Facebook, WhatsApp und Instagram offline

    Kein Anschluss unter dieser App

    Auf dem Bildschirm eines Smartphones sind die Icons von Instagram, Facebook und WhatsApp zu sehen.
    Immense Marktmacht: Auch Instagram und Whatsapp gehören zu Facebook. Durch den Ausfall wurde das Usern schmerzlich bewusst. © picture alliance / dpa / Karl-Josef Hildenbrand
    05.10.2021
    Wie abhängig Milliarden von Usern von Facebook, Instagram und WhatsApp geworden sind, zeigt der komplette "Cut" vom Netz, der stundenlang die Kommunikation unterbrach. Was steckt dahinter und wie gehen Unternehmen und Community damit um?
    Und plötzlich Schweigen im Chat: Am Montag, den 4. Oktober, ging ab nachmittags gar nichts mehr, und das weltweit für rund 3,5 Milliarden Nutzer und Nutzerinnen der Dienste Facebook, WhatsApp und Instagram. Sieben Stunden lang waren die Social-Media-Plattform sowie die Online- und Messengerdienste offline, keine Nachrichten kamen mehr durch.
    Erst gegen Mitternacht mitteleuropäischer Zeit liefen die Dienste peu à peu wieder an.

    Was war da los?
    Das Unternehmen Facebook macht eine fehlerhafte Konfigurationsänderung verantwortlich. Diese habe die Verbindung der Nutzerinnen und Nutzer zu den drei Diensten gekappt.
    Die Unterbrechung des Datenverkehrs habe "kaskadenartige Auswirkungen auf die Kommunikation zwischen unseren Rechenzentren gehabt und unsere Dienste zum Stillstand gebracht", merkte der Vize-Präsident für Infrastruktur, Santosh Janardhan, in einem Facebook-Blog am Abend an.
    Die Störung war so schwer in den Griff zu bekommen, dass Facebook der "New York Times" zufolge ein Team in sein Rechenzentrum im kalifornischen Santa Clara schicken musste, um einen "manuellen Reset" der Server zu versuchen.
    Facebook verwies darauf, dass von dem Ausfall auch interne Systeme betroffen gewesen seien. Dadurch habe es länger gedauert, das Problem zu diagnostizieren und zu beheben.
    Der Vorfall zeigt die Verwundbarkeit des Konzerns – und damit von Millionen von Usern, die WhatsApp nicht nur für private Chats, sondern beispielsweise auch als Kleinunternehmer nutzen, um ihre Geschäfte darüber abzuwickeln.

    Das sagen Experten
    Die Erklärung des Unternehmens deckt sich in etwa mit Vermutungen von Experten, die von einem Fehler in der Netzwerk-Infrastruktur ausgehen. Man müsse sich das wie "eine irreführende Umleitung" vorstellen, sagt etwa Moritz Metz, Redakteur der Multimedia-Sendung Breitband des Deutschlandfunk Kultur [AUDIO] . Dass Hacker hinter dem Chaos bei Facebook stecken könnten, hält er für eher unwahrscheinlich. Interne Daten und Informationen des Unternehmens würden "gehütet wie Kronjuwelen".
    Auffällig sei jedoch die zeitliche Nähe zu einem anderen Vorfall bei Facebook: Die ehemalige Mitarbeiterin und Whistleblowerin Frances Haugen habe den Konzern schwer beschuldigt [AUDIO] . Facebook arbeite nur für den eigenen Gewinn, tue aber nichts für die Eindämmung von Hate Speech – wohlwissend, wie schädlich etwa Instagram für Jugendliche sei.
    Sie hatte in einer Abteilung gearbeitet, die gegen Hate-Speech vorgehen sollte. In einem TV-Interview berichtete sie, dass das vor allem eine sehr frustrierende Erfahrung war, weil vieles, was ihr Team erarbeitet hat, letztlich ignoriert worden sei.
    "Wer weiß, vielleicht hat irgendein Idealist – ein Systemadministrator – an diesem richtigen Hebel aus Versehen seine Cola auf der Tastatur verschüttet", vermutet Metz. Und fügt hinzu: "Aber das sind alles nur Spekulationen."

    Hohe Abhängigkeit

    Stefan Braun, Redakteur bei der "Süddeutschen Zeitung", der selbst von Berufswegen täglich mehrere Messengerdienst im Auge behalten muss, sagt [AUDIO] : Egal, ob ein Hacker mit erpresserischer Absicht Facebook stilllege oder ob der Konzern in seinem Streben nach ständiger Optimierung der Technik selbst den Offline-Zustand herbeiführe – "die Abhängigkeit ist dramatisch, an ganz vielen Stellen".
    Und anders als Ältere betrachteten junge Menschen, die praktisch ihren gesamten Alltag über WhatsApp und Facebook organisierten, die erzwungene Pause nicht als Gelegenheit zum Luftholen.
    Allein die Tatsache, dass sie ihre Konflikte einfach nur noch im Netz austrügen, wo man sich nicht in die Augen schauen müsse, zeige: "Das Vergiftungspotenzial ist hoch." Und das bereite ihm große Sorgen.
    Der Unfall zeigt auch, dass Facebook seine große Marktmacht in solchen Situation heftig auf die Füße fallen kann: Der Konzern kaufte in den letzten Jahren seine Konkurrenz oder potenzielle Konkurrenz einfach auf – Instagram 2012 und WhatsApp 2014. Er verzahnte sie technisch eng miteinander, auch, um eine Zerschlagung schwieriger zu machen.
    Doch jetzt offenbarten sich die praktischen Nachteile: Ein Fehler im System legt gleich mehrere Plattformen lahm.

