Fadeste Leitartikelware

Von Knut Cordsen · 23.11.2005
Der Schriftsteller Rolf Hochhuth hatte einen Gastauftritt bei der RTL-Serie "Gute Zeiten, Schlechte Zeiten". Umgekehrt werden Schauspieler aus "GZSZ" sein neues Stück "Familienbande" im Brandenburger Theater aufführen. "Fadeste Leitartikelware" mit einem "ordentlichen Schuss Altherrenwitz", meint der Kritiker Knut Cordsen.
Dass wir das noch erleben durften: An diesem Mittwochabend, so um acht Uhr, hatte der Dramatiker Rolf Hochhuth endlich mal wieder einen großen Auftritt, nicht im Theater, nein: in der Oper, genauer: in der Seifenoper des Privatfernsehens, in Folge 3363 der RTL-Soap "Gute Zeiten, schlechte Zeiten", unter Kennern "GZSZ" genannt.

Hochhuth als Gaststar bei "GZSZ", das waren 16 Worte, drei Sätze, eine minimale Szene von nur wenigen Sekunden, die dem normalen Zuschauer nicht weiter aufgefallen sein dürfte: Der 74-Jährige stand auf einer Wohltätigkeitsveranstaltung, auf der übergroße mattgoldene Christbaumkugeln versteigert wurden - und Hochhuth, der alte Hase, das Jackett lässig über die Schultern geworfen, holte sich eines der hässlichen Dinger mit seinem Höchstgebot.

Szene: " Ich biete 200. – 200 Euro. Bietet jemand mehr? Nein? 200 Euro zum Ersten, zum Zweiten und zum Dritten. Die Christbaumkugel geht an den Herrn. Vielen Dank! Darf ich fragen, wie Sie heißen? – Ich bin Rolf Hochhuth. – Herr Hochhuth! "

Herr Hochhuth ist der Laienspielschar von "Gute Zeiten, Schlechte Zeiten" natürlich wohlbekannt. Denn seinen Gastauftritt bei "GZSZ" hat er deshalb, weil er ein erklärter Fan dieser Serie ist und am Freitag dieser Woche fünf Damen und Herren aus "Gute Zeiten, Schlechte Zeiten" auf brandenburgischen Bühnenbrettern Hochhuths neuestes Stück uraufführen werden: Es heißt "Familienbande" und ist das, was man von Hochhuth gewohnt ist seit Jahren schon: fadeste Leitartikelware.

Seine politische Weltsicht, vermengt mit Polemik gegen ihm missliebige Personen wie Claus Peymann und andere, das alles gespannt in ein arg hölzernes Handlungsgerüst, versehen mit einem ordentlichen Schuss Altherrenwitz. Hochhuth selbst findet's "genial", wir finden’s dann doch eher genital. Selten so viele derbe Anzüglichkeiten auf über hundert Seiten versammelt gesehen.

"Komm, der Tag ist gelaufen, ein Frühabendfickchen" fordert da der Mann die Frau auf, ein dauergeiler Ehebrecher, der gegenüber Freunden gern "Witzchen" wie diesen erzählt: "Wisst ihr, warum die Alten in Polen / stets nur eine halbe Viagra nehmen? / Weil alles, was in Polen irgendwo / länger als eine Viertelstunde steht – gestohlen wird." Da lacht der Stammtisch, da sprießt der Johannestrieb. Schön, dass Hochhuth sich auch den Schülerscherz nicht verkneifen kann, dass, wer einer Partei beitritt, "mit Glied" ist. Hihi, der Rolf macht Pipi. Bisschen "imbecil", steht in "Familienbande", seien solche Witze ja schon. Stimmt, und zwar im Wortsinn. Imbecil, verrät der Fremdwörterduden, bedeutet "mittelgradig schwachsinnig".

Szene: " Vielen Dank, Herr Hochhuth! … "

… sagen wir mit den Stars von "GZSZ", und wünschen uns andere, bessere Zeiten.

Service:

Rolf Hochhuths Stück "Familienbande" wird am 25. November 2005 am Brandenburger Theater uraufgeführt.