Fahnden nach Belegen
Die Schriftstellerin Catherine Millet sorgte mit ihren Bekenntnissen in „Das sexuelle Leben der Catherine M.“ für Schlagzeilen. Nun erzählt sie davon, dass auch sie vor dem altmodischen Gefühl der Eifersucht nicht gefeit ist.
2001 hatte Catherine Millet mit der Veröffentlichung ihrer (partiellen) Autobiografie „Das sexuelle Leben der Catherine M.“ den Fundus der erotisch-pornografischen Literatur um ein markantes Zeugnis offenherziger Bekenntnisse bereichert. Alle Welt kommentierte damals das Erscheinen dieser außergewöhnlichen Erinnerungen, die vor allem um ein Sujet kreisen: um Millets äußerst freizügig ausgelebte Sexualität. Die Schockwirkung ging weniger von den detailliert beschriebenen Swingerpartys und Stellungswechseln aus als von der Art und Weise, wie kühl hier eine Intellektuelle von Rang Intimes nach außen kehrte, in Tabuzonen eindrang und „bürgerliche“ Gefühle ad acta legte.
Umso verblüffender dann, als Millet sieben Jahre später den jetzt auf Deutsch erscheinenden Text „Eifersucht“ (im Original treffender „Jour de souffrance") nachschob, der von für sie merkwürdigen emotionalen Wallungen berichtet: vom staunenswerten Eingeständnis, dass zur Schau gestellte Libertinage nicht vor einem „Rückfall“ in vermeintlich altmodische Gefühlsregungen schützt. Als – so Millet selbst – „Paradebeispiel für eine freie Sexualität“ erzählt sie nun davon, wie sie von Eifersuchtsanfällen heimgesucht wird, als sie auf dem Schreibtisch ihres Mannes ein Kuvert entdeckt, das den Verdacht schürt, dass auch dieser wenig von monogamer Lebensführung hält.
Mit „inquisitorischer Hartnäckigkeit“ fahndet Millet fortan nach Belegen für die Untreue des Gatten, durchwühlt seinen Schreibtisch, liest seine Tagebücher und sieht sich zunehmend eingesperrt im Gefängnis der Eifersucht. Ein „Zwangsprogramm“ läuft ab, das zur „Sucht“ wird. Die einst so souveräne Intellektuelle stellt plötzlich fest, dass ihr Handeln von fremden Mächten beherrscht wird. Jacques‘ Liebschaften bevölkern ihre Tag- und Nachtträume, bis hinein in die zahlreichen Masturbationsfantasien, die okkupiert werden von Jacques‘ Kopulationen mit anderen Frauen: „Ich träume nicht mehr mein eigenes sexuelles Leben, ich träume das von Jacques.“
Millet, die als 18-Jährige auf den Spuren Françoise Sagans nach Paris aufbrach, um sich der dortigen Künstlerszene anzuschließen, fürchtet sich davor, ins „schlichte Denken der großen Masse“ zu verfallen. Dem versucht sie dadurch zu entgehen, dass sie, dem französischen Stilideal der „Klarheit“ verpflichtet, betont sachlich Gefühlsüberlagerungen beschreibt und so auf beeindruckende, ja mitunter sogar ergreifende Weise seziert, was Eifersucht an Leid (und an Lust) bereitet.
Catherine Millet macht es sich und ihren Lesern dabei nicht leicht. Im schönen Schlusskapitel „Am Strand“ scheint die Autorin in jedem Fall ganz bei sich angekommen zu sein. In einem für sie ungewohnt leichten Ton erzählt sie vom Schreiben ihrer Bücher und vom allmählichen Überwinden ihrer Eifersuchtsattacken. Ganz verschwunden sind diese freilich nicht, sie bleiben als Reflex gegenwärtig – ein Eingeständnis, das von neuer Souveränität zeugt und auch für die künstlerische Qualität dieses Buches spricht.
Besprochen von Rainer Moritz
Catherine Millet: Eifersucht
Aus dem Französischen von Sigrid Vagt
Carl Hanser Verlag, München 2010
221 Seiten, 21,50 Euro
Umso verblüffender dann, als Millet sieben Jahre später den jetzt auf Deutsch erscheinenden Text „Eifersucht“ (im Original treffender „Jour de souffrance") nachschob, der von für sie merkwürdigen emotionalen Wallungen berichtet: vom staunenswerten Eingeständnis, dass zur Schau gestellte Libertinage nicht vor einem „Rückfall“ in vermeintlich altmodische Gefühlsregungen schützt. Als – so Millet selbst – „Paradebeispiel für eine freie Sexualität“ erzählt sie nun davon, wie sie von Eifersuchtsanfällen heimgesucht wird, als sie auf dem Schreibtisch ihres Mannes ein Kuvert entdeckt, das den Verdacht schürt, dass auch dieser wenig von monogamer Lebensführung hält.
Mit „inquisitorischer Hartnäckigkeit“ fahndet Millet fortan nach Belegen für die Untreue des Gatten, durchwühlt seinen Schreibtisch, liest seine Tagebücher und sieht sich zunehmend eingesperrt im Gefängnis der Eifersucht. Ein „Zwangsprogramm“ läuft ab, das zur „Sucht“ wird. Die einst so souveräne Intellektuelle stellt plötzlich fest, dass ihr Handeln von fremden Mächten beherrscht wird. Jacques‘ Liebschaften bevölkern ihre Tag- und Nachtträume, bis hinein in die zahlreichen Masturbationsfantasien, die okkupiert werden von Jacques‘ Kopulationen mit anderen Frauen: „Ich träume nicht mehr mein eigenes sexuelles Leben, ich träume das von Jacques.“
Millet, die als 18-Jährige auf den Spuren Françoise Sagans nach Paris aufbrach, um sich der dortigen Künstlerszene anzuschließen, fürchtet sich davor, ins „schlichte Denken der großen Masse“ zu verfallen. Dem versucht sie dadurch zu entgehen, dass sie, dem französischen Stilideal der „Klarheit“ verpflichtet, betont sachlich Gefühlsüberlagerungen beschreibt und so auf beeindruckende, ja mitunter sogar ergreifende Weise seziert, was Eifersucht an Leid (und an Lust) bereitet.
Catherine Millet macht es sich und ihren Lesern dabei nicht leicht. Im schönen Schlusskapitel „Am Strand“ scheint die Autorin in jedem Fall ganz bei sich angekommen zu sein. In einem für sie ungewohnt leichten Ton erzählt sie vom Schreiben ihrer Bücher und vom allmählichen Überwinden ihrer Eifersuchtsattacken. Ganz verschwunden sind diese freilich nicht, sie bleiben als Reflex gegenwärtig – ein Eingeständnis, das von neuer Souveränität zeugt und auch für die künstlerische Qualität dieses Buches spricht.
Besprochen von Rainer Moritz
Catherine Millet: Eifersucht
Aus dem Französischen von Sigrid Vagt
Carl Hanser Verlag, München 2010
221 Seiten, 21,50 Euro