    Große Macht von Facebook

    Es sei wichtig, dass man sich bewusst mache, was Social Media mit einem mache, sagt der Kommunikationsexperte Gergely Teglasy [AUDIO]: "Wir haben unglaubliche Vorteile, aber es liegt eben auch eine Gefahr aufgrund der Macht vor, die die großen Konzerne haben."
    Spätestens seit "Cambridge Analytica" kenne man die Macht von Facebook. Passiert sei seitdem allerdings wenig. "Sie haben immer nur getan, was sie tun mussten, um irgendwie doch durchzukommen."
    Man müsse sich vergegenwärtigen, dass Facebook jede Stunde 13 Millionen Dollar mit Werbung verdient, so Teglasy. Facebook mache alles, um Profit zu generieren, das sei dem Unternehmen wichtiger als Verantwortung.
    Die Rufe nach einer Aufsicht seien da und würden lauter. "Das Problem ist: Wir haben keine perfekte Lösung dafür. Wir können nicht aus Erfahrung sagen, was optimal funktionieren würde", sagt Teglasy. Sinnvoll sei seiner Meinung nach ein unabhängiges Expertengremium, an deren Vorgaben sich die Unternehmen halten müssten und Geldstrafen bei Fehlverhalten.
    Wie reagierten die User?
    Deutschlandfunk Kultur-Redakeur Moritz Behrendt hat sich dazu im Netz nach Reaktionen umgehört und umgesehen [AUDIO] : "Sehr viele haben darauf hingewiesen, dass es doch auch andere Messenger-Dienste als WhatsApp gebe, mit weniger fragwürdigen Datenschutzrichtlinien – Signal zum Beispiel. Andere waren ganz begeistert, dass sie nun keine Meldungen im Minutentakt aus ihren WhatsApp-Elterngruppen mehr bekommen."
    Tatsächlich lief auch der Messengerdienst Telegram ohne Störungen weiter. Wer dort ein Profil hat, konnte einfach im anderen Kanal chatten.
    Auch hätten viele User interessante Selbstbeobachtungen zu Protokoll gegeben, sagt Behrendt weiter. Etwa darüber, was passiert, wenn "diese riesige Prokrastinationsmaschine Facebook plötzlich ausfällt: 'Huch, mich haben plötzlich drei Leute angerufen'. Oder: 'Ich habe zwei Bücher gelesen, fünf Seiten geschrieben, drei Kurse vorbereitet und dann sogar mit meiner Frau gesprochen.' Und ein Lehrer schrieb: 'Wenn jetzt auch noch Tiktok ausfällt, dann kommen die Schülerinnen und Schüler morgen vielleicht sogar mal ausgeschlafen in den Unterricht.'"

    Die emotionale Abhängigkeit von Social Media

    Aber was würde emotional eigentlich mit Menschen passieren, wenn Social-Media-Dienste nicht nur für wenige Stunden, sondern gleich für mehrere Tage ausfallen würden? Tobias Dienlin, Professor für interaktive Kommunikation an der Uni Wien und Experte für soziale Medien und psychische Gesundheit, [AUDIO ] sagt, dass solch ein Ausfall sicherlich auf die Stimmung schlagen, frustrieren und für Aufregung sorgen würde.
    Die Forschung zeige, dass Messenger-Dienste durchaus Auswirkung auf die Stimmung von Menschen haben, so Dienlin. Es sei auch unstrittig, dass Social-Media-Dienste ein fester Bestandteil der Gesellschaft seien. Aber auf die Lebenszufriedenheit insgesamt würden sie sich nicht auswirken.
    Für ein zufriedenes Leben seien vielmehr ein guter Job, eine angenehme Beziehung, finanzielle Sicherheit und Gesundheit viel wichtiger.

    Sprunghafter Anstieg von Telefonaten und SMS

    Der Mobilfunkkonzern Telefonica, zu dem auch O2 gehört, registrierte nach eigenen Angaben in Deutschland im Zeitraum 19 bis 20 Uhr (mitteleuropäischer Zeit) Handytelefonate, die zusammengerechnet etwa 700.000 Stunden ergaben. Der normale Schnitt liegt sonst bei 500.000 Stunden. Im selben Zeitraum, berichtete der Anbieter, wurden dreimal so viele SMS verschickt wie sonst.
    Viele User haben es offensichtlich mit Humor genommen. Es habe aber im Netz auch viele ernste Kommentare gegeben, sagt Behrendt, etwa von Whistleblower Edward Snowden [AUDIO] , der zum wiederholten Mal auf die Monopolstellung und die enorme Markt- und Medienmacht des Konzerns hingewiesen habe. Er twitterte, die Panne bei Facebook habe die Welt für einen Augenblick wieder zu einem strahlenderen und gesünderen Ort gemacht.
    Und etliche Nutzerinnen und Nutzer hätten daraufhingewiesen, dass der Komplettausfall von WhatsApp für viele ein ausgesprochen ernstes Problem gewesen sei, vor allem in Ländern, in denen eine andere Form der Verständigung und Kommunikation nur schwierig möglich ist. Das spiegeln offenbar etliche Kommentare im Netz wider.
    So sei es beispielsweise in Afghanistan für viele Menschen ein Schock gewesen, WhatsApp nicht nutzen zu können. Dort gehöre der Messengerdienst zu den wenigen Möglichkeiten, Kontakt mit der Außenwelt aufzunehmen.
    (Quellen: RTRD, dpa, AFPD, Moritz Metz, Moritz Behrendt, mkn, raw)
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