielkes Gruppe.
Auf jeden Fall zur Polizei gehen, rät Zielke den Opfern noch. Wenn es geht, zum Landeskriminalamt. Dort beschäftigen sich Profis mit der Internetkriminalität. Anders als auf meisten anderen Polizeiwachen:
"Teilweise müssen die Opfer die Erfahrung machen, wenn sie zur normalen Polizei gehen, das sie einfach damit nicht umgehen können. Das heißt das Opfer ist schon emotional vergewaltigt durch diesen Betrüger, finanzielle zum Teil ruiniert und muss dann noch feststellen, dass die Polizei noch einen oben drauf setzt. Das geht gar nicht."
